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Mihambo und ihre "innere Meisterschaft"

25. Juli 2022

Zum zweiten Mal in Folge gewinnt Malaika Mihambo WM-Gold im Weitsprung. Das ist noch keiner Europäerin zuvor gelungen. Zu ihrem Erfolgsrezept gehört: Sie will sich entwickeln - und das nicht nur im Sport.

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Die deutsche Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo landet nach einem ihrer Versuche bei der WM in Eugene im Sand
Mit einer Weite von 7,12 Metern wird Malaika Mihambo in Eugene zum zweiten Mal Weltmeisterin Bild: David J. Phillip/AP Photo/picture alliance

"Von den Leistungen her war ich in den letzten Jahren die Konstanteste", sagte Malaika Mihambo nach ihrem zweiten WM-Triumph in Folge auf die Frage, warum sie in Eugene wieder mal für das Leichtathletik-Team die Eisen aus dem Feuer holen konnte. Nach ihren Erfolgen bei der WM 2019 in Doha in Katar und 2021 bei den OIympischen Spielen in Tokio stand die deutsche Weitspringerin bei der WM im US-Bundesstaat Oregon wieder ganz oben auf dem Podest.

Außer ihrem Gold gab es in Eugene nur wenig Grund zum Jubeln für die deutsche Mannschaft. Lediglich der Sprintstaffel der Frauen gelang mit Bronze ein Medaillengewinn. Weniger Medaillen gab es noch nie für Deutschland bei einer Leichtathletik-WM. "40 bis 45 Prozent der deutschen Athleten konnten ihr Leistungsvermögen nicht abrufen", kommentierte Cheftrainerin Annett Stein das enttäuschende Abschneiden der deutschen Aktiven.

Seit 2018 bei Großereignissen ungeschlagen

Mihambo, "Deutschlands Sportlerin des Jahres" 2019, 2020 und 2021, aber "lieferte" einmal mehr. Seit ihrem Sieg bei der Europameisterschaft 2018 in Berlin ist sie bei Freiluft-Großereignissen ungeschlagen. Wichtiger als Gold sei ihr, "dass ich gerne mehr gebe und mich verbessere und mehr zeigen kann von dem, was ich drauf habe - unabhängig davon, ob ich den Titel hole oder nicht", sagte die 28-Jährige nach dem Wettkampf.

Mihambo präsentiert die WM-Goldmedaille und hält dabei eine Deutschland-Fahne hinter dem Rücken hoch
Mihambo nach dem Triumph in Oregon: das nächste Gold in ihrer Medaillensammlung Bild: Brian Snyder/REUTERS

Sie wolle "wachsen", wiederholt sie seit Langem fast wie ein Mantra. Vielleicht ist dieser unbändige Drang nach Entwicklung und Perfektion - die "innere Meisterschaft", wie sie es nennt - einer der Hauptgründe, warum die Weitspringerin so erfolgreich ist. Mit dem Erreichten zufrieden zu sein und nachzulassen, kommt für Mihambo nicht in Frage: "Weiter zu springen ist auch etwas, das mich antreibt. Ich bin einfach sehr daran interessiert, zu wissen, wie weit ich denn springen kann am Ende meiner Karriere."

Wie weit kann sie springen?

Auch ihre Sprünge in Eugene analysierte Mihambo gleich im Anschluss an den Wettkampf: "Wenn man sich den dritten Sprung anschaut - ich hatte einen ganz schönen Landeverlust, bin 17 Zentimeter vor dem Brett abgesprungen. Wenn man das zusammenrechnet, kommt man ganz auf eine ganz schöne Weite." Ihren weitesten Satz bei dieser WM landete Mihambo mit ihrem letzten Versuch: 7,12 Meter.

Malaika Mihambo im Abendkleid bei der Ehrung zur "Sportlerin des Jahres 2021" in Baden-Baden
Dreimal in Folge wird die Weitspringerin "Deutschlands Sportlerin des Jahres"Bild: Tom Weller/Pool/dpa/picture alliance

Ihre Bestweite liegt bei 7,30 Meter, gesprungen bei der WM vor drei Jahren. "In ihr schlummert noch ein ganz großes Potential", prognostizierte Bundestrainer Ulrich Knapp, der die Weitspringerin seit Jahren betreut, bereits nach ihrem Olympiasieg von Tokio. Damals, so Knapp, sei sie "noch nicht in absoluter Topform" gewesen.

