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Politik

So können die "Midterms" die USA verändern

6. November 2018

Die Demokraten hoffen auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus, theoretisch wäre sogar eine Mehrheit im Senat möglich. Egal wie sie ausgehen, die Wahlen haben weitreichende Folgen - sogar über Trumps Amtszeit hinaus.

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USA Kapitol in Washington
Im Kapitol in Washington, D.C. sind Repräsentantenhaus und Senat (rechts im Bild) untergebrachtBild: picture-alliance/AP Photo/J. S. Applewhite

85 Prozent - so wahrscheinlich sei ein Wahlsieg der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton über Donald Trump, verkündete die"New York Times" noch am Wahltag vor zwei Jahren. Damals hieß es: "Eine Niederlage von Frau Clinton ist in etwa so wahrscheinlich, wie ein 37-Yard-Strafstoß, bei dem ein NFL-Spieler [National Football League, Anm. d. Red.] das Tor verpasst." Am selben Abend stellte sich heraus, dass selbst der beste Footballspieler mal daneben kickt. Der 15-Prozent-Fall war eingetreten und Donald Trump sollte ins Weiße Haus einziehen.

Zwei Jahre später, vor den Zwischenwahlen am 6. November 2018, steht es in den Prognosen von Meinungsforschern wieder 85 zu 15. Das US-Portal "FiveThirtyEight" prognostiziert, dass die Republikaner mit 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit ihre Mehrheit im Senat behalten dürften.

Donald Trump dürfte daher selbst am besten wissen, dass er sich auf alles gefasst machen muss.

USA Wahlen | Donald Trump, Präsident in Huntington
Präsident Donald Trump wirbt massiv für Stimmen an die RepublikanerBild: picture-alliance/AP Photo/Sholten Singer/The Herald-Dispatch

Worüber wird in den Midterms abgestimmt?

Bei den Zwischenwahlen werden Teile des Kongresses neu besetzt, also der aus zwei Kammern (Repräsentantenhaus und Senat) bestehenden Legislative in den Vereinigten Staaten. Sie heißen auch "Midterm Elections", weil sie in der Halbzeit zwischen den Wahlterminen stehen, an denen neben Teilen des Kongresses auch ein neuer Präsident gewählt wird. Das macht sie außenpolitisch weniger bedeutsam - aber zu einem wichtigen Halbzeit-Stimmungsbild für den Präsidenten. An der neuen Sitzverteilung im Kongress bemisst sich auch, wie stark der Rücken- oder Gegenwind für Trumps weitere Agenda werden wird.

In 36 Bundesstaaten dürfen Bürger zusätzlich zum Kongress auch noch einen neuen Gouverneur wählen. Auf regionaler Ebene gibt es zahlreiche weitere Wahlen. In vielen Staaten werden zeitgleich auch Volksentscheide abgehalten. In Kalifornien beispielsweise stehen elf Vorschläge zur Abstimmung, darunter die Rückkehr zu einer günstigeren Benzinsteuer.

Infografik Prognose Sitzverteilung Midterms 2018 DE

Kahlschlag im Repräsentantenhaus

In der ersten Kammer, dem Repräsentantenhaus, werden, wie alle zwei Jahre, alle 435 Sitze neu vergeben. Die Abgeordneten werden auf der Ebene der Bundesstaaten gewählt; die Anzahl der Abgeordneten pro Staat bemisst sich an der Einwohnerzahl. Aktuell halten die Republikaner mit 235 Sitzen eine Mehrheit, das entspricht einem Vorsprung von 17 Mandaten. Hier haben die Demokraten durchaus gute Chancen, die Macht zurückzugewinnen: Von den 30 Sitzen, die als besonders umkämpft gelten, müssen sie nur einen verteidigen. Sie können sich also überwiegend darauf konzentrieren, den Republikanern die übrigen 29 der besonders umkämpften Mandate abzujagen.

Neue Gesetze müssen immer beide Kammern passieren. Die Macht des Repräsentantenhauses liegt vor allem in Steuer- und Haushaltsgesetzen: Die Abgeordneten besitzen das alleinige Initiativrecht. Außerdem dürfen nur sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, wenn sich dafür im Repräsentantenhaus eine Mehrheit findet.

Vertrackte Lage im Senat

In der zweiten Kammer, dem Senat, werden in diesem Jahr 35 der 100 Sitze neu vergeben. Senatoren werden auf sechs Jahre neu gewählt. Sie sind in drei Klassen eingeteilt, so dass alle zwei Jahre ein Drittel der Senatoren zur Wahl steht. Zusätzlich zu den 33 Senatoren, deren Amtszeit regulär endet, müssen sich in diesem Jahr in Mississippi und Minnesota je eine weitere Kandidatin den Wählern stellen, die nachgerückt sind und bis zum Ende ihrer Wahlperiode nun auch demokratisch gebilligt werden sollen. Im Senat halten die Republikaner mit 51 Sitzen eine dünne Mehrheit. Einen Abweichler in den eigenen Reihen können sie trotzdem verkraften, weil in einer Pattsituation der Vizepräsident die entscheidende Stimme besitzt.

