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GesellschaftGlobal

Die Fakes des Jahres 2021

29. Dezember 2021

Falschinformationen zu Corona, irre Behauptungen zum Hochwasser oder ein Attentäter, der keiner ist - Fake News verunsicherten auch 2021 viele Menschen. Unsere Top Ten der krassesten Fakes - und was dahinter steckt.

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Belgien Brüssel | Proteste | Impfgegner
Viele Falschinformationen stammten 2021 von Impfgegnern Bild: Nicolas Landemard/Le Pictorium/dpa/picture alliance

Jeder dritte Deutsche erkennt Falschnachrichten nicht, hält sie für eine echte Information. Das ist das Ergebnis einer Online-Befragung von 4.000 Teilnehmern über 18 Jahren durch die Denkfabrik "Stiftung Neue Verantwortung". Fake News sind also auch in Demokratien mit hohen Bildungsstandards ein echtes Problem. Für diese Erkenntnis genügt eigentlich schon der tägliche Blick in die sozialen Netzwerke: Dort wimmelt es nur so von falschen Behauptungen, Gerüchten sowie bewusster Desinformation - die meisten davon inzwischen zur COVID-19-Pandemie und den Impfungen. Kein Wunder also, dass zwei Drittel der DW Faktencheck-Beiträge 2021 diesem Thema gewidmet waren. Hier unsere Auswahl von zehn der krassesten Fakes, die in diesem Jahr viral gingen. 

Nein, Corona-Impfungen machen Frauen nicht unfruchtbar

In zahlreichen Videos oder Meldungen wurde behauptet, dass sich die nach der Impfung gebildeten Antikörper nicht nur an das Spike-Protein des Coronavirus, sondern auch an ein ähnliches Protein namens Syncytin-1 heften können. Dieses Protein spielt eine Rolle beim Aufbau der Plazenta in der Gebärmutter. Werde dieses Protein durch die Immunantwort nach der Impfung gehemmt, führe dies zu Unfruchtbarkeit, so die Argumentation. Aber das ist falsch. 

Die DW stellte mithilfe von Udo Markert, Leiter des Plazentalabors am Universitätsklinikum Jena, in einem Faktencheck fest, dass die Ähnlichkeit der beiden Proteine viel zu gering ist, um die Unfruchtbarkeit als Folge der Impfung zu verursachen. Den Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und der Fruchtbarkeit haben auch die Wissenschaftler der British Fertility Society ausgeschlossen. 

Nein, die Impfstoffe haben die Delta-Variante nicht verursacht

Angesichts der Verbreitung neuer Varianten des Coronavirus wie Delta oder Omikron mehren sich die Behauptungen, dass solche Entwicklung von den durchgeführten Impfungen begünstigt wird. Das Faktencheck-Team hat sich mit der Entstehung der Virus-Varianten ausführlich auseinandergesetzt. Fazit: Die Viren mutieren ständigund die stärkere Variante, die beispielsweise infektiöser ist, setzt sich in der Regel durch. Dabei sind es nach Meinung führender Virologen nicht die Geimpften, die die neuen Varianten des Virus ausbrüten oder entstehen lassen, sondern die infizierten Ungeimpften mit geschwächter Immunabwehr in den Ländern mit der niedrigen Impfquote.

Nein, mRNA-Impfstoffe verändern die menschliche DNA nicht

Den neuartigen mRNA-Impfstoffen von Moderna und BioNTech/Pfizer wurde immer wieder von Internetnutzern oder selbsternannten Experten nachgesagt, sie würden die menschliche DNA verändern. Aber das ist falsch. Kurz gesagt: mRNA-Impfstoffe gelangen nicht in den Zellkern und nur dort könnten sie theoretisch die DNA verändern, wie auch unser Video-Faktencheck erklärt. 

Viele verwirrt die Ähnlichkeit der Worte DNA und RNA, und dass beides irgendwie Erbgut ist. Aber DNA und RNA haben unterschiedliche Funktionen: RNA ist für den Aufbau von Proteinen in den Zellen des menschlichen Körpers nach dem Plan von DNA zuständig, die sich im Zellkern befindet. Auch bei dem SARS-CoV-2-Virus besteht das Erbgut aus RNA. Die Impfung nutzt dies, um einen kleinen Schnipsel des Virus in unseren Körper zu bringen: den Teil der mRNA, der als Bauanleitung für das harmlose Spike-Protein dient. Dieses wird nach der Impfung in den Zellen zusammengebaut. So lernt der Körper, sich gegen den Eindringling zu wehren, indem er nun passende Antikörper bauen kann. Übrigens steht "mRNA" für "messenger RNA" und nicht für "modifiziert" wie es oft von den Impfgegnern behauptet wird.

Doch, BioNTech-Gründer Ugur Sahin ist geimpft

Ausgerechnet BioNTech-CEO Ugur Sahin, der Mitentwickler des ersten und weltweit erfolgreichsten Impfstoffes gegen das Coronavirus, soll sich "aus Sicherheitsgründen" weigern, sich selbst impfen zu lassen. Diese Behauptung wurde Anfang Dezember 2021 samt Video auf YouTube und in weiteren sozialen Netzwerken geteilt. Dabei wurde für den "Video-Beweis" ein rund ein Jahr altes DW-Interview mit Ugur Sahin verwendet. Tatsächlich sagte Sahin damals, dass er noch ungeimpft sei. Aber das war zum Zeitpunkt des Interviews (21. Dezember 2020) auch gar nicht anders möglich: Der damals 55-Jährige durfte gemäß der in Deutschland geltenden Impfpriorisierungzu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geimpft werden. Mittlerweile wurde Ugur Sahin nicht nur vollständig geimpft (im Januar 2021), sondern auch geboostert, stellte eine BioNTech-Sprecherin auf DW-Anfrage klar. Einige Tage nach der Veröffentlichung des DW-Faktenchecks postete Sahin ein Foto seiner Impfung mit entsprechender Erklärung.

Nein, es trieben keine 600 Babyleichen durch das deutsche Flutgebiet

Auch abseits der Pandemie gab es Fakes, die viral gingen. So wurde die tödliche Flut im Westen Deutschlands Mitte Juli 2021 wurde von einer Flut von Falschmeldungen begleitet. Eine der absurdesten Falschmeldungen kursierte dabei vor allem außerhalb von Deutschland: Im Hochwassergebiet seien angeblich 600 Baby- und Kinderleichen angespült worden. Ein Videoausschnitt aus dem Fernsehbericht des deutschen Senders n-tv sollte den Beweis liefern. Darin erwähnt der Reporter in einem Satz die traumatischen Erlebnisse der Bewohner im Katastrophengebiet, die in ihren Häusern angeblich angeschwemmten Kinderleichen gefunden haben. Von 600 Kinderleichen war im Clip aber nicht die Rede. Ein Leichenfund dieser Größe wurde nach Angaben der Polizei nie gemeldet, auch wenn einige Kinder tatsächlich zu Opfern der Flut wurden. Trotzdem teilten viele ergriffene Menschen die Falschmeldung immer weiter - obwohl sie längst durch Faktenchecks wie den der DW widerlegt war.

Die Fakes der Hochwasser-Katastrophe

Nein, dieses Mädchen starb nicht im Israel-Gaza-Konflikt

Mit den Emotionen der Menschen wurde auch im eskalierten Israel-Gaza-Konflikt im Mai 2021 gespielt. Das Faktencheck-Team der DW fand mehrere Fälle, in denen herzzerreißenden Kinderbilder genutzt wurden, um die andere Seite zu diskreditieren. Einige der Bilder waren zwar authentisch, stammten aber aus anderen Konflikten oder waren schon mehrere Jahre alt. Ein Fall war jedoch ganz anders: Dieses Mädchen (rechts im Bild) wurde laut Social-Media-Posts angeblich durch einen israelischen Luftschlag im Gazastreifen getötet. Die DW konnte anhand einer Bilder-Rückwärtssuche jedoch nachweisen, dass das Foto in Wirklichkeit eine damals 5-Jährige aus Russland zeigt, dessen Foto ihre Mutter vor ein paar Jahren auf Instagram gepostet hat (links im Bild). Das Mädchen lebt und hat laut Instagram kürzlich ein Geschwisterchen bekommen.

Kombibild Faktencheck Israel Gaza
Mehrere Twitter-Nutzer teilten das alte Instagram-Bild eines Mädchens aus Russland (links) mit der Behauptung, es sei im Gazastreifen getötet worden (rechts)

Nein, diese Kampfszenen sind nicht echt, sie stammen aus einem Computerspiel

Auch bei der Machtübernahme in Afghanistan durch die Taliban wurden Desinformation und Fakes veröffentlicht. Dabei entpuppte sich beispielweise ein angeblicher Abschuss eines pakistanischen Jets durch Widerstandskämpfer im Pandschir-Tal, das auf Twitter verbreitet wurde und die Beteiligung von Pakistan beweisen sollte, als falsch - tatsächlich handelt es sich um eine Videosequenz aus dem Computerspiel "Arma 3".

Faktencheck Afghanistan Falschmeldungen in sozialen Netzwerken ****ACHTUNG: DAS FAST IDENTISCHE BILD 59147730 NICHT VERWENDEN!
Das auf Twitter verbreitete Video der angeblich aktuellen Kämpfe in Afghanistan (links) wurde bereits in den Jahren davor auf Instagram (rechts) und in VKontakte geteilt Bild: Twitter/Instagram

Nein, "Rainer Winklarson" ist nicht der Attentäter von Kongsberg

Falschmeldungen können Betroffene verletzen und ihren Ruf erheblich schädigen. Das musste im Oktober einmal mehr der deutsche Youtuber Rainer Winkler erfahren. Nach dem Anschlag im norwegischen Kongsberg, bei dem ein Mann mit Pfeil und Bogen bewaffnet fünf Menschen tötete, postete jemand kurz nach der Tat auf Twitter den angeblichen Namen sowie Bilder des Attentäters: "Rainer Winklarson". Angeblich habe dieser schon Tage zuvor seine Schießkünste auf Youtube vorgeführt und die Taten angekündigt, behaupteten einige Twitter-Accounts und mehrere internationale Medien griffen diese Aussagen ungeprüft auf. Eine DW-Recherchezeichnet nach, wie Winkler zum Attentäter erklärt wurde und mit welchen Tricks dabei gearbeitet wurde. Winkler ist seit Jahren ein Opfer von Hass und Hetze im Netz und in der realen Welt. Bereits bei den Anschlägen 2016 in München und 2019 in Utrecht wurden ihm fälschlicherweise die Attentate angehängt - und Medien berichteten auch hier auf Basis von Falschnachrichten.

Nein, Annalena Baerbock wollte nie Haustiere verbieten

Gefälschte Wahlplakate, erfundene Zitate und falsche Behauptungen zur Briefwahl- wie erwartet wurde auch die Bundestagswahl Zielscheibe von Desinformationskampagnen und Fakes. Besonders stark betroffen: Bündnis 90/Die Grünen. Nach einer Untersuchung der NGO Avaaz war die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock - inzwischen deutsche Außenministerin - das mit Abstand häufigste Ziel von Desinformation. Auf sie zielten 72 Prozent aller Falschmeldungen zu den Kanzlerkandidierenden. Baerbock habe angeblich angekündigt, Haustiere zu verbieten, weil diese CO2 ausstoßen würden. Das hat sie jedoch nie gesagt und auch im Parteiprogramm der Grünen findet sich keinerlei Grundlage für solche Behauptungen.

Doch, der Klimawandel ist vom Menschen verursacht

Während viele junge Menschen auch 2021 für mehr Klimaschutz demonstrierten und die Welt bei der Weltklimakonferenz in Glasgow zumindest Teilerfolge errang, verbreiteten Skeptiker weiterhin das Narrativ, die globale Erwärmung sei nicht menschengemacht, sondern ein ganz normaler, natürlicher Prozess. Diese Annahme ist aber falsch: Die überwältigende Mehrheit der Wissenschaftler ist sich einig, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wird. Zwar hat die Erde in ihrer Geschichte immer wärmere und kältere Perioden erlebt, doch seit Beginn der Untersuchung der Temperaturveränderungen auf dem Planeten haben die Forscher festgestellt, dass ab den 1980er eine viel schnellere Erwärmung verzeichnet wird als zuvor. Der plötzliche starke Anstieg der Planetentemperatur im 20. Jahrhundert ist auf menschliche Emissionen von Treibhausgasen zurückzuführen, die durch Nutzung der fossilen Brennstoffe zur Energieerzeugung für die Industrie enorm gewachsen sind.