Rassismus erlebt

Mihambo wurde am 3. Februar 1994 in Heidelberg als Tochter einer Deutschen und eines tansanischen Vaters geboren. Der Vater verließ die Familie, als Mihambo zwei Jahre alt war. Als Kind habe sie häufig Rassismus erfahren, sagte der deutsche Leichtathletik-Star in einem Interview der Zeitung "Welt": "Irgendwann gingen in der Schule die Läuse um, und da hieß es, die müssen ja von Malaika kommen. Als sich dann herausstellte, dass ich keine Läuse hatte, hieß es: Nicht einmal die Läuse wollen zu ihr."

Schnell, sprunggewaltig, nervenstark

Sport betrieb Mihambo von klein auf. Nachdem sie sich beim Ballett, im Turnen und beim Judo versucht hatte, fand sie mit acht Jahren zur Leichtathletik. Sie war äußerst vielseitig und startete zunächst auch im Mehrkampf. Noch immer ist sie eine exzellente Sprinterin. Ab und zu startet Mihambo über 100 Meter, ihre Bestzeit liegt bei 11,21 Sekunden. Die Antrittsschnelligkeit kommt ihr auch bei ihrer Spezialdisziplin zugute. Mit 16 Jahren sprang sie erstmals über sechs Meter weit. Im Juni 2019 knackte sie dann beim Diamond-League-Meeting in Rom erstmals die Sieben-Meter-Marke.

Zu Mihambos Erfolgsrezept gehören neben Schnelligkeit und Sprungkraft auch ihre Nervenstärke. Die zeigte sie einmal mehr in Eugene, wo ihr als erster Weitspringerin aus Europa ein zweiter WM-Sieg in Folge gelang - vorher war dieses Kunststück nur den US-Amerikanerinnen Jackie Joyner-Kersee und Brittney Reese gelungen. Die ersten beiden Versuche Mihambos waren ungültig, ihr drohte das Aus nach drei Sprüngen.

Mihambo in der Luft bei einem ihrer Sprünge, Arme nach oben, Füße nach vorn - während der Olympischen Spiele in Tokio im August 2021.
Auch bei den Olympischen Spielen in Tokio springt Mihambo zu GoldBild: Aleksandra Szmigiel/REUTERS

"Nach dem zweiten Versuch konnte ich es nicht fassen, dass der schon wieder ungültig war", sagte die Weltmeisterin. "Das setzt einen unter Druck. Ich habe in meiner Karriere aber schon viel Selbstvertrauen gewonnen, weil ich schon oft in solchen Situationen war." Mit einem "Sicherheitssprung" auf 6,98 Meter im dritten Durchgang qualifizierte sie sich für die letzten drei Sprünge.

Klaviermusik, um sich zu beruhigen

Ruhe zwischen den Versuchen findet Mihambo, indem sie klassische Musik hört. "Sie kann mit der Musik extrem Druck abbauen", sagt Trainer Knapp. Mihambo spielt selbst gut Klavier, Knapp hat ihr zudem beigebracht, Gitarre zu spielen.

Sie probiert einfach Dinge gerne aus, auch das ist eines ihrer Mittel, "weiter zu wachsen". Mihambo hat eine Bachelor-Abschluss in Politischen Wissenschaften und macht an einer Fernuniversität einen Master-Studiengang in Umweltwissenschaften. Zudem engagiert sie sich in Hilfsprojekten für benachteiligte Kinder.

Das nächste Großereignis steht für Mihambo bereits in knapp einem Monat an: die Leichtathletik-Europameisterschaften im Münchener Olympiastadion vom 15. bis 21. August. Die WM in Eugene dürfte den Verantwortlichen beim DLV mit Blick auf die Heim-EM vor Augen geführt haben: Wenigstens auf Malaika Mihambo ist Verlass.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter