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Schnelles Internet: Für wen und ab wann?

11. Oktober 2018

Den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025 versprechen Union und SPD im Koalitionsvertrag. In der deutschen Wirtschaft machen sich Zweifel breit. Wie soll das zu schaffen sein? Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Symolbild Internet der Dinge 4. Vierte industrielle Revolution
Bild: Fotolia

Rüdersdorf ist eine kleine Gemeinde in Brandenburg, südöstlich von Berlin. Hier hat die Kanalreinigungsfirma Mayer ihren Sitz. Das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern beschäftigt sich "mit allem zwischen Küchenspüle und Klärwerk", wie Geschäftsführer Carsten Christ formuliert. Das Handwerk ist aber nur noch ein Teil des Geschäfts. "Wir müssen uns immer mehr dem Thema Datenverarbeitung widmen, um das Unternehmen zukunftsfähig zu halten", so Christ.

Von der Videoüberwachung der Kanalanlagen über die Simulation von Starkregen bis hin zur Geodaten-Analyse, alles das gehört bei Mayer zum Angebot. Auf den Servern der Firma liegen 47 Terrabyte Daten, die man den Kunden gerne zum Abruf bereitstellen würde. Doch dafür braucht man einen schnellen Internetanschluss. "Wir leben im Moment mit 30 Megabit Download und 10 Megabit Upload", berichtet Christ. Das Gewerbegebiet in Rüdersdorf gelte damit offiziell als digital erschlossen. Aber "damit geht eigentlich gar nichts", klagt der Unternehmer.

Im Schneckentempo in die Zukunft

So wie den Kanalreinigern aus Brandenburg, aber oft auch deutlich schlechter geht es in Deutschland vielen Firmen, die in ländlichen Gebieten zuhause sind. Laut Breitband-Atlas der Bundesregierung surft auf dem Land jeder Zweite mit weniger als 50 Megabit pro Sekunde. Gewerbetreibende blicken einigermaßen ratlos in eine digitale  Zukunft, die absehbar auch ihre Geschäftsbereiche revolutionieren wird. Wer mithalten will, muss sich jetzt darauf vorbereiten. "Für uns stellt sich die Standortfrage, und die wird über die Netzgeschwindigkeit beantwortet werden", kündigt der Brandenburger Christ an.

Es scheint, als rächten sich nun die politischen Versäumnisse der vergangenen Jahre. Versprechen zum flächendeckenden Ausbau wurden nicht eingehalten, es wurde zu spät und zu knapp gefördert. Laut der Industrieländer-Organisation OECD gehört Deutschland beim schnellen Internet international zu den Schlusslichtern. Blamabel für die Bundesregierung, die Besserung gelobt. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD verpflichtet, den Ausbau der Gigabit-Netze in ganz Deutschland bis 2025 sicherzustellen.

Infografik Internet Breitbandverbindung
Schnelle Kabelverbindungen sind in Deutschland selten

Wird nun alles gut?

Doch wer soll das nach den Pleiten der Vergangenheit noch uneingeschränkt glauben? Zumal sich über der anstehenden Vergabe der ersten 5G-Frequenzen bereits ein veritabler Streit entfacht hat. 5G steht für die fünfte Generation der Übertragungsverfahren im Mobilfunk. Dabei sind Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 2.000 Megabit pro Sekunde möglich, wie sie etwa für autonomes Fahren und das Internet der Dinge gebraucht werden.

Die Bundesnetzagentur will die 5G-Frequenzen im Frühjahr 2019 an die Telekommunikationsanbieter versteigern. Die sollen sich im Gegenzug dazu verpflichten, ihre Netze möglichst flächendeckend auch für private Haushalte auszubauen. Doch das ist so teuer, dass sich die Netzanbieter vehement wehren. Mit Erfolg. War zunächst noch von 300 Megabit pro Sekunde die Rede, so werden plötzlich nur noch 100 Megabit pro Sekunde gefordert. Es sollen auch nur noch 98 Prozent der Haushalte versorgt werden, dafür aber schon bis Ende 2022.

Die Industrie funkt SOS

Das Hin und Her um die Versteigerung, aber auch die Versäumnisse der vergangenen Jahre lassen bei der deutschen Wirtschaft inzwischen die Alarmglocken klingeln. Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, betont, der Ausbau der digitalen Infrastruktur sei von "existenzieller" Bedeutung für die Wirtschaft. Die Gigabit-Netze seien das "Rückgrat der digitalen Transformation", denn digitale Anwendungen und neue Geschäftsmodelle seien ohne funktionierende Netze nicht denkbar.

