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Langsames Internet in Deutschland

Kay-Alexander Scholz, Berlin10. Juni 2016

Der Industriestandort Deutschland ist auf eine schnelle Datenübertragung angewiesen. Die Sorgen in der Wirtschaft wachsen, dass es mit dem notwendigen Ausbau der Infrastruktur nicht schnell genug voran geht.

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Illustration zum Thema Milliarden-Kampf der Kabelmultis um das Geschäft der Zukunft (Foto: dpa )
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Deutschland auf dem Weg in die Gigabit-Gesellschaft? David Lehmann vom Branchenverband "Die Jungen Unternehmer", seit 1949 Interessenverband für mittelständische Unternehmer bis 40 Jahre, rechnete vor, wie lange es noch dauern würde, wenn Deutschland in dem bisherigen Schnecken-Tempo beim Ausbau mit schnellem Internet weitermache wie bisher. Ungefähr 40 Jahre bis zum Jahr 2057 würden vergehen - dann sei er wahrscheinlich schon im Ruhestand. Bei der Digitalisierung sei Deutschland nur im unteren Mittelfeld, das Thema sei in allen Parteien und bei vielen Verbänden verschlafen worden. Auch mit der Arbeit der Bundesregierung zeigte sich Lehmann wenig zufrieden: zu wenig Sachverstand, keine klare Zuständigkeit, kein Masterplan.

Eigentlich hat die Bundesregierung mit der "Digitalen Agenda" so einen Masterplan. Bis 2018 soll eine Breitbandanbindung mit mindestens 50 Mbit/s Standard in Deutschland sein. Doch mit dem Ist-Zustand sind selbst die Politiker nicht zufrieden. Kanzlerin Angela Merkel sagte jüngst in Berlin, Deutschland drohe beim Breitbandausbau sogar von Entwicklungsländern überholt zu werden.

Geschwindigkeit = Wachstum

Konkrete Zahlen zu diesem Missstand stellte das Vodafone-Institut, dem in Berlin ansässigen Thinktank des Konzerns zum digitalen Wandel, vor. Die Umsetzung des 50-Mbit/s-Zieles stockt demnach vor allem in ländlichen Gebieten. Dort aber sind in Deutschland traditionell viele Unternehmen angesiedelt.

Infografik Digitale Schnecke oder High-Speed Deutsch

Eigentlich müssten zudem schon jetzt viel höhere Geschwindigkeiten angepeilt werden, hieß es in Berlin. Doch das ginge nun mit einem schnelleren Ausbau mit Glasfaser-Leitungen und dem Abschied von der langsameren Übertragung via Kupferkabel. Der Appell ging wohl auch in Richtung Deutsche Telekom, die derzeit versucht, über das sogenannte Vectoring Kupferkabel schneller zu machen. Doch das Verfahren ist umstritten.

Dass das alles kein Nice-to-have ist, ließ Vodafone in einer Studie untersuchen, die vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) und dem Frauenhofer-Institut erstellt und nun in Berlin präsentiert wurde. Demnach würden zehn Prozent mehr Glasfaseranschlüsse das jährliche BIP um rund sechs Milliarden Euro steigern. Hätte Deutschland seit 2007 die Internet-Geschwindigkeit um ein Prozent pro Jahr mehr erhöht, wäre das BIP heute (rund drei Billionen Euro) um 15 Millarden höher. "Der Breitbandausbau lohnt sich also", sagte Studienleiter Karl Lichtblau vom IW.

Infrastruktur bremst Innovationen

Die Studie listet 17 Schlüsseltechnologien des digitalen Wandels auf, wie Robotik, 3D-Druck, Virtual Reality oder Cloud Technologien. Alle werden auf eine Gigabit-Infrastruktur angewiesen sein, betonte Bernd Beckert vom Fraunhofer-Institut. Neben Glasfaser setzen die Experten auf den neuen 5G-Standard bei mobiler Datenübertragung. Hierzu wird auch in Deutschland viel geforscht.

Insbesondere "Cyberphysische Produktionssysteme" - so der Fachbegriff für "Industrie 4.0" - brauche schnelle Datenübertragungen, so Beckert. Zukünftig könnten dann Prozesse nicht mehr nur wie bisher über lokale Datennetze, sondern über dann stabile Cloud-Anwendungen gesteuert werden.

Schnelles Handeln sei auch deshalb erforderlich, damit Deutschland seine bislang recht gute Wettbewerbsposition auf den digitalen Zukunftsmärkten behaupten könne, hieß es unisono in Berlin. Bei Patenten in Schlüsseltechnologien sei Deutschland schließlich fast immer unter den Top 5 weltweit. Doch müssten diese nun mit Gigabit-Anwendungsmärkten vernetzt werden, um zu "Smart Health" oder "Smart Farming" zu kommen.

Doch so lange ein Startup im Zentrum der Großstadt Köln, wie der Jung-Unternehmer Lehmann berichtete, nur dadurch an ein schnelles Internet kommt, indem dieser Glasfaser für zigtausende Euro auf eigene Kosten hat verlegen lassen, sei dies alles Zukunftsmusik.

Neue Gesetze in der Pipeline

Allerdings gibt es Anzeichen für ein Umdenken in der Politik. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine "Digitale Strategie 2025" erarbeiten lassen, die explizit auf den Ausbau mit Glasfaser setzt. Das würde aber auch milliardenschwere Subventionen bedeuten, so dass sich der Ausbau für viele Unternehmen in der Fläche nicht lohnt.

Ein anderes Gesetz will die baulichen Rahmenbedingungen verbessern. Es wird derzeit im zuständigen Bundestagsausschuss debattiert. Das Gesetz will die Kosten für den Ausbau mit Glasfaser und Mobilfunk senken, indem verstärkt andere Rohre, Antennenanlagen oder Versorgungsnetze mit genutzt werden.