Infografik US-Midterms die Lage vor der Wahl DE

Die Ausgangslage für die Demokraten ist in diesen Midterms beim Senat schlechter als im Repräsentantenhaus, weil sie von den zur Wahl stehenden 35 Sitzen 26 kontrollieren. Zwei werden von unabhängigen Senatoren besetzt, die gemeinsam mit den Demokraten abstimmen. Spannend wird es zum Beispiel in Missouri, wo die demokratische Amtsinhaberin Claire McCaskill nur mit einem hauchdünnen Vorsprung gegen den Republikaner Josh Hawley ins Rennen geht. In North Dakota braucht die bisherige demokratische Senatorin Heidi Heitkamp viel Glück, wenn sie sich gegen den Republikaner Kevin Cramer, der bisher für den Bundesstaat im Repräsentantenhaus saß, behaupten will: Seitdem sie gegen die Berufung des Richters Brett Kavanaugh zum Obersten Gerichtshof votierte, vergrößert sich Cramers Vorsprung in den Umfragen.

Zehn der Sitze, die aktuell von den Demokraten gehalten werden, sind in Bundesstaaten wie North Dakota, die 2016 mehrheitlich für Trump votiert haben. Die Republikaner haben gute Chancen, diese Sitze zurückzugewinnen und ihre neun, die diesmal zur Wahl stehen, zu verteidigen. Auch deshalb rechnen die Meinungsforscher von FiveThirtyEight zu 85 Prozent damit, dass der Senat auch nach der Wahl republikanisch bleibt.

Der Senat ist die wichtigere Kammer für die Kontrolle des Präsidenten: Er muss wichtige Personalentscheidungen des Präsidenten - wie jüngst die Berufung von Brett Kavanaugh an den Obersten Gerichtshof - und internationale Verträge bestätigen.

USA Senat bestätigt umstrittenen Richterkandidaten Kavanaugh | Protest
Bis zu seiner Vereidigung vor vier Wochen gab es Proteste gegen Richter Brett Kavanaugh - das Thema hatte das Land im Wahlkampf weiter gespaltenBild: Reuters/C. Barria

Was ändert sich mit der Kongresswahl für Trump?

Präsident Trump hat ein beachtliches Pensum an Wahlkampfveranstaltungen absolviert, weil für ihn viel auf dem Spiel steht. Wenn sich seine Bemühungen auszahlen und die Republikaner beide Kammern des Kongresses behalten, darf er das auch als Bestätigung seiner nationalistischen Politik sehen. "Promises made, promises kept" ist einer seiner Wahlkampfsprüche - "Versprechen gegeben, Versprechen gehalten". Sehr schnell nach der Wahl dürfte er mit dem Bau der Mauer an der US-Grenze zu Mexiko beginnen. Diesen besonders strittigen Punkt hatte der Kongress aus dem laufenden Haushaltsplan ausgeklammert - wenn beide Kammern republikanisch bleiben, dürften die Demokraten es schwer haben, das teure Bauprojekt noch zu verhindern.

Wenn die Demokraten das Repräsentantenhaus gewinnen, könnten sie vor allem mit ihren Untersuchungsbefugnissen in Ausschüssen Trump das Leben schwer machen. Wenn sie zusätzlich auch den Senat gewinnen, könnten sie ihn auch außenpolitisch zu Zugeständnissen zwingen.

Dann müsste Trump gegen einen demokratischen Kongress regieren. Ihm bliebe allerdings noch das Vetorecht, das der Kongress nur mit Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Häusern überstimmen kann.

USA Präsidentschaftswahlen 2016 Wähler
In den meisten Bundesstaaten dürfen Wähler, wie hier in Virginia, schon vorzeitig ihre Stimme abgebenBild: picture-alliance/AP Images/L. Goumas

Für beide Parteien ist auch wichtig, dass der nächste Kongress auch mit dem für 2020 anstehenden Zensus befasst sein wird. Alle zehn Jahre werden anhand aktualisierter Bevölkerungsdaten die Grenzen der Wahlkreise neu gezogen. Beim sogenannten "Gerrymandering" zieht die regierende Partei dabei häufig die Grenzen zwischen den Wählern so, dass sich wegen des Mehrheitswahlrecht Vorteile für sie ergeben. Der günstige Zuschnitt der Wahlkreise hatte den Republikanern zum Beispiel 2012 die Mehrheit im Repräsentantenhaus verschafft, obwohl sie fast 1,5 Millionen Stimmen weniger hatten als die Demokraten.

Es geht also um einiges - entscheidend wird sein, welche Partei ihren Anhängern besser vermittelt, dass sie zur Wahl gehen sollen. Beobachter gehen von einer hohen Wahlbeteiligung aus: Die Zahl der "early votes", also frühzeitiger Stimmabgaben, stieg gegenüber den Midterms 2014 merklich an.