1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gleichberechtigung

Kameruner Autorin kämpft für Frauenrechte

Aya Bach
30. März 2022

2020 schaffte es Djaïli Amadou Amal als erste Frau aus Subsahara-Afrika auf die Shortlist des Prix Goncourt, dem wichtigsten Literaturpreis Frankreichs. Nun ist ihr Erfolgsroman auf Deutsch erschienen.

https://p.dw.com/p/49BYM
Djaili Amadou Amal im Porträt (Foto: Bruno Fert)
Die Autoriin Djaili Amadou Amal aus KamerunBild: Bruno Fert

"Am Ende der Geduld ist der Himmel. Darum ist da auch der Tod", sagt Djaïli Amadou Amal im Interview mit der DW. Ihre eigene Duldsamkeit, "Munyal" in ihrer Muttersprache Fulfulde, hat sie fast in den Selbstmord getrieben. Ihr dritter Roman, der jetzt auf Deutsch unter dem Titel "Die ungeduldigen Frauen" vorliegt, kreist um "Munyal" als Thema und Leitmotiv. Wobei das deutsche Wort "Geduld" nicht im Entferntesten umfasst, was sich in Amals Kultur damit verbindet: Selbstbeherrschung bis zur Selbstaufgabe.

"Das heißt auch: du sollst dich klaglos unterwerfen", erklärt Amal: "Nach diesem Prinzip, das in der ganzen Sahel-Zone gilt, soll eine Frau nur existieren, um ihre Umgebung glücklich zu machen, sich opfern, damit es allen gut geht. Aber das Problem ist, dass sich nie irgendjemand gefragt hat, wie es ihr damit geht."

Buchcover: "Die ungeduldigen Frauen" von Djaili Amadou Amal
Ein Blick hinter die Konventionen: "Die ungeduldigen Frauen" von Djaili Amadou Amal

Und die Frauen selbst sollen auch nicht danach fragen. Aber genau das tun Amals Romanfiguren: Das Mädchen Hindou, die ihren gewalttätigen Cousin heiraten muss, ihre Schwester Ramla, die gegen ihren Willen mit einem viel älteren Mann verheiratet wird, und dessen erste Ehefrau Safira, die plötzlich mit einer Zweitfrau im Alter ihrer Tochter konfrontiert ist. Drei Innenansichten aus einem System, in dem Regeln Menschen brechen und nicht umgekehrt.

Dass alle drei als Ich-Erzählerinnen das Wort ergreifen, kommt einer Revolte nah in diesem Umfeld, in dem Schweigen Gold ist und Sprechen über den eigenen Schmerz ein Tabubruch.

Emotionale Erpressung

Djaïli Amadou Amal hat die Macht dieses Systems selbst erlebt. Sie stammt aus Maroua, im Norden Kameruns, rund 1300 Kilometer von der Hauptstadt Yaoundé entfernt. Mit 17 musste sie einen 55-jährigen Politiker heiraten. Was sie da empfunden hat? Ungerechtigkeit, sagt sie als erstes. "Bei diesen Zwangsheiraten wird nicht körperliche Gewalt angewendet wie in schlechten Fernsehfilmen. Das geht immer mit emotionaler Erpressung. Deine ganze Umgebung, die gesamte Familie überzeugt dich davon, dass du das akzeptieren musst, zu deinem eigenen Wohl, aber auch zu ihrem Wohl."

Eine Erpressung, die weibliche Solidarität unmöglich macht und Mütter dazu treibt, ihre Töchter in desaströse Ehen zu zwingen. So wie Amal ging es all ihren Freundinnen. "Der einzige Unterschied war: Ich hatte Bücher gelesen." Mit der Ehe kommen die Depressionen. Bulimie. Magersucht. Sie versucht zu fliehen. Und sich das Leben zu nehmen. "Ich war völlig verloren. Der einzige Moment, wo es mir gut ging, war, wenn ich ein Buch aufgemacht habe. Ich habe eine Leidenschaft entwickelt für alles, was weit weg war. Romane über das Mittelalter, die Türkei, Indien, China. Da konnte ich eine Heldin aus irgendeiner Epoche sein."

Überleben durch Schreiben

Eines Tages, Jahre später, nimmt sie ein Heft zur Hand. Schon immer hatte sie gezeichnet, Gedichte geschrieben. "Aber an diesem Tag lag da ein Stift, ich hab ihn genommen und angefangen zu schreiben. Nach einer Weile überkam mich eine gewisse Ruhe, ich fühlte mich besser. Das war vielleicht ein Überlebensinstinkt." Es dauert eine Weile, bis ihr klar wird, was sie da schreibt: "Ich habe mich geschrieben. Ich habe alles rausgelassen, was in mir war. Ich habe herausgeschrien, wie unglücklich ich war."

Dass sie gerade dabei war, ihr erstes Buch zu schreiben, war ihr da noch nicht bewusst. Aber es gab ihr die Kraft, sich aus der Ehe zu befreien. Zehn Jahre später wird sie sogar die Kraft finden, eine zweite Ehe mit einem gewalttätigen Mann hinter sich zu lassen. "Ich sage oft, die Literatur hat mich gerettet", konstatiert sie heute.

Portrait der Autorin Djaili Amadou Amal.
Machte sich durch das Schreiben frei: Djaili Amadou AmalBild: Patrice Normand

Inzwischen hat die Literatur sie ins internationale Rampenlicht gebracht, besonders durch ihren dritten Roman, der nun auf Deutsch vorliegt. 2017 in Kamerun erschienen, fand er die Aufmerksamkeit einer Pariser Verlegerin. Mit ihr brachte Amal eine überarbeitete Fassung heraus, die 2020 auf die Shortlist für den wichtigsten französischen Literaturpreis kam, den Prix Goncourt. Das war noch keiner Autorin aus Subsahara-Afrika gelungen. Dass sie am Ende den von einer Jugend-Jury vergebenen Prix Goncourt des lycéens erhielt, ist weit mehr als ein Trost. Denn er führte dazu, dass ihr Buch neuerdings Pflichtlektüre in Kameruner Schulen ist und der jungen Generation die Augen öffnet.

Die Rechte der Töchter

Neben ihrer Arbeit als Autorin engagiert sich Djaïli Amadou Amal in der feministischen Organisation "Femmes du Sahel", die Mädchen eine Schulbildung ermöglicht und den Zugang zu Büchern, der für sie selbst so lebensentscheidend war.

Zugleich gilt Amals große Sorge den Frauenrechten weltweit. "Ich erzähle zwar vom Sahel", sagt sie, "aber das ändert nichts daran, dass auch europäische, indische, amerikanische Frauen all diese Arten von Gewalt erleben." Und dann erinnert sie an die Folgen der Corona-Lockdowns weltweit: zunehmende Gewalt, noch mehr Frauenmorde. "Wir fallen bei jeder kleinsten Gelegenheit um Jahre zurück. Ich sage Mädchen auf der ganzen Welt: Eure Mütter und Großmütter mussten für das kämpfen, was euch gegeben scheint. Wenn ihr nicht aufpasst, werden eure Töchter eure Rechte nicht mehr haben."