Serbien: Vernetzung und Wissenstransfer für Medien | Europa/Zentralasien | DW | 19.01.2016
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Europa/Zentralasien

Serbien: Vernetzung und Wissenstransfer für Medien

Staatliche Gängelung und die schwierige wirtschaftliche Lage bringen serbische Medien in immer größere Bedrängnis. Mit Kompetenzzentren in Belgrad und Novi Sad unterstützt die DW Akademie freien Journalismus.

Serbien Kompetenzzentren DW Akademie

Die Kompetenzzentren in Novi Sad und Belgrad bieten unter anderem Orientierung in Bezug auf Mediengesetzgebungen und EU-Richtlinien

Nahezu täglich dasselbe Ritual: "Guten Abend", grüßt der Nachrichtenmoderator und schiebt gleich die erste Meldung hinterher, mit dem üblichen Protagonisten: "Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vučić …" Der steht auch gleich bereit, um den Zuschauern in bedächtigem Ton die Welt zu erklären. Die erste Frage des Moderators übergeht er geflissentlich, die zweite lässt er erst gar nicht zu, redet ohne Punkt und Komma, bis er dem Moderator am Ende das Signal gibt, das Gespräch zu beenden. Später im Programm eine Talkshow, einziger Gast ist wieder der Ministerpräsident. Der hilflose Moderator verzichtet schon bald darauf, Fragen zu stellen, weil er begreift, dass er eher überflüssiges Beiwerk ist. Denn Vučić redet und redet, unter dem gelegentlichen Beifall seiner Claqueure im Publikum, bis er feststellt: "Jetzt können Sie mit dem nachfolgenden Programm beginnen, schließlich wollen die Leute nicht nur mich reden hören." Er gibt sich gerne gnädig.

Seit April 2014 steht Aleksandar Vučić an der Regierungsspitze, und seitdem verfolgt er systematisch das Ziel, freien Journalismus im Lande mundtot zu machen. Indem er Journalisten verunglimpft und dafür sorgt, dass die seiner Partei nahestehenden Werbeagenturen einen großen Bogen um unliebsame Medien machen und ihnen damit die finanzielle Grundlage entziehen. In den vergangenen Monaten ist die Kritik von Seiten der EU-Kommission, OSZE und anderer Institutionen immer lauter geworden. Doch das ficht Vučić nicht an.

Verunglimpfung und finanzielle Notlage

Viele serbische Medien kämpfen ohnehin seit Jahren um ihre Existenz. Von der Wirtschaftskrise von 2009 hat sich die Wirtschaft bis heute nicht erholt. Entsprechend klein ist auch der Werbemarkt. Hinzu kommt, dass die serbische Regierung europäische Auflagen geschickt zu nutzen versucht, um den Mediensektor in ihrem Sinne zu "bereinigen". Zahlreiche lokale TV- und Radiostationen mussten schließen, die wenigen seriösen Tageszeitungen verzeichnen schwindend geringe Verkaufszahlen, während Boulevard-Blätter ihre Auflagen nur halten können, indem sie Skandalberichte veröffentlichen, die keine Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte nehmen. Und die jüngere Generation stillt ihren Informationshunger inzwischen immer mehr durch ausländische Internet-Medien.

Serbien Kompetenzzentren DW Akademie

Beratung zu Medienfinanzierung, Hilfe bei der Vernetzung von Medienorganisationen

"Um die Abwärtsspirale des serbischen Journalismus zu stoppen, müssen die Medien ihre Kräfte bündeln und stärker kooperieren", sagt Klaus Dahmann, Ländermanager der DW Akademie für Serbien und Westbalkan. "Und dafür schaffen wir, gemeinsam mit den großen Medienverbänden und den öffentlich-rechtlichen Sendern, eine solide Grundlage."

So hat die DW Akademie 2014 zwei Kompetenzzentren initiiert: eines für private Lokalmedien in Serbien und eines für öffentlich-rechtliche Medien, das auch andere Länder der Westbalkan-Region einschließt. Die Kompetenzzentren helfen, TV- und Radiosender sowie Print- und Online-Medien zu vernetzen und Manager, Journalisten und Techniker fortzubilden. Ziel ist, dass die Medien im sich wandelnden Umfeld dauerhaft bestehen, auf neue Herausforderungen besser reagieren und damit ihre gesellschaftliche Funktion, trotz aller Widrigkeiten, erfüllen können. Besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, gesellschaftlich benachteiligten Gruppen Gehör zu verschaffen, so zum Beispiel Frauen und ethnischen Minderheiten.

Regionale Vernetzung, Wissenstransfer

Die Beratungen und Trainings, die von den Kompetenzzentren organisiert werden, zielen auf die derzeit drängendsten Fragen: Mit welchen Projekten kann ich staatliche und internationale Fördermittel erfolgreich beantragen? Wie lässt sich Mobile Reporting im Berufsalltag einsetzen? Welche Möglichkeiten bieten Soziale Medien und wie kann ich sie sinnvoll nutzen? Wie lassen sich Arbeitsabläufe im Redaktionsalltag optimieren? Womit erreiche ich sozial benachteiligte Zielgruppen und wie kann ich sie einbinden?

Serbien Deutschland Patrick Leusch auf einer Konferenz in Novi Sad

Konferenz am Centre of Excellence for Public Service Media, Dezember 2015

"Ein Schlüssel des Projekts ist, dass wir in den Kompetenzzentren die Eigentümer, Manager und Chefredakteure der Medien ins Boot holen", betont Klaus Dahmann. "Denn sie sind es, die die Nachhaltigkeit angestoßener Struktur- und Programmreformen sichern."

In diesem Jahr konzentrieren sich die Aktivitäten der DW Akademie auf das Kompetenzzentrum für öffentlich-rechtliche Medien in den Westbalkan-Staaten mit Sitz in Novi Sad. Gerade in der multilingualen, multiethnischen Vojvodina soll die regionale Vernetzung vorangetrieben werden. Als thematischen Schwerpunkt setzt das Kompetenzzentrum die Flüchtlingsproblematik, die alle Länder Südosteuropas gleichermaßen betrifft. Geplant ist die Entwicklung eines gemeinsamen Programmformats, in dessen Rahmen journalistische Beiträge aus der gesamten Region erscheinen.

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