1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Grüne verärgert über Partner von SPD und FDP

23. März 2023

Zu wenig Tempo beim Klimaschutz: Auf ihrer Klausur in Weimar hadert die Bundestagsfraktion der Grünen mit ihren Regierungspartnern SPD und FDP.

https://p.dw.com/p/4P6SD
Vor einer grünen Plakatwand stehen von links nach rechts: Fraktionschefin Katharina Dröge, Vizekanzler Robert Habeck, Co-Fraktionschefin Brita Haßelmann und Außenministerin Annalena Baerbock in Weimar.
Fraktionschefin Katharina Dröge, Vizekanzler Robert Habeck, Co-Fraktionschefin Brita Haßelmann und Außenministerin Annalena Baerbock in WeimarBild: Martin Schutt/picture alliance/dpa

Lange Zeit, eigentlich fast seit Beginn ihrer Regierungszeit im Dezember 2021, war die deutsche Regierung aus SPD, Grünen und FDP nur mit unerwarteten Krisen beschäftigt: Dem Krieg in der Ukraine, der Frage, welche Waffen dorthin geliefert werden sollen, den hohen Energiepreisen, der Inflation. Und die Bundeswehr bekam einen kreditfinanzierten Zuschuss von 100 Milliarden Euro, um auf die neue Sicherheitslage reagieren zu können.

Die Grünen, die sich im beschaulichen Weimar in Thüringen zur Klausur der Bundestagsfraktion getroffen haben, wollen jetzt mehr Tempo bei den eigentlichen, aus ihrer Sicht wichtigen Regierungsverabredungen wie dem Klimaschutz. Auch wenn die genannten Krisen noch lange nicht bewältigt sind. So sagte die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge: "Es hat sich durchgezogen durch unsere Klausur und wurde von allen Fraktionsmitgliedern gespiegelt, dass wir uns wünschen, dass die Ampel entschlossen die Aufgaben angeht, die in diesem Jahr vor uns liegen." Die Ampel, so wird die Koalition wegen ihrer Parteifarben Rot, Grün und Gelb auch genannt.

Streitthemen: Gasheizungen und Verbrenner-Motoren

Zwei aktuelle Themen sind es, die den Unmut der Grünen hervorrufen: Nach Ansicht der Grünen bremst vor allem die FDP beim Plan von Wirtschafts - und Klimaschutzminister Robert Habeck, neue klimaschädlichen Gas - und Ölheizungen schon vom kommenden Jahr an nicht mehr zuzulassen. Habeck bemängelte zu Beginn des Treffens in Weimar, dass seine Pläne aus der Koalition heraus an die Boulevard-Presse durchgestochen worden seien. Habeck, der auch Vizekanzler ist, machte seinem Ärger darüber in einem TV-Interview mit der ARD Luft: Gespräche der Koalitionspartner über seine Pläne seien "wahrscheinlich mit Absicht gestört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen." Und weil so etwas nicht aus Versehen passiere,  sei er "ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille" da sei. Das rief dann prompt nicht nur die FDP, sondern auch die SPD auf den Plan. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Lars Klingbeil, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Das ist ein Appell an alle drei Parteien in der Regierung: Diese öffentlichen Auseinandersetzungen müssen jetzt aufhören."

Eine Gastherme wird repariert, man sieht links und rechts Hände in die Therme greifen, rechts einen Schraubenzieher.
Neue Gasthermen ab 2024 verboten? Der Plan von Wirtschaftsminister Robert Habeck erhitzt die Gemüter in der KoalitionBild: dorapics/Shotshop/IMAGO

Brantner: "Für Klimaschutz nicht nur wir zuständig."

Konfliktthema Nummer zwei: Der Plan der EU, ab 2035 Autos mit Verbrenner-Motoren nicht mehr zuzulassen. Ausgerechnet das frühere Klimaschutz-Vorzeigeland Deutschland bremst hier auf Druck der FDP, ein Desaster für Deutschland, wie in Weimar viele grüne Abgeordnete beklagen. Und bemängelt wird, dass Bundeskanzler Olaf Scholz "eher bremst, als mäßigend auf die FDP einzuwirken", wie der frühere Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, klagte. Viele Grüne nervt zudem, dass für Fortschritte beim Klimaschutz in der Koalition offenbar nur die Grünen zuständig seien. So sagte die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner, in Weimar im Gespräch mit der DW: "Es geht darum, dass wir uns als Gemeinschaft mit der Transformation unserer Gesellschaft befassen. Es ist eben nicht nur eine Aufgabe der Grünen, sondern wir müssen bis 2045 klimaneutral werden. Und wir sehen ja, dass die Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen Unfreiheiten bringen, von denen wir im letzten Jahr gesagt haben, dass wir sie nie wieder wollen." 

Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen spricht vor einer grünen Plakatwand.
Vizekanzler Robert Habeck: "Gespräche der Koalitionspartner sind mit Absicht gestört worden"Bild: Martin Schutt/picture alliance/dpa

Grüne in den Umfragen stabil

Die Grünen wissen dabei sehr wohl, dass vor allem die FDP zur Zeit große Probleme hat und der Drang, sich zu profilieren, bei den Liberalen immer mehr wächst. Die Liberalen verpassten gleich bei Landtagswahlen seit dem Regierungsantritt den Einzug in die Parlamente, so im Land Berlin und in Niedersachsen. Die Grünen dagegen liegen in diversen Umfragen stabil zwischen 17 und 19 Prozent der Stimmen, trotz ihres klaren Votums für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Und damit über ihrem Stimmenergebnis bei der Bundestagswahl 2021 von 14,8 Prozent.

Waffenlieferungen bei den Grünen unumstritten

Das Thema Krieg und Frieden holt die Grünen aber auch in Weimar ein: Vor dem Pressezentrum in der Weimarer Innenstadt stellen sich zwei Demonstranten mit einem grünen Wahlplakat von 1989 auf, auf dem die damals strikt pazifistische Partei sich gegen Waffenexporte jeglicher Art ausspricht. Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckart von den Grünen bleibt stehen und spricht die Protestierenden an: "Es ist doch so, dass Russlands Präsident Putin die Ukraine überfallen hat. Er ist derjenige, der dafür sorgt, dass Menschen getötet werden. Und die Ukraine hat auch völkerrechtlich die Erlaubnis, sich zu verteidigen. Und das können sie nicht allein." Vor allem die grüne Außenministerin Annalena Baerbock setzt sich immer wieder für mehr Waffen für die Ukraine ein.

"Die Ukraine kann sich nicht allein verteidigen." Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring- Eckardt (rechts) im Gespräch mit Kritikern der Waffenlieferungen an die Ukraine.
"Die Ukraine kann sich nicht allein verteidigen." Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring- Eckardt (rechts) im Gespräch mit Kritikern der Waffenlieferungen an die Ukraine.Bild: Jens Thurau/DW

Eine Ansicht, die die große Mehrheit der Fraktionsmitglieder der Grünen teilt, trotz der grünen Wurzeln in der früheren Friedensbewegung. Seit 2016 hat sich die Mitgliederzahl der Grünen auf nun fast 130.000 fast verdoppelt. Die meisten neuen Mitglieder sind jung und können mit dem Pazifismus der älteren wenig anfangen.

Den Grünen geht es also als Partei gut, trotz des Unmuts über den Zustand der Koalition. Der ist groß, aber die Regierungskoalition stellt deshalb niemand in Frage. Auch in Weimar nicht.