Autonomes Fahren
Auch für das Autonome Fahren wird eine schnelle Internetverbindung benötigtBild: picture-alliance/dpa/D. Naupold

In einem Positionspapier fordert der BDI "mehr Effizienz in Bau und Planung durch vereinfachte Genehmigungsprozesse und gezielte Investitionsanreize". Gewerbegebiete müssten prioritär an das Glasfasernetz angebunden werden. Es brauche deutlich mehr Planungssicherheit und Stabilität, aber auch kräftigen Rückenwind aus der Politik. Den versprachen auf einer Wirtschaftskonferenz in Berlin Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Kanzleramtsminister Helge Braun.

Schnelles Internet gehört zur Daseinsvorsorge

"Wir müssen die Digitalisierung besser koordinieren als in der Vergangenheit", sagte Braun. Die Erwartungshaltung in der Bevölkerung sei extrem hoch. Er gab außerdem zu verstehen, dass die Einnahmen aus den Frequenzversteigerungen in den Digitalfonds der Bundesregierung und damit in den digitalen Ausbau der Infrastruktur fließen sollten und nicht in den allgemeinen Haushalt. "Ich habe nicht das Gefühl, das es richtig ist, dass wir möglichst viel einnehmen", so Braun.

Scheuer drängt darauf, dass die Netzabdeckung mit Breitband höher ausfallen muss als 98 Prozent. Der Satz "Ich sitze im Zug" dürfe in einer Industrienation wie Deutschland nicht länger gleichbedeutend sein mit "Gleich ist das Netz weg".

Zu 5G: Studiotalk: Joachim Bühler

Eine Forderung, der Telekom-Vorstand Timotheus Höttges grundsätzlich zustimmt. Auch er ärgere sich über jedes Funkloch und die Telekom werde alles dafür tun, das abzustellen, sagt er. Dabei setzt das Unternehmen auf die Mithilfe seiner Wettbewerber. "Wir werden unsere passive Mobilinfrastruktur im ländlichen Raum öffnen", kündigt Höttges an. Damit meint er beispielsweise Funkmasten der Telekom, die von Wettbewerbern häufiger mitbenutzt werden könnten.

Der Ausbau wird nur stufenweise erfolgen

Bei allem Optimismus ist abzusehen, dass es noch viele Jahre lang mehrere Geschwindigkeiten in der Internetversorgung geben wird. Für die Netzanbieter ist die Versorgung dünn besiedelter Gebiete nicht mehr als eine teure und lästige Verpflichtung. Ihr Hauptaugenmerk werden sie weiterhin auf die Ballungsgebiete legen und natürlich auf die Wirtschaft, die bereit ist, für schnelle Leitungen gut zu zahlen.

Insgesamt soll der Ausbau der Giga-Netze in Deutschland 70 Milliarden Euro kosten. Wenn er nicht Kanzleramtsminister wäre, würde er jetzt ein Tiefbau-Unternehmen gründen, scherzte Helge Braun auf der BDI-Konferenz. Tatsächlich sind mehr Kapazitäten dringend gefragt. Dem steht jedoch ein grassierender Fachkräftemangel auch im Tiefbau entgegen. BDI-Präsident Dieter Kempf und Verkehrsminister Scheuer werben daher inzwischen für "alternative Verlege-Methoden".

Mit der Fräse über den Asphalt

Gemeint ist damit das sogenannte Micro-Trenching. Dabei werden die Glasfaserkabel nur wenige Zentimeter unterhalb der Straßenoberfläche verlegt. Zum Vergleich: Wasserrohre liegen in ein bis zwei Meter Tiefe. Der Vorteil des Trenching: Der Straßenasphalt muss nur mit geringem Aufwand aufgeschlitzt werden und die Methode ist weitaus preiswerter als traditioneller Tiefbau.

In der Baubranche stößt dieses Verfahren allerdings auf großen Widerstand. Es widerspreche geltenden Baunormen und sei weder technisch noch rechtlich abgesichert, so Tiefbauexperte Thomas Wenzel. Es drohten Folgeschäden im Straßenbau, beispielsweise durch Hebungen und Senkungen, Risse oder Frostschäden. Wenn man einfach so über eine Kreuzung fräse, dann durchtrenne man alle Ampelschleifen, und wenn nach ein paar Jahren eine Baufirma die Straße aufreiße, könne die doch gar nicht wissen, dass da Kabel im Asphalt liegen. Wenzels Fazit: "Das ist doch Irrsinn."