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Proteste bei der "State of the Union"

Daniel Scheschkewitz2. Februar 2006

Im Kongress Volkes waren wie immer nicht nur sämtliche Abgeordnete, sondern auch Honoratioren und geladene Gäste anwesend. Für Irak-Kriegsgegner jedoch war kein Platz.

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Es ist guter Brauch im amerikanischen Parlament, dass nicht nur der Präsident Gäste zu seiner feierlichen Ansprache einladen darf. Jeder Kongressabgeordnete hat dieses Recht und so lud die Abgeordnete Lynn Woolsey aus Kalifornien Cyndie Sheehan ein, eine inzwischen national bekannte Friedensaktivistin, die ihren Sohn im Irakkrieg verloren hat.

Sheehan kam ganz in schwarz und auf ihrem T-Shirt stand die nur für Unkundige ominöse Zahl 2245. Mit der Zusatzfrage : "Wie viele noch?"

Natürlich handelt es sich dabei um die aktuelle Zahl der amerikanischen Kriegstoten im Irak, ein Konflikt der den amerikanischen Steuerzahler bisher 500 Milliarden Dollar gekostet hat. Nun mag der Kongress zwar die gute Stube der amerikanischen Demokratie sein, Protestgebaren gleich welcher Art sind dort jedoch unerwünscht.

Die für den ordentlichen Ablauf zuständige Kapitol-Polizei forderte die prominente Kriegsgegnerin auf, ihr T-Shirt zu bedecken und als sie der Forderung nicht nachkam, wurde Sheehan kurzerhand verhaftet. Die Rede des Präsidenten, vor dessen Ranch in Texas die Friedensaktivistion in diesem Sommer ein Protest-Zeltlager veranstaltet hatte, musste Sheehan im Polizei-Gewahrsam am Bildschirm verfolgen.

Nach vier Stunden wurde sie wieder frei gelassen, zur Freude von ein paar Dutzend treuer Anhänger, die vor dem Polizeiquartier lautstark gegen ihre Festnahme protestiert hatten. Sheehan kam glimpflich davon, denn auf die Erregung öffentlichen Ärgers und ungesetzlichen Verhaltens steht in den USA eine Maximalstrafe von einem Jahr.

Dass Bush in seiner Rede abermals das hohe Lied der Demokratie sang, schien die Ordnungshüter nicht anzufechten. Protest ist Protest und der ist in den heiligen Kongresshallen nun mal nicht zugelassen.

Dabei soll niemand behaupten, die Bushregierung sei auf einem Auge blind. Denn auch die Ehefrau des republikanischen Kongressabgeordneten Bill Young, Beverley, wurde sogar noch während der "State of the Union"-Rede abgeführt. Ihr Verbrechen bestand darin, ein Hemd mit der Aufschrift "Support our Troops" - "Unterstützt unsere Soldaten" getragen zu haben. Da nützte es auch nichts, dass Frau Beverley den Militäreinsatz im Irak von der ersten Stunde an unterstütz hat, genau wie ihr Mann, der am Mittwoch (1.2.2006) sichtlich aufgebracht von dem Zwischenfall berichtete.

Aufkleber für und gegen den Krieg gehören in den USA zum alltäglichen Straßenbild. Aber im Kongress ein T-Shirt mit einer politischen Aufschrift tragen, das ginge dann wohl doch ein bisschen zu weit. Regime-Kritiker in einigen der Länder, denen Präsident Bush gerne noch die Demokratie bringen möchte, dürfte der Vorgang bekannt vorgekommen sein. Den Gegnern Amerikas liefert das engstirnige Verhalten der amerikanischen Behörden jedefalls wieder einigen Stoff für ihre Propaganda. Und für Cindy Sheehan brachte die Festnahme höchst-willkommene zusätzliche Publizität.

Den lautesten Applaus während der Bushrede zur Lage der Nation bekam in diesem Jahr übrigens nicht der Präsident selbst. Am stürmischsten bejubelt wurden die Familienangehörigen eines vor Kurzem gefallenen Iraksoldaten. Deren Haltung zum andauernden Kriegseinsatz hatte das Weiße Haus allerding im Vorfeld sorgfältig prüfen lassen.