Selenskyj: "Keine Erpressung" durch Trump
10. Oktober 2019Der Staatschef der Ukraine hat bekräftigt, Trump habe ihn bei einem Telefonat im Juli nicht unter Druck gesetzt. "Es gab keine Erpressung. Das war kein Teil des Gesprächs", sagte Wolodymyr Selenskyj nach Angaben der Agentur Interfax in Kiew. In dem Gespräch hatte Trump Selenskyj zu Ermittlungen ermuntert, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Trump sah sich durch die Äußerung von Selenskyj bestätigt. Mit den kräftigsten Worten habe sein Kollege erneut erklärt, dass er "keinen Druck ausgeübt und absolut nichts falsch gemacht" habe, twitterte Trump und fügte hinzu: "Das sollte diesen demokratischen Betrug beenden."
Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus werfen Trump vor, die Macht seines Amtes missbraucht zu haben, damit sich eine ausländische Regierung zu seinen Gunsten in den Wahlkampf einmischt. Sie führen deshalb Untersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen den republikanischen Präsidenten. Selenskyj sagte: "Ich werde mich in keiner Weise in die Wahlen und den Wahlkampf in einem unabhängigen Land, den USA, einmischen." Trump bescheinigt dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Biden Fehlverhalten. Er wirft Biden vor, dass er als Vize-Präsident seinen Sohn Hunter vor der ukrainischen Justiz schützen wollte. Hunter Biden war bei einem Gaskonzern in der Ukraine beschäftigt, gegen den zeitweise wegen angeblich krummer Geschäfte ermittelt wurde.
Zu wenig Hilfe seitens Europa
Selenskyj äußerte sich außerdem auf einer Pressekonferenz zu einer umstrittenen Aussage in Bezug auf die Europäische Union. Er habe nur seine Meinung geäußert, sagte Selenskyj auf DW-Nachfrage. "Ich wollte niemanden beleidigen. Ich habe nur das gesagt, was ich denke. Ich mache das immer so", sagte der ukrainische Präsident. Auf die Frage einer Reporterin der Deutschen Welle, wie er sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron für seine Vorwürfe entschuldigen möchte, sagte Selenskyj, in seinem Telefonat mit Merkel am Mittwoch sei das Thema gar nicht aufgekommen. "Wir haben ein sehr gutes Verhältnis", sagte der ukrainische Präsident über die Bundeskanzlerin. Merkel wisse über die Hintergründe seiner kritischen Äußerungen Bescheid, nämlich die Rückkehr Russlands in die Parlamentarische Versammlung des Europarats und den Bau der Ostseepipeline Nord Stream-2.
Wie aus einem vom Weißen Haus veröffentlichten Text des Telefonates zwischen Trump und Selenskyj Ende Juli hervorgeht, hatte der ukrainische Präsident die Hilfe Europas für die Ukraine als unzureichend kritisiert. Er erwähnte insbesondere Bundeskanzlerin Merkel und den französischen Präsidenten Macron. CDU-Politiker, aber auch EU-Vertreter hatten die Kritik sowohl Selenskyjs als auch Trumps zurückgewiesen.
Die Bundesregierung teilte mit, dass im Mittelpunkt des Gesprächs vom Mittwoch zwischen Merkel und Selenskyj die Vorbereitungen für ein mögliches Gipfeltreffen im sogenannten Normandieformat gestanden hätten - also mit Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland. Man sei sich einig gewesen, dass die Voraussetzungen für ein solches Treffen erfüllt seien, nachdem es am 1. Oktober eine Einigung auf einen Sonderstatus für die Gebiete im Donbass sowie eine weitere Truppenentflechtung an der Kontaktlinie gegeben habe.
lh/uh (dpa, DW)