1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wenders blickt zurück

20. Mai 2009

Er ist der letzte deutsche Gewinner der Goldenen Palme in Cannes. Im Interview verrät der Regisseur, warum er europäische Filme so mag und warum er immer unterwegs sein muss.

https://p.dw.com/p/Hr2G
Regisseur Wim Wenders gestikuliert bei der Berlinale 2002. (AP Photo/Jan Bauer)
Die Welt im Rahmen betrachten

Wim Wenders ist ein Bildermensch. Zwar ist der 1945 in Düsseldorf geborene Künstler vor allem als Filmregisseur bekannt, er hat aber auch als Fotograf beträchtliche Talente. Die Welt in Bildern sehen - Wim Wenders macht das am liebsten auf Reisen. Lange Jahre verbrachte er in den USA, lebte und arbeitete dort, drehte zahlreiche Filme. Sein heute wohl noch bekanntester ist "Paris, Texas", für den er 1984 bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme gewann, als bisher letzter deutscher Filmemacher.

Paris, Texas-Darsteller Harry Dean Stanton mit rotem Basball-Kappie
Mann ohne Vergangenheit: Travis in "Paris, Texas"Bild: picture alliance / kpa

Und obwohl Wenders in den USA mehr Filme gemacht hat als in Deutschland, sieht sich der Regisseur heute in erster Linie als ein Filmemacher in der europäischen Tradition. Im DW-Interview spricht er über seine Anfänge als Künstler, über seinen Hang zum Road-Movie, seine Wurzeln im amerikanischen und japanischen Kino und seine Liebe zum europäischen Film. Und verrät noch, wer seine "filmische Vaterfigur" ist.

Vom Bildermacher ...

DW-WORLD.DE: Wim Wenders, was hat Sie zu Beginn Ihrer Karriere eigentlich am meisten interessiert? Das Bild, der Text oder die Musik?

Wim Wenders: Ich war ein reiner Bildermacher. Ich wollte eigentlich ursprünglich Maler werden. Ich habe meine ersten Kurzfilme sozusagen als Fortsetzung der Malerei mit anderen Mitteln gesehen. Gleichzeitig, von einer ganz anderen Ecke her, habe ich als Filmkritiker gearbeitet und über Filme geschrieben. Und dass ich selber einer werden würde, der weder als Maler noch als Kritiker arbeiten würde, sondern irgendwo in der Mitte, als Filmregisseur, das habe ich mir auch nicht träumen lassen.

Wim Wenders sitzend mit Kamera vor Fotografenmeute bei den Filmfestspielen in Venedig 08 (AP Photo/Andrew Medichini)
Stets auf der Suche nach dem guten BildBild: AP

... zum Erzähler

Das ist dann erst allmählich gekommen. Dass Geschichten rein gekommen sind in dem Moment, wo man zwei Bilder zusammenschneidet, da passiert ja schon der erste Schritt zum Geschichten erzählen. Wenn man noch mehr zusammenschneidet, dann kommt auf einmal auch eine Figur rein, dann sagt jemand auch mal was, und auf einmal ist man im narrativen Kino ohne es wirklich so richtig gemerkt zu haben. Und dann ist es eine tolle Welt, die sich da auftut, wenn man merkt: "Aha, ich mache keine Malerei mehr, sondern ich bin ja jetzt plötzlich im Kino gelandet." Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich mich da zu Recht gefunden habe. Und ich bin dann im Laufe der Jahre immer mehr zu einem Erzähler geworden und immer weniger zu einem Bildermacher.

Am liebsten on the road

"Im Lauf der Jahre" - das lässt natürlich an ihren Film "Im Lauf der Zeit" erinnern. Das ist d a s Road-Movie des neuen deutschen Films gewesen. Da taucht ein Moment auf, der für Sie ganz typisch ist. Die Bewegung, das Reisen, was heißt das für Sie?

Ich habe das um die Zeit herum entdeckt mit dem Film "Alice in den Städten" und dann vor allem mit dem Film "Im Lauf der Zeit", dass man diesen Beruf des Filmregisseurs auch unterwegs ausüben konnte und dass es eine Art Film gab, wo man kontinuierlich und chronologisch erzählen durfte - und das war das Road-Movie. Wo also die Landkarte das Drehbuch war oder besser gesagt: die Route das Drehbuch war, und wo man viel erleben konnte als Filmemacher, aber auch später im Kino.

Darstellerin Michelle Williams als Lana in "Land of Plenty, junge Frau tanzt auf Dach" (Foto: Donata Wenders)
US-Film von Wenders: "Land of Plenty"Bild: Donata Wenders

Inspirationsquelle Musik

Das habe ich dann sozusagen als mein Medium empfunden. Dieses Road-Movie, dieses "Unterwegs sein". Ich bin von Kind auf immer vor allem ein Reisender gewesen. Inzwischen habe ich das als Hauptberuf, möchte ich fast sagen. Ich bin nach wie vor der Reisende und dann erst Regisseur oder Fotograf. Und dass das zusammen geht, und dass man das in einem machen kann, und dass dann auch gerade unterwegs die Musik mit ins Spiel kommt, und dass ein Road-Movie ohne Musik praktisch undenkbar ist. Dass man zu dieser Reise auch den Soundtrack braucht… Da habe ich dann mein eigenes Wasser gefunden, in dem ich mich wie ein Fisch wohl gefühlt habe.

Und einmal sind Sie dann auch über das große Wasser gegangen, Ende der 70er Jahre, da sind Sie nach Amerika gegangen und haben unter anderem „Hammett“ gedreht. Sie haben dort zwiespältige Erfahrungen gemacht. Sie sind aber immer wieder nach Amerika zurück gekehrt, haben dort auch gewohnt. Was heißt es für Sie heute, in Amerika Filme gemacht zu haben?

Ja, ich habe mehr Filme da gemacht als irgendwo sonst, glaube ich. Ich habe insgesamt 15 bis 16 Jahre in Amerika gelebt. Es war so eine Art neue Heimat, Wahlheimat für mich, obwohl ich gerade in dieser Wahlheimat mich dann als Deutscher wirklich wieder entdeckt oder überhaupt entdeckt habe. Und ich habe gemerkt bei dem Versuch amerikanische Filme zu machen, dass ich "Das" nicht war. Dass ich kein amerikanischer Regisseur war und nie einer werden würde. Auch nie amerikanische Filme machen könnte, sondern, dass ich im Herzen ein Deutscher war, im Beruf: "europäischer Filmemacher". Damit bin ich erst in der Fremde, in Amerika, klar gekommen und habe das dann akzeptiert.

Europäische Filmwurzeln

Inwiefern haben da die europäischen Wurzeln mit gespielt? Also ich meine jetzt auch die europäischen Filmwurzeln, die großen Regisseure des europäischen Kinos.

Ja klar, ich bin aufgewachsen mit dem amerikanischen Kino. So wie jeder Junge in Deutschland, hier zumindest im Westen. So wie die im Osten natürlich viele russische Filme gesehen haben, bin ich hier mit Western aufgewachsen, mit amerikanischen Filmen. Und habe meine europäische Filmerziehung, also den Antonioni, den Bergman und Bunuel und Fellini und so, damals nicht so geschätzt wie, als ich dann in Amerika war und gemerkt habe, dass meine Welt wirklich mehr das europäische Kino war und das meine wirklichen Wurzeln eben nicht im amerikanischen Kino lagen.

Das komplette Interview mit Wim Wenders gibt es unten per Mausklick. Dann erfahren Sie unter anderem auch, wen er als seinen "filmischen Vater" empfindet...

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Marlis Schaum