In Europa herrscht Krieg. Russland greift die benachbarte Ukraine von mehreren Seiten an. Kanzler Scholz spricht von "Putins Krieg". US-Präsident Biden verlegt weitere Soldaten nach Europa. Die aktuellen Entwicklungen:
Hier die wichtigsten Informationen im Überblick:
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten haben ein umfangreiches Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht. Einer Mitteilung zufolge zielen die Strafmaßnahmen vor allem auf den Finanz-, Energie- und Technologiesektor ab. Auch Exportkontrollen sowie Sanktionen gegen Einzelpersonen wurden in einer Mitteilung des Rats genannt. Eine mögliche Abkopplung Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift ist Berichten zufolge vorerst nicht vorgesehen. Allerdings wurde auf dem Sondergipfel in Brüssel noch ein zusätzliches Sanktionspaket ins Auge gefasst, das neben Russland auch Belarus treffen soll.
EU-Ratspräsident Charles Michel (r.) mit Bundeskanzler Olaf Scholz beim Sondergipfel nach dem russischen Angriff auf die Ukraine
In ihrer gemeinsamen Erklärung fordern die EU-Staaten Russland auf, alle militärischen Aktionen einzustellen und sämtliche Einheiten ohne Vorbedingungen vom ukrainischen Staatsgebiet abzuziehen. Russlands militärische Aggression sei unprovoziert und ungerechtfertigt. Allein Russland sei verantwortlich für alle Zerstörungen und verlorene Leben und werde zur Rechenschaft gezogen.
Kurz vor dem Gipfel hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Russlands Wladimir Putin telefoniert. Der Kreml erklärte, es habe einen "ernsthaften und offenen Meinungsaustausch über die Lage in der Ukraine" gegeben. Macron ist der erste westliche Regierungschef, der seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine mit Putin gesprochen hat.
Laut Élyséepalast war die Initiative für das Telefonat von Macron ausgegangen und sei in Absprache mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erfolgt. Macron habe Putin aufgefordert, die russischen Militäraktionen unverzüglich einzustellen. Er habe klargemacht, dass Russland massive Sanktionen drohen.
US-Präsident Joe Biden sagte bei einer Ansprache im Weißen Haus in Washington, "Putin ist der Aggressor, Putin hat den Krieg gewählt". Nun müssten er und sein Land die Konsequenzen tragen. Diese Aggression könne nicht unbeantwortet bleiben. Amerika stehe für die Freiheit ein. Dies sei ein gefährlicher Moment für Europa und für die Freiheit auf der ganzen Welt. Doch die Freiheit werde sich am Ende durchsetzen.
Der Westen müsse Kremlchef Wladimir Putin klare Grenzen aufzeigen. "Das Einzige, wovon ich überzeugt bin, ist, dass er ermutigt sein wird, wenn wir ihn jetzt nicht aufhalten - wenn wir jetzt nicht mit diesen erheblichen Sanktionen gegen ihn vorgehen", sagte Biden. Als Teil der NATO-Reaktion auf den Angriff werden die USA laut Biden auch weitere Streitkräfte nach Deutschland verlegen. Die US-Soldaten gingen nicht nach Europa, um in der Ukraine zu kämpfen, sondern um die NATO-Verbündeten zu verteidigen und die Verbündeten im Osten zu beruhigen. Laut Pentagon werden insgesamt 7000 Soldaten nach Europa geschickt.
Der US-Präsident kündigte zudem weitere "harte Sanktionen" gegen Russlands Finanzbranche und den Technologiesektor an. Betroffen von den neuen Finanzsanktionen seien vier Kreditinstitute, die zusammen rund ein Drittel der russischen Vermögen hielten.
"Wir hören den Klang eines neuen Eisernen Vorhangs", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er bittet Europa einmal mehr um Unterstützung. "Wenn ihr, die europäischen Führer, heute der Ukraine nicht helft, wird der Krieg morgen an eure Tür klopfen."
Die russischen Truppen rückten langsam in der Region Tschernihiw vor, die an einer Hauptverbindungsstraße zwischen Kiew und Belarus liegt. Das ukrainische Militär habe Verluste erlitten, aber eine Menge russischer Flugzeuge und russischer gepanzerter Fahrzeuge sei zerstört worden.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte, die Armee halte Stand, brauche aber die Hilfe der Welt.
Ein westlicher Geheimdienstvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, Russland habe die "vollständige Lufthoheit" über die Ukraine erlangt. Die Ukraine habe "keine Luftwaffe mehr, um sich zu schützen". Er gehe davon aus, "dass die Russen in den kommenden Stunden versuchen werden, eine überwältigende Macht um die Hauptstadt zusammenzuziehen", sagte der Geheimdienstvertreter. Viel werde davon abhängen, welchen Widerstand die Ukrainer leisten könnten.
In der Nacht zum Donnerstag hatte Russlands Staatschef Wladimir Putin eine Militäroperation im ostukrainischen Donbass genehmigt. Er warf der NATO Kriegstreiberei vor und sprach von einem "Genozid" in der Ukraine. Seine Streitkräfte haben die Ukraine daraufhin von drei Seiten aus angegriffen. Russland habe nicht das Ziel, die Ukraine zu besetzen, sagte Putin. Die Verantwortung für ein Blutvergießen liege beim "Regime" in Kiew.
Zugleich warnte der Kremlchef den Westen, jeder Versuch einer Einmischung würde zu Konsequenzen führen, die "man noch nicht gesehen" habe. Diese Drohung einer Atommacht hat weltweit aufhorchen lassen.
Die russischen Luft- und Raketenangriffe treffen auch Privathäuser wie hier außerhalb der Hauptstadt Kiew
Die Staatsgrenze der Ukraine wurde sowohl aus Belarus als auch von Russland und der annektierten Halbinsel Krim aus angegriffen. Die russische Luftwaffe bombardierte Ziele im ganzen Land. Wenige Stunden nach Beginn der Offensive drangen russische Truppen nach Angaben der Ukraine bereits in die Hauptstadt-Region Kiew vor. Nach jüngsten Angaben des ukrainischen Gesundheitsministers Oleh Ljaschko wurden durch russische Angriffe am Donnerstag 57 Menschen getötet und 169 verletzt.
Die Ukraine hat im UN-Menschenrechtsrat eine Dringlichkeitsdebatte über die Lage in ihrem Land beantragt. Der Rat aus 47 Ländern tritt turnusmäßig am kommenden Montag in Genf für eine fünfwöchige Sitzung zusammen. Die Europäische Union hat bereits Unterstützung für eine solche Debatte signalisiert.
Die russische Armee will bei ihrem Großangriff auf die Ukraine zahlreiche militärische Ziele zerstört haben. 74 Einrichtungen der ukrainischen Militärinfrastruktur seien zerstört worden, darunter elf Militärflugplätze, heißt es aus dem russischen Verteidigungsministerium. Zudem seien ein ukrainischer Militärhubschrauber und vier Drohnen abgeschossen worden.
Das ukrainische Innenministerium berichtete, Kommandozentralen des Militärs in Kiew und der Millionenstadt Charkiw würden mit Raketen angegriffen. Korrespondenten berichten, in der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol sowie in Odessa am Schwarzen Meer seien russische Truppen gelandet. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sprach von einem "großangelegten Krieg" gegen sein Land.
Russische Soldaten hat das havarierte Atomkraftwerk von Tschernobyl erobert. Wie der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte, kontrolliert Russland die sogenannte Sperrzone und alle Anlagen der Atomruine. Das von einem Sarkophag gesicherte AKW ist ein gewaltiges Atommüll-Lager. Es sei unklar, in welchem Zustand die Anlage sei, sagte ein ukrainischer Präsidentenberater. "Dies stellt heute eine der ernsthaftesten Bedrohungen für Europa dar."
Etwa 50 Kilometer vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist ein ukrainisches Militärflugzeug abgestürzt. Es werde noch geprüft, "wie viele Menschen gestorben sind", teilten die Rettungsdienste mit.
Kurz zuvor hatte der ukrainische Grenzschutz ein Vordringen russischer Truppen in die Hauptstadtregion gemeldet. Die russischen Streitkräfte griffen demnach ukrainische Stellungen mit Raketen an. Auch ein Flugplatz in der Region soll unter Beschuss stehen.
Als Reaktion auf den russischen Einmarsch brach die Ukraine die diplomatischen Beziehungen mit dem Nachbarland Russland ab. Präsident Selenskyj rief die Russinnen und Russen auf, gegen den Krieg zu protestieren. Er appellierte zudem an die Menschen, korrekte Informationen zu verbreiten.
Selenskyj hatte sich Stunden vor dem Angriff noch vergeblich um ein Telefonat mit Putin bemüht. "Ich habe heute die Initiative für ein Telefongespräch mit dem Präsidenten der Russischen Föderation ergriffen. Das Ergebnis: Schweigen", sagte Selenskyj in einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Ansprache an die Nation.
Angesichts der Zuspitzung der Lage hatte die Ukraine bereits am Mittwoch den landesweiten Ausnahmezustand verhängt. Die Maßnahme gibt den Behörden unter anderem weitreichendere Überwachungs- und Kontrollbefugnisse an die Hand.
Stunden zuvor hatte das Militär die Mobilmachung von rund 250.000 Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren angeordnet. Die Ukraine verfügt über rund 200.000 Soldaten, hinzu kommen die Reservisten. Das russische Militär ist mit rund einer Million aktiven Soldaten weitaus größer und wurde in den vergangenen Jahren modernisiert und aufgerüstet.
Die russischen Behörden haben Demonstranten gegen den Einmarsch in die Ukraine mit Strafen gedroht. Wer an Kundgebungen zur "angespannten außenpolitischen Lage" teilnehme, werde strafrechtlich verfolgt, heißt es von Innenministerium und Staatsanwaltschaft. Folgerichtig wurden Anti-Kriegs-Demonstrationen am Abend in Moskau und St. Petersburg gewaltsam von Polizeikräften aufgelöst. Hunderte Menschen wurden festgenommen.
Die russische Oppositionsbewegung ist in den vergangenen zwei Jahren jedoch deutlich geschwächt worden. Die wichtigsten Anführer wurden inhaftiert oder ins Exil getrieben. Auch die Oppositionelle Marina Litwinowitsch sitzt in Polizeigewahrsam. "Ich bin auf dem Weg nach Hause festgenommen worden", schreibt sie auf Telegram. Zuvor hatte sie ihre Landsleute zum Protest gegen den Angriffskrieg aufgerufen. Diesem und ähnlichen Aufrufen sind Menschen in 44 russischen Städten gefolgt.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einem "brutalen kriegerischen Akt" in der Ukraine. "Dies ist eine vorsätzliche, kaltblütige und von langer Hand geplante Invasion", sagte er in Brüssel. "Wir haben jetzt einen Krieg in Europa in einem Ausmaß und einer Art, von der wir dachten, sie gehöre der Vergangenheit an." Mehr als 100 Kampfflugzeuge seien in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Die NATO werde zusätzliche Maßnahmen für eine stärkere Abschreckung ergreifen. "Wir müssen mit neuer Entschlossenheit und noch stärkerer Einheit reagieren", sagte Stoltenberg.
Die NATO hat bereits ihre Verteidigungspläne aktiviert. Damit kann im Notfall auch die Eingreiftruppe NATO Response Force (NRF) eingesetzt werden, um Mitgliedsländer zu schützen. Sie umfasst bis zu 40.000 Soldaten. Dennoch stellte Stoltenberg unmissverständlich klar, dass die NATO nicht mit eigenen Kräften die Ukraine unterstützen werde: "Wir haben keine NATO-Truppen in der Ukraine und wir haben auch keine Pläne, NATO-Truppen in die Ukraine zu entsenden."
Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einer Fernsehansprache den deutschen Beistand für alle NATO-Partner im Falle eines russischen Angriffs bekräftigt. Er sprach von einem furchtbaren Tag für die Ukraine und einem düsteren Tag für Europa. Man müsse dafür sorgen, dass der Konflikt nicht auf weitere Länder Europas übergreife. "Putin sollte die Entschlossenheit der NATO nicht unterschätzen, alle ihre Mitglieder zu verteidigen", betont Scholz. Das gelte sowohl für das Baltikum als auch für Polen, die Slowakei oder Rumänien.
"Putin wird nicht gewinnen", sagte der Kanzler. "Er allein und nicht das russische Volk hat sich für diesen Krieg entschieden. Er allein trägt dafür die Verantwortung. Dieser Krieg ist Putins Krieg." Deutschland und seine Verbündeten seien "entschlossen und handeln geschlossen. Darin liegt unsere Stärke als freie Demokratien", sagte Scholz.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte in Berlin, die Weltgemeinschaft werde "diesen Tag der Schande" nicht vergessen. Die Ukraine habe nichts getan, was diesen Angriff rechtfertige. Deutschland sei fassungslos, aber nicht hilflos, sagte Baerbock. Es folge nun ein Paket mit "massivsten Sanktionen".
"Dieser Krieg in unserer direkten Nachbarschaft wird auch für uns in Deutschland Folgen haben", sagte die Außenministerin. "Wir haben uns diese Situation nicht ausgesucht. Wir können, aber wir wollen ihr auch nicht aus dem Weg gehen." Deutsche Staatsangehörige in der Ukraine forderte sie erneut auf, das Land schnellstmöglichst zu verlassen. "Falls Sie das Land nicht auf einem sicheren Weg verlassen können, bleiben Sie vorläufig an einem geschützten Ort."
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich für einen höheren deutschen Verteidigungsetat ausgesprochen. Die Streitkräfte seien "seit vielen, vielen Jahren auf Verschleiß gemanagt" worden, sagte der FDP-Vorsitzende im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD. "Sinkende Verteidigungsausgaben, die passen nicht mehr in die Zeit." Schon vor dem heutigen Tag sei ihm klar gewesen, "dass die Mittel für die Bundeswehr verstärkt werden müssten".
Annegret Kramp-Karrenbauer, die bis zum vergangenen Dezember noch Verteidigungsministerin im Kabinett von Kanzlerin Merkel war, geht hart mit der deutschen Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre ins Gericht. "Ich bin so wütend auf uns, weil wir historisch versagt haben", schreibt die CDU-Politikerin auf Twitter. Nach den Konflikten in Georgien, auf der Krim und im Donbass sei nichts vorbereitet worden, was den russischen Präsidenten Wladimir Putin "wirklich abgeschreckt hätte".
Das Brandenburger Tor in der Bundeshauptstadt leuchtet erneut in den ukrainischen Nationalfarben. Berlin setzte damit den zweiten Abend hintereinander ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine - "aus gegebenem Anlass", wie die Senatskanzlei angekündigt hatte. Das Wahrzeichen soll bis Mitternacht in Blau und Gelb leuchten.
Erste Mahnwachen in Berlin gab es bereits wenige Stunden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine
Der Pariser Platz war am Abend voller Menschen. Laut Polizei versammelten sich rund 2500 Menschen vor dem Brandenburger Tor.
Der Europapolitiker und ehemalige Ko-Vorsitzende der deutschen Grünen, Reinhard Bütikofer, hat Sanktionen gegen Gerhard Schröder und andere Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin ins Gespräch gebracht. Die EU-Staats- und Regierungschefs sollten prüfen, ob Sanktionen "auch gegen ehemals führende europäische Politiker verhängt werden können, die heute als Lobbyisten Putins feindselige Politik" unterstützten, sagte Bütikofer in Brüssel.
Neben dem deutschen Altkanzler und ehemaligen SPD-Chef Schröder nannte Bütikofer auch den ehemaligen französischen Premierminister François Fillon" oder die frühere österreichische Außenministerin Karin Kneissl.
Weitere nationale und internationale Reaktionen finden Sie auf der folgenden Seite
Seiten 1 | 2 | vollständiger Artikel