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GesellschaftDeutschland

BioNTech-Gründer Sahin ist selbst geimpft

12. Dezember 2021

Ein altes DW-Interview mit BioNTech-CEO Ugur Sahin wird aktuell im Netz geteilt. Es soll beweisen, dass sich Sahin "aus Sicherheitsgründen" dagegen entschieden habe, sich selbst impfen zu lassen. Doch das stimmt nicht.

https://p.dw.com/p/43zgD
BioNTech-Gründer Ugur Sahin
Bild: Florian Gaertner/photothek/imago images

Behauptung: "Dr. Ugur Sahin, der CEO von BioNTech und Erfinder des BioNTech/Pfizer Impfstoffes, weigert sich aus Sicherheitsgründen, sich impfen zu lassen", schreibt ein Twitter-User über einem Video, das Anfang Dezember 2021 die Runde auf Twitter und YouTube machte und von vielen Menschen geteilt wurde.

DW-Faktencheck: Falsch.

Das Video zeigt tatsächlich BioNTech-Gründer Sahin, stammt allerdings aus dem Jahr 2020, ist also nicht mehr aktuell. Inzwischen ist Ugur Sahin geimpft und auch geboostert, wie BioNTech gegenüber der Deutschen Welle mitteilte. Unser Faktencheck zeigt, wie das Video User manipulieren soll.

Was genau zeigt das Video? 

Das zwei Minuten und 17 Sekunden lange Video soll belegen, dass ausgerechnet Ugur Sahin, der Mitentwickler des ersten und weltweit erfolgreichsten Impfstoffes gegen das Coronavirus, sich selbst nicht impfen lässt. Doch was ist darin zu sehen? 

In den ersten 15 Sekunden ist nur Ugur Sahin im Bild zu sehen. Zu hören ist ein Reporter, der selbst nicht im Bild ist, und sich auf Englisch an Sahin wendet: "Erlauben Sie mir eine persönliche Frage. Ich weiß, dass Sie persönliche Fragen nicht besonders gerne beantworten, aber Sie und Ihre Frau Dr. Türeci spielen so eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Virus..." Es folgt ein Zoom ins Bild, bei dem die Worte "Entwicklung des Virus" zweimal verlangsamt abgespielt werden. 

Ab der 22. Sekunde wird eine weitere Frage gestellt: "Ich habe gehört, dass Sie selbst noch keinen Impfstoff bekommen haben. Warum nicht?" Ugur Sahin antwortet darauf: "Mir ist es gesetzlich zurzeit nicht erlaubt, den Impfstoff selbst zu bekommen." Auf die Nachfrage des Reporters, warum dies so sei, erklärt der BioNTech-Chef, dass es in Deutschland eine Priorisierung bei der Verimpfung des Vakzins gegen SARS-CoV-2 gebe. Zu der Zeit, als das Video entstand, durften nur ältere Menschen und Angehörige besonderer Risikogruppen geimpft werden. Auch an den klinischen Studien bei der Entwicklung des Impfstoffs, so Sahin, durften weder er noch andere BioNTech-Mitarbeiter gesetzlichen Bestimmungen zufolge  teilnehmen. "Wir überlegen natürlich, das zu ermöglichen. Wichtiger ist für uns, dass unsere Mitarbeitenden und Partner geimpft werden. Unser Ziel ist es, über 1,3 Milliarden Dosen im Jahr 2021 zu produzieren. Und das kann man nur erreichen, wenn wir weiterhin 24/7 arbeiten, ohne jegliche Unterbrechung." 

Der Wissenschaftler weist im weiteren Videoverlauf darauf hin, dass es die Überlegung gebe, unabhängig vom für die EU bestimmten Kontingent eine extra Charge des Impfstoffs für die Mitarbeiter und Partner von BioNTech herstellen zu lassen.

Es gibt also keine Äußerung seitens Ugur Sahin, dass er sich nicht impfen lassen möchte oder Sicherheitsbedenken hätte.

Echtes Video, falscher Kontext

Bereits in den Kommentaren unter dem Tweet stellen die Nutzer die wichtigen Fragen: Ist das Video echt? Woher stammt es? Wann wurde das Interview aufgenommen? 

Einige Hinweise dazu liefert das Video selbst. So sieht man im zweiten Teil des Zusammenschnitts ein DW-Mikrofon im Bild. Eine schnelle Suche nach "DW Sahin Interview" bei Google liefert das Ergebnis: Ein Video mit der Überschrift "BioNTech CEO Ugur Sahin: 'Our vaccine will likely work for mutated coronavirus variants'" wurde am 22. Dezember 2020 auf dem YouTube-Kanal von DW News veröffentlicht. Im Unterschied zum Twitter-Post ist dieses Video acht Minuten und 30 Sekunden lang. Ein Vergleich der beiden Videos bestätigt, dass das fast ein Jahr alte DW-Interview mit Sahin für die Erstellung des kurzen Videos verwendet wurde. 

Auch weitere ältere Interviews mit Ugur Sahin werden in diesen Tagen aktiv in den sozialen Netzwerken verbreitet, um zu suggerieren, dass der Impfstoff-Entwickler sich selbst nicht impfen lassen möchte. So wurde ein SWR-Interview von Ugur Sahin vom 21. Dezember 2020 ähnlich wie das DW-Interview auf die Frage und Antwort zu seiner noch nicht stattgefundenen Impfung reduziert und von mehreren Nutzern im Oktober 2021 auf YouTube veröffentlicht. Dabei versichert Ugur Sahin im SWR-Gespräch wie in vielen anderen Interview damals: "Ich möchte mich natürlich liebend gern impfen lassen."

Sahin bereits seit Monaten vollständig geimpft

Zum Zeitpunkt der beiden Interviews (Dezember 2020) konnte der damals 55-jährige Ugur Sahin nicht geimpft werden, weil in Deutschland wegen der begrenzten Menge an Impfstoffdosen eine Priorisierung nach Risikogruppen vorgenommen wurde. Demzufolge wurden zunächst Menschen über 80 Jahre und Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen geimpft. Dies wurde in einer entsprechenden Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums festgehalten.

Am 19. März 2021 haben Ugur Sahin und Özlem Türeci in einem Bild Live-Interview bekanntgegeben, dass sowohl sie beide als auch ihr Team mittlerweile geimpft seien. Auf DW-Anfrage nahm eine BioNTech-Sprecherin Stellung zu den neuesten Posts über den Impfstoff-Entwickler in den sozialen Medien: "Das ist falsch. Die Referenz ist vom Dezember 2020 und völlig veraltet. Er hat seine ersten Impfungen (erste und zweite Impfung Anfang 2021) und die Auffrischungsimpfung bekommen."

Davon hat Sahin mittlerweile sogar selbst ein Foto in den sozialen Medien gepostet. Grund dafür sind die falschen Berichte über seinen Impfstatus sowie eine traurige Nachricht aus seinem Bekanntenkreis. "In den sozialen Medien gab es Fehlinformationen, dass ich angeblich nicht geimpft sei", schreibt Sahin zu dem Foto. "Seit einigen Monaten drängen mich Freunde, ein Foto von meiner Impfung zu posten, um diese falschen Gerüchte auszuräumen." Das habe er lange abgelehnt, schreibt der Wissenschaftler weiter, in der Berichterstattung solle es nicht um ihn gehen, sondern um "Daten, Fakten und Erkenntnisse".

Umentschieden habe er sich wegen eines Corona-Falls in seinem privaten Umfeld. Er habe erfahren, dass ein alter Schulfreund mit einer Corona-Infektion auf der Intensivstation um sein Leben ringe. Seit drei Wochen sei dieser an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Weder der Schulfreund noch seine Familie seien geimpft gewesen, wie die Frau des Freundes ihm erzählt habe, schreibt Sahin.

Nach den Gründen für diese Entscheidung habe er nicht gefragt. Doch oft sei es Angst, befeuert durch Falschinformationen und Misstrauen. "Gegen die Angst kann man nicht mit Daten und Fakten angehen", schreibt er. "Manchmal können wir die Angst besser besiegen, indem wir persönliche Erfahrungen teilen." Das sei der Grund, wieso er das Foto seiner Impfung aus dem Frühjahr 2021 nun poste.

Damit sind die Behauptungen, Ugur Sahin verweigere die Impfung gegen COVID-19, endgültig haltlos.

Dieser Artikel wurde am 09.12.2021 veröffentlicht und am gleichen Tag um eine Aussage der BioNTech-Sprecherin ergänzt. Am 12.12.2021 wurde er um die letzten drei Absätze ergänzt. 

So funktioniert die Corona-mRNA-Impfung