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Peter Eigen: „Wertesystem vieler Manager legitimiert Korruption“

18. Januar 2007

Vorsitzender des Beirats von Transparency International im Interview von DW-TV

https://p.dw.com/p/9iul

„Bei vielen Managern in Deutschland und Europa hat sich ein Wertesystem entwickelt, das Korruption in Afrika, Lateinamerika oder Asien legitimiert. Die wissen gar nicht, was sie damit für einen Schaden anrichten.“ Das sagte Peter Eigen, Vorsitzender des Beirats von Transparency International (Berlin), in einem Interview von DW-TV. Eigen: „Darin sehe ich einen Hauptgrund für die Armut der Welt, für die Milliarden von Menschen, die im Augenblick in völliger Verelendung leben und entsprechend wütend sind, zu Konflikten neigen und vielleicht sogar zu Terrorismus.“ Man könne sich nicht genug vergegenwärtigen, „was da in Europa, aber auch in Deutschland an Schaden angerichtet worden ist, weil die Werte, die wir in Europa lange hochgehalten haben, zerstört worden sind“.

Der Jurist und Gründer von Transparency International sieht das größte Dilemma in der „Auflösung des Konflikts, in dem gute Unternehmen stecken: die einen korruptionsfreien internationalen Markt fordern, aber fürchten, gegenüber anderen Firmen ins Hintertreffen zu geraten“, die mittels Bestechung Aufträge an Land zögen.

Eigen wies darauf hin, dass Deutschland als Exportweltmeister auf dem „Bribe Payers Index“ unter 160 Staaten einen Platz „in der Mitte einnimmt“. Dieser Index messe die Neigung großer Unternehmen in Exportländern, im Ausland zu bestechen. Bis vor wenigen Jahren sei die Korruption im Ausland durch deutsche Firmen erlaubt gewesen, „sie war sogar steuerlich absetzbar“. Heute, so Eigen in DW-TV, zeige unsere Gesellschaft „viel weniger Geduld mit solchen Fällen, vor allem auch, weil die Medien sich sehr viel schärfer damit auseinandersetzen.“ Seiner Einschätzung nach hätten die Korruptionsfälle insgesamt in Deutschland nicht zugenommen. „Ich bin aber darauf vorbereitet, dass große Unternehmen immer wieder solche Skandale haben werden. Und ich erwarte, dass sie sich offen damit auseinandersetzen. Das hat Siemens in der Vergangenheit zum Beispiel nicht getan.“ Deshalb habe sich seine Organisation von Siemens getrennt.

Gleichwohl wolle er „Brücken schlagen“ und mit Unternehmen ebenso in Kontakt bleiben wie „mit korrupten Regierungen“. So habe er Bundespräsident Horst Köhler vor kurzem nach Ghana begleitet und sich mit Nigerias Staatspräsident Olusegung Obasanjo getroffen, der in seinem Land „gegen korrupte Institutionen, Persönlichkeiten und Unternehmen kämpft“. Diese hätten in Jahrzehnten mehrere Milliarden US-Dollar „gestohlen und auf europäische Banken gebracht“. Obasanjo habe sich bei dem Treffen angesichts der Bestechungsvorwürfe gegenüber Siemens in Nigeria „über die Scheinheiligkeit im Norden, in Europa geärgert“. Wer von Afrikanern in verantwortlicher Position verlange, sich nicht mehr bestechen zu lassen, müsse sich zunächst der eigenen Verantwortung bewusst sein, so Eigen.

18. Januar 2007
12/07