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Mode aus zwei Jahrhunderten in Hamburg

Verena Greb
24. Februar 2022

Von Alltagskleidung bis Avantgardemode: Anhand der Garderoben sieben modebewusster Frauen erzählt das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, dass Kleidung auch Emanzipation bedeutete.

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Inmitten eines Säulengangs wird ein Abendkleid in Schwarz Edith von Maltzans präsentiert.
Kleider sind Ausdruck von Persönlichkeit, zeigt eine Ausstellung in HamburgBild: Anne Schönharting

Die eine war Diplomatengattin, die andere Chefredakteurin der deutschen "Vogue", wieder eine andere ist Künstlerin und noch immer in der Hamburger Punk-Szene aktiv: So unterschiedlich wie die Lebensläufe dieser Damen sind, waren auch ihre Kleider. Die Ausstellung "Dressed. 7 Frauen - 200 Jahre Mode" im "Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg" (MK&G), gibt von Freitag (25.02.2022) an Einblick in die Garderoben dieser Frauen sowie von vier weiteren Damen; darunter Alltagskleider, Haute Couture, Protest- und Avantgardemode.

Die älteste der vertretenen Damen wurde im beginnenden 19. Jahrhundert geboren, die jüngste mehr als 150 Jahre später. Damit erzählt "Dressed" ausgehend von den sieben Beispielen, welchen Veränderungen die Mode über die Jahrzehnte unterlag und zeigt zugleich auf, welche Gesellschaftsschichten welche Richtungen (mit)prägten. 

Von Bekleidungsnormen und einer widerständigen Ästhetik

Drei Tageskleider mit Knöpfen und Kragen in Blau, Beige-Grau und Anthrazit.
Einen "Zeitspeicher" nennt das MK&G diese Tageskleider Erika Holsts (um 1938-42) Bild: Anne Schönharting

'Kleider machen Leute', so heißt eine Redewendung, die älter ist als Gottfried Kellers gleichnamige Novelle von 1874. Darin erzählt er die Geschichte eines Schneiderlehrlings, der sich so vornehm kleidet wie ein Graf. Eine Parabel, die zeigt, dass wir uns durch die Wahl der Kleidung eine bestimmte Wirkung bei unserem Gegenüber erhoffen. Wir kommunizieren mittels Kleidung, können Bekleidungsnormen oder bestimmten Dresscodes entsprechen oder uns gegen gängige Konventionen einer Zeit auflehnen. 

Angelica Blechschmidt an einem Restauranttisch mit Zigarette in der linken Hand.
Sie galt als "Stilikone": Die einstige "Vogue"-Chefin Angelica Blechschmidt (1995)Bild: Angelica Blechschmidt Archiv

Die Hamburger Ausstellung rückt mit Elise Fränckel (1807-1898), Edith von Maltzan (1886-1976), Erika Holst (1917-1946), Elke Dröscher (*1941), Angelica Blechschmidt (1941-2018), Anne Lühn (*1944) und Ines Ortner (*1968) sieben unterschiedliche Persönlichkeiten über die Mode, die sie trugen, in den Fokus.

Repräsentation, Protest, Avantgarde: Vielfältige Stile

Das Beispiel der Senatorengattin Elise Fränckel etwa repräsentiert das selbstbewusst Mode und Kleidungsnormen erobernde Bürgertum der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Obwohl hauptsächlich Hausfrau und Mutter, ist Elise Fränckels Garderobe durchaus elegant. Als Gattin des angesehenen Buchdruckers Carl Fränckel und Ratsmitglieds muss sie auch repräsentative Pflichten erfüllen. So erklären sich Schals aus Kaschmir, Spitzenkragen, ein Sonnenschirm und feine Handschuhe.

Elke Dröscher auf einer Schwarz-Weiß-Fotografie inmitten von Puppen, 1978.
Elke Dröscher setzte auf Mode, die sie persönlich schützte, ihr aber beruflich nützteBild: Robert Lebeck

Repräsentativ und praktisch war die Anforderung, die die im Zweiten Weltkrieg geborene Elke Dröscher an ihre Garderobe stellte. Als Galeristin stieß sie dabei 1968 auf Yves Saint Laurents etwas preiswertere "Prêt-à-porter"-Linie "Rive Gauche". Fortan trug sie die sportlich-elegante Tagesmode des französischen Designers fast zwanzig Jahre lang und kreierte so ein Bild von sich selbst.

Mit einem eigenen Stil, ihrem persönlichen Modestatement, wurde wiederum die einstige Chefredakteurin der deutschen Ausgabe des Modemagazins "Vogue", Angelica Blechschmidt, bekannt: Ein schwarzes Cocktailkleid, High Heels und auffällige Accessoires wurden zu ihrer "Uniform". Blechschmidts Zeit ist die Zeit der Designermode und der Supermodels.

Schwarz-Weiß-Fotografie von Ines Ortner mit Latzhose und Trägerhemd.
Ines Ortner kreierte als einzige der sieben Protagonistinnen eigene StückeBild: Alfred Zimmel

Die gezeigten Kreationen der Jüngsten, Ines Ortner, fallen hingegen durch Symbole der Protestkultur auf. Denn Punkmode sollte erst später in den Mainstream eingehen. Die von ihr genutzten Techniken waren die der Assemblage und der Dekonstruktion: Sie bemalte Kleidungsstücke, besprühte und durchlöcherte sie schonmal. Und avantgardistisch mutet an, was von Anne Lühns Exponaten, entstanden zwischen 1985 und 2020, zu sehen ist. Lühn sammelte Stücke von japanischen Modedesignerinnen und Designern und der sogenannten Antwerpener Schule. Es sind Entwürfe sogenannter "game changer", die wegführen vom fraglichen Ideal optimierter Körper und dem ausgestellten Sexappeal. 

Kleider aus nah und fern

Zwei Kleider auf Ständern, eines mit Print in Orange-Rot (li.) und eines in hellem Grundton mit kleinem Muster von Yves Saint Laurent & Saint Laurent Rive Gauche.
Die Galeristin Elke Dröscher trug fast zwei Jahrzehnte nur Stücke des Modeschöpfers Yves Saint LaurentBild: Anne Schönharting

Die gezeigten Teile aus den Garderoben der sieben Frauen stammen nur teilweise von Designern wie eben Yves Saint Laurent oder anderen, darunter Elsa Schiaparelli und Yohji Yamamoto. Viele wurden von anonymen Hausnäherinnen und Schneiderinnen gefertigt oder - im Falle von Ines Ortner - auch selbst. 

Dass die älteste Protagonistin, Elise Fränckel, dabei bereits außerhalb ihres norddeutschen Radius Kleider "shoppte", ist ein Fakt, der sich über die Ausstellung transportiert: Fränckel trug Schuhe aus Paris und besaß einen Tüllkragen mit Stempel in kyrillischer Schrift, der vermutlich aus Riga stammte. Insgesamt zeugen 150 Ausstellungsstücke - darunter auch ein Hochzeitskleid und Accessoires - vom Modebewusstsein der zum Teil bereits verstorbenen Protagonistinnen.

Die Ausstellung "Dressed. 7 Frauen - 200 Jahre Mode" ist im Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg vom 25.02. bis 28.08.2022 zu sehen.