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Musik

Bayreuther Festspiele ohne Katharina Wagner?

Rick Fulker
28. April 2020

Die Absage der Festspiele kam nicht überraschend. Schockierend ist die Nachricht, dass Festivalleiterin Katharina Wagner wegen einer Erkrankung ihre Arbeit nicht mehr wahrnehmen kann. Was bedeutet das für Bayreuth?

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Bayreuther Festspiele   künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin Katharina Wagner
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Die 41-jährige Leiterin der Bayreuther Festspiele sei "längerfristig erkrankt" und wird ihre Arbeit "bis auf Weiteres" nicht wieder aufnehmen können, so der Pressesprecher der Bayreuther Festspiele. Nähere Angaben zur Krankheit von Katharina Wagner oder zur Dauer ihres Ausfalls für die Leitung der Festspiele machte er nicht.

Die diesjährige Ausgabe der Festspiele wurde bereits wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Aber auch wenn sie stattgefunden hätten, wäre Katharina Wagner bereits bei Beginn der Probenarbeit Anfang April 2020 ausgefallen, so Georg Freiherr von Waldenfels. "Es ist ernst", fügte der Vorsitzende der Stiftung Gesellschaft der Freunde von Bayreuth hinzu. "Ärzte gehen nach jetzigem Stand aber nicht von Corona aus".

Das Jahr 2020 steht unter keinem guten Stern

Seit 2008 ist die Urenkelin Richard Wagners (1813-1883) künstlerische Leiterin der von ihm gegründeten Opernfestspiele – zunächst im Tandem mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier und seit 2015 alleinverantwortlich.

2013 wurde ihr ein geschäftsführender Direktor zur Seite gestellt: zunächst Hans-Dieter Sense, der 2016 von Holger von Berg abgelöst wurde. Nun kehrt der 81-jährige Sense nach Bayreuth zurück, um an der Seite seines damaligen Nachfolgers die Festspiele kommissarisch zu leiten. 

Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner
Die Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier (li) und Katharina Wagner leiteten die Bayreuther Festspiele 7 Jahre zusammenBild: Picture-alliance/dpa

"Ich bin schockiert", sagte Nicolaus Richter vom Richard-Wagner Verband Bayreuth zur Nachricht der Erkrankung der Festspielleiterin. Erst vor knapp einem halben Jahr hatte Katherina Wagner ihren Vertrag bis 2025 verlängert.

Das Jahr 2020 hatte für sie schon unter keinem guten Stern begonnen: Im Dezember 2019 war ihr Vertrauter und langjähriger Pressechef der Bayreuther Festspiele Peter Emmerich völlig unerwartet gestorben. Wegen der Corona-Pandemie musste dann auch eine geplante Neuinszenierung von Richard Wagners Oper "Lohengrin" in Barcelona, unter ihrer Regie, abgesagt werden. Und dann kam Ende März die endgültige Absage der Wagner-Festspiele 2020 in Bayreuth.

Kein traditionelles Familienunternehmen

Die 1876 von Richard Wagner gegründeten Bayreuther Festspiele wurden immer von einem Mitglied der Wagner-Familie geleitet: Zunächst von Richard Wagner selbst, gefolgt von seiner Witwe Cosima, seinem Sohn Siegfried, und nach dessen Tod 1930 von Siegfrieds Witwe Winifred Wagner. Bei der Wiedereröffnung von Bayreuth nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Festspiele von den Wagner-Enkeln Wieland und Wolfgang – zunächst zusammen geleitet, nach Wielands Tod 1966 allein von Wolfgang Wagner.

Katharina Wagner, Christian Thielemann, Wolfgang Wagner und Eva Wagner-Pasquier
Abschiedsfeier ihres Vaters Wolfgang Wagner 2008 (rechts: Dirigent Christian Thielemann und Eva Wagner-Pasquier)Bild: picture alliance/dpa

So wie es Wolfgang und Wieland Wagner gemeinsam gelungen war, Bayreuth vom braunen Schatten des Nationalsozialismus zu befreien, leiteten Wolfgang Wagners Töchter Eva und Katharina knapp 50 Jahre später eine Öffnung der Festspiele und ein Abschied von vielen Traditionen ein. Katharina war dabei stets die treibende Kraft und das neue öffentliche Gesicht des Unternehmens.

Die künstlerische Neuorientierung begann 2007 mit ihrer Regie der Wagner-Oper "Die Meistersinger von Nürnberg". Ihre Auslegung des Werks stellte zwar die Geschichte auf den Kopf und brüskierte manchen Bayreuther Traditionalisten, zeigte sie aber als mutige, wenn nicht gar waghalsige Regisseurin.

Neues Geschäftsmodell für Bayreuth 

Katharina Wagner leitete als Festspielleiterin eine Zeit der Öffnung und der Transparenz ein. Es sollte nicht mehr allein die Domäne der Wagner-Pilger sein, die unter Umständen jahrelang auf einer Warteliste auf die begehrten Karten warteten. Die Festspiel-Aufführungen wurden nun auch live übertragen: für das Public Viewing und sogar in Kinos sowie im Internet-Stream.

Diese Innovationen bewegten die Festspiele in Richtung des utopischen Ideals ihres Gründers Richard Wagner, der schon zu seinen Lebzeiten einen Zugang für alle kostenfrei ermöglichen wollte.

Wagner-Büste von Arno Breker auf dem Gelände des Bayreuther Festspielhauses
Was hätte Urgroßvater Richard zu alledem gesagt?Bild: picture-alliance/ZB/R. Oettel

Diese Neuerungen gingen auch mit einem neuen Geschäftsmodell einher: Die Bayreuther Festspiele gehören jetzt als GmbH vier Gesellschaftern, was jeden Geschäftsvorgang deutlich erschwerte. Vorher war die GmbH im Alleinbesitz ihres Vaters Wolfgang Wagner gewesen. Nur er hat entschieden.

Umbruch und mutige Neuerungen

In Katharina Wagners Amtszeit fällt auch die kostenintensive, jahrelange Sanierung des Bayreuther Festspielhauses. Die Festspielleiterin gründete auch die Sponsorenvereinigung "Taff". Sie brüskierte damit die Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V. und reduzierte gleichzeitig deren Einfluss auf die Ausgestaltung Bayreuther Festspiele. Der Verein ist Mitgesellschafter der GmbH, zusammen mit der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern und der Stadt Bayreuth.

Eine weitere Innovation folgte 2017: Diskurs Bayreuth, mit Diskussionen zur kontroversen Geschichte der Bayreuther Festspiele, mit modernen Aufführungen und Ur-Aufführungen. Flankiert wird das Unterfangen von Meisterkursen für junge Solistinnen und Solisten, die von gestandenen Solisten auf dem Grünen Hügel unterrichtet werden.

Ihr größter Stolz ist für Katharina Wagner nach wie vor die Einführung der Kinderopern: Versionen von Wagner-Opern für Kinder im Alter von 6-12 Jahren, wie sie in einem DW-Gespräch 2013 erklärt: "Das wird sehr gut angenommen, und wir versuchen, dies auch auf künstlerisch höchstem Niveau zu machen." 

Pleiten, Pannen und Erfolge

Die Ära Katharina Wagners wurde bislang auch von Kontroversen und Pleiten begleitet: Dirigenten bemängelten die zu kurzen Probezeiten, Inszenierungen wurden verrissen. Allen voran: Sebastian Baumgartens Regie von "Tannhäuser"  2011. Sponsoren und Dirigenten sprangen damals ab. Nicht nur ältere Wagnerianer bemängelten, Katharina habe sich von jeder Bayreuther Tradition entfernt, einfach so, nur weil sie Tradition waren.

Katharina Wagner in Glamour-Look
Die Urenkelin des großen Komponisten gab den Festspielen ein jugendlicheres ImageBild: Fairplay Stiftung

Seit 2017 konnte die engagierte Festspielleiterin jedoch eine Reihe von erfolgreichen Produktionen vorweisen: "Meistersinger" (2017), inszeniert von Barrie Kosky, "Lohengrin" (2018), in der Regie von Yuval Sharon und mit starken Bühnenbildern des Leipziger Künstlers Neo Rauch – und die triumphale Produktion des "Tannhäuser" (2019), in der Regie von Tobias Kratzer. Ein enthusiastischer Kritiker schrieb: "Bayreuth ist nicht mehr das, was es war. Es ist besser."

"Wir müssen jetzt mal sehen und hoffen, dass die Katharina bald wieder an Bord ist", sagt Georg Freiherr von Waldenfels, der Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, am Dienstag (28.04.2020) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Bayreuther Festspiele sind bei einem längeren Ausfall von Katharina Wagner zur Zeit nur schwer vorstellbar.