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PolitikEuropa

EU und G7 antworten auf Russlands Vormarsch

22. Februar 2022

Die EU-Außenminister und die G7 demonstrieren Einigkeit und strafen Russlands Führung mit neuen Sanktionen. Die deutsche Außenministerin forderte als G7-Vorsitzende Moskau zum Abzug seiner Truppen auf.

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Josep Borrell | Indo-Pacific Ministerial Cooperation Forum
Borrell: Wir werden Russland mit Sanktionen weh tunBild: Christophe Archambault/AFP/Getty Images

Erste Sanktionen gegen Russland

Die 27 Außenministerinnen und -minister der Europäischen Union haben in einer Sondersitzung einstimmig beschlossen, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Die Sitzung fand in Paris statt, da die Minister dort ursprünglich wegen eines Treffens mit ihren Kollegen aus dem Indo-Pazifischen Raum versammelt waren. Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, verurteilte noch einmal auf das Schärfste das Vorgehen Russlands in der Ostukraine als eklatante Verletzung des Völkerrechts und sprach von einer "extrem gefährlichen Lage." Die Ministerrunde billigte Sanktionen, die "Russland weh tun sollen und sehr weh tun werden", sagte Borrell am Abend in Paris. 

27 einzelne Personen, Institutionen und Banken sollen von den Sanktionen getroffen werden, so Borrell. Sie gehörten zur russischen Staatsführung und zum Militärwesen. Es handele sich um Banken, die die Aggression von Präsident Putin finanziert hätten. Der Zugang des russischen Staates zu internationalen Anleihemärkten und finanziellen Dienstleistungen soll unterbrochen werden.

Die EU wird 351 Mitglieder des russischen Parlaments Duma in ihre Sanktionslisten aufnehmen, die für eine Anerkennung der Separatisten-Republiken im Osten der Ukraine gestimmt haben. Das Vermögen dieser Personen wird eingefroren. Jede Einreise in die EU wird verwehrt. 

Die Ministerrunde kann aber keine rechtlich bindende Entscheidung treffen. Dies wird erst ein weiterer Ministerrat in Brüssel in dieser Woche vollziehen können. Wirkung entfalten die Sanktionen erst, wenn sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden.

Frankreich | Sondertreffen von EU Außenminister
Baerbock (re.) leitet Sondersitzung: G7 verurteilt Russlands Militäroperation in der UkraineBild: Michel Euler/Pool)/AP/picture alliance/imago images

Erste Runde von Sanktionen

Die EU will zunächst eine erste Runde von Sanktionen in Kraft setzen. Eine zweite Runde mit harten Maßnahmen gegenüber der gesamten russischen Wirtschaft und einiger russischer Oligarchen ist wohl erst vorgesehen, falls Präsident Putin seine Truppen die sogenannte Kontaktlinie zwischen den Separatistengebieten und der restlichen Ukraine überschreiten lässt. Das würde von der EU als Invasion der Ukraine gewertet, so der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, in Paris. "Wir haben noch mehr Munition zur Verfügung", sagte Borrell. Es sei unklar, was Putin noch im Schilde führe, was im Rest des Donbass-Gebietes im Osten der Ukraine weiter geschehen solle. Russland hatte erklärt, sein Schutzversprechen gelte nicht nur für die Separatistengebiete, sondern auch für Gebiete, die derzeit von der ukrainischen Armee kontrolliert werden. 

"Diese Geschichte ist noch nicht zu Ende", sagte Borrell mit drohendem Unterton. Man müsse auch genau beobachten, wie sich die Führung in Belarus verhalte, wo ebenfalls Tausende russischer Truppen stünden. Auch hier könnten neue Sanktionen nötig sein, deutete der EU-Spitzenfunktionär an. "Wir müssen unsere Unterstützung für die Ukraine verdoppeln. Wir müssen die Verteidigung des Baltikums überdenken. Wir müssen stark und einig bleiben", sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte die Drohungen mit neuen Sanktionen, nahm sie aber ansonsten im russischen Staatsfernsehen gelassen: "Sie drohen immer mit allen möglichen Sanktionen. (...) Wir haben uns daran gewöhnt."

G7 unterstützen Sanktionen

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat als Vorsitzende der G7 eine Telefonkonferenz der Außenministerinnen und Außenminister der Gruppe der wichtigsten westlichen Industriestaaten einberufen. In Paris sagte sie, man müsse gemeinsam ein "Stoppschild" errichten, um Putin Einhalt zu gebieten und "eine weitere Eskalation zu verhindern. Baerbock erklärte, die von der EU beschlossenen Sanktionen könnten jederzeit ausgeweitet werden. Neben den EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien gehören Großbritannien, die USA, Kanada und Japan zur G7.

Russland Anlandestation für Nord Stream 2
Plötzliches Ende: Durch diese Anlandestation der Pipeline Nordstream 2 wird kein Gas fließenBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Nord Stream 2 auf Eis

Bundeskanzler Olaf Scholz überraschte in Berlin mit der Ankündigung, dass die Genehmigungsverfahren für die umstrittene russisch-deutsche Gaspipeline Nord Stream 2 in der Ostsee ausgesetzt werden. Die Pipeline ist noch nicht in Betrieb. Ein Stopp der Genehmigung hat also keine direkten Folgen für russische Gaslieferungen. Rund 40 Prozent des Bedarfs an Gas deckt die EU mit Importen aus Russland. In Brüssel stieß der vorwiegend symbolische Akt aus Berlin auf positive Reaktionen. Die Europäische Kommission, etliche Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament hatten Nord Stream 2 schon lange als "geostrategisches Projekt" Russlands gebrandmarkt. Mit Nord Stream 2 würden die Ukraine und Polen als Transitländer für Gaslieferungen aus Russland überflüssig, lautete ein hauptsächlicher Kritikpunkt. 

Abstimmung mit Alliierten

Die Europäische Union, Großbritannien und die USA wollten ihre Sanktionen eng miteinander abstimmen, um maximale Wirkung zu erzielen. So sollen russische Oligarchen gleichzeitig in Zypern, in der City of London und in amerikanischen Steueroasen von empfindlichen Einschränkungen getroffen werden.

Der Sprecher der EU-Kommission Eric Mamer erklärte in Brüssel, Russland habe den Weg der Eskalation gewählt. "Wir müssen jetzt sicherstellen, Russland zu stoppen. Wir müssen weiter einen diplomatischen Pfad finden, aber erst einmal müssen wir reagieren."

Belgien Brüssel | Pressekonferenz: Jens Stoltenberg
NATO-Generalsekretär Stoltenberg: Es ist nie zu spät, nicht anzugreifenBild: Olivier Matthys/AP/picture alliance

NATO befürchtet Eskalation

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf der russischen Führung vor, an der Demarkationslinie zwischen den Separatistengebieten und dem westlichen Teil der Ukraine nicht Halt machen zu wollen. "Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Russland weiter einen vollständigen Angriff auf die Ukraine plant", sagte Stoltenberg in Brüssel nach einer Sitzung des NATO-Rates. Russland hat nach Erkenntnissen der NATO rund 150.000 Soldaten an den Grenzen zur Ukraine zusammengezogen. Stoltenberg forderte den russischen Präsidenten auf, die Lage zu entspannen. "Es ist nie zu spät, nicht anzugreifen", appellierte der NATO-Chefdiplomat in Brüssel. 

Das Militärbündnis NATO verabschiedet keine eigenen wirtschaftlichen Sanktionen. Die militärische Führung der NATO hatte die Reaktionszeiten für die "schnelle Eingreiftruppe" von 45.000 Männern und Frauen von den regulären 30 Tagen auf wenige Tage gesenkt. Die USA verlegen rund 4700 Soldaten nach Polen und 1000 nach Rumänien. Diese sind aber nicht der NATO unterstellt. Die Bundeswehr verstärkt eine von der NATO befehligte "Battlegroup" in Litauen um 350 Soldaten. Ein direktes militärisches Eingreifen hat die NATO ausgeschlossen, da die Ukraine nicht zum Bündnisgebiet gehört. "Erhöhte Wachsamkeit ist das, was wir bieten können", sagte ein NATO-Diplomat. Einzelne Mitgliedstaaten liefern Waffen und Ausrüstung in die Ukraine.

Infografik Timeline der Ukraine-Krise DE

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union