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"A Silent Revolution" feiert Premiere

Elizabeth Grenier ad
26. Februar 2018

Frauen, die hinterm Steuer sitzen oder eine Firma leiten. Szenarien, die für Saudi-Arabien neu sind und ohne mutige Pionierinnen nicht denkbar wären. Im Dokumentarfilm "A Silent Revolution" kommen sie zu Wort.

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Regisseurin Danya Alhamrani und Produzentin Dania Nassief im Gespräch mit einem Mann.
Filmregisseurin Danya Alhamrani (links) und Produzentin Dania NassiefBild: Jördis Zähring

Zum ersten Mal überhaupt fanden am vergangenen Wochenende in Saudi-Arabien Opernaufführungen und ein Jazzfestival statt. Im Laufe des Jahres wird das konservative Königreich weitere Veränderungen erleben. Denn gemäß seinem Plan "Saudi Vision 2030" will der im Juni 2017 zum Kronprinz ernannte Mohammed bin Salman gleich eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen, um die vom Öl abhängige saudische Wirtschaft breiter aufzustellen. 

Aber auch Verbesserungen von Frauenrechten sind vorgesehen. So sollen Frauen ab Juni legal Auto fahren dürfen, schon seit Januar dürfen sie Sportereignisse in Stadien besuchen.

Der Dokumentarfilm "A Silent Revolution" ("Eine stille Revolution"), der präsentiert vom Festival "Film ohne Grenzen" seine Premiere in Berlin feierte, beinhaltet Interviews mit etwa 25 Frauen, die ganze Pionierarbeit in Saudi-Arabien geleistet haben - darunter einige der ersten saudischen Frauen, die an Olympischen Spielen teilnahmen, die erste Frau, die Herausgeberin einer nationalen Zeitung wurde, die erste saudische Frau, die Leiterin einer UN-Agentur wurde, sowie eine junge saudische Frau, die den Mount Everest bestieg - und viele mehr.

Danya Alhamrani und drei weitere Gesprächspartner auf der Bühne sitzend.
Danya Alhamrani (zweite von rechts) bei der Filmvorführung in BerlinBild: Jördis Zähring

Mit dem diskriminierenden saudischen System, in dem die Männer dominieren und das Frauen zahlreiche Beschränkungen auferlegt hat, setzt sich die Dokumentation allerdings nicht unmittelbar auseinander.

Die DW hat Filmregisseurin Danya Alhamrani und Produzentin Dania Nassief nach der Premiere ihres Dokumentarfilms in Berlin getroffen. Den beiden wurde als erste Frauen gestattet, ohne männlichen Geschäftspartner ein eigenes Unternehmen zu besitzen und zu führen.

Deutsche Welle: Wie haben Sie es geschafft, Filmregisseurin und Produzentin zu werden?

Danya Alhamrani (DA): Ich wollte mein ganzes Leben schon Filme machen, bereits seit meiner Kindheit. Aber es war ein langer Weg dorthin. Ich habe in den Vereinigten Staaten Filmwissenschaften studiert und für ein paar Jahre in der amerikanischen Industrie gearbeitet. Dann wurde mir klar, dass ich auch genauso gut mein eigenes Unternehmen gründen könnte. Zu dieser Zeit war Danya Mathematikerin und Logistikerin.

Dania Nassief (DN): Eigentlich wollte ich gerade mein eigenes Unternehmen im Bereich Eventmanagement gründen. Aber Danya sagte nein, wir müssten uns zusammentun, weil wir so gegensätzlich sind. Sie ist der kreative Part. Also starteten wir unser Projekt 2006, wobei wir darum kämpfen mussten, unsere Namen auf das Registrierungsformular zu bekommen. Denn damals gab es die Regelung, dass nur ein Mann ein Unternehmen führen darf. Wir schickten dann mehrere Briefe an das Ministerium, bis wir die entsprechende Erlaubnis erhielten.

DA: So wurde Dania Geschäftsführerin unserer Filmproduktionsfirma.

DW: Herzlichen Glückwunsch! Wie lange hat denn dieser Kampf gedauert?

DN: Das hat ein Jahr gedauert.

Hat diese Erfahrung Sie dazu inspiriert, den Film "A Silent Revolution" zu drehen?

DN: Dazu haben uns viele Erfahrungen inspiriert: Die Arbeit mit internationalen Unternehmen, darunter die BBC; die Feststellung, dass saudische Frauen falsch dargestellt wurden; die Fragen, die uns Leute über unsere Geschichte stellten... Wir wollten die Geschichten von saudischen Frauen erzählen, von ihren Kämpfen und Hürden, die sie zu nehmen haben.

Film Plakat: A Silent Revolution
Filmplakat von "A Silent Revolution"Bild: Eggdancer Productions

In Ihrem Film verweisen Sie auf die außergewöhnlichen Leistungen von Frauen, die es ganz nach oben geschafft haben - teils sogar im wörtlichen Sinne, nämlich bei Raha Moharrak, die als erste Saudi-Frau den Mount Everest bestiegen hat. Seitdem Sie den Film produziert haben, haben eine Reihe von Veränderungen stattgefunden, die die gesamte Bevölkerung betreffen. Könnten Sie uns darüber noch mehr erzählen?

DA: Was wirklich interessant ist, ist die Tatsache, dass aufgrund der Geschlechtertrennung in unserer Gesellschaft die meisten dieser Frauen nicht stufenweise von unten nach oben gingen, sondern direkt ganz oben begannen. So wurden sie sofort Geschäftsführerin, Universitätsdekanin, Chefärztin und Ähnliches. Denn sie waren Pionierinnen, die allerersten Frauen in ihrem Gebiet. Das hat alles mit der Segregation zu tun. Wenn Frauen in solchen Positionen benötigt wurden, erreichten sie von jetzt auf gleich Spitzenpositionen.

Freiheit hinterm Steuer

Die jetzigen Veränderungen betreffen die gesamte Gesellschaft, also auch Personen in Eingangspositionen. Während Frauen in den meisten Gesellschaften der Welt zunächst um das Recht kämpften, überhaupt arbeiten gehen zu dürfen oder in einfachen Jobs in Fabriken zu arbeiten, verlief das bei uns genau anders herum. Zuerst ging es ganz hinauf an die Spitze und jetzt geht es von dort aus langsam wieder hinunter.

Der von Kronprinz Salman initiierte Plan "Vision 2030" strebt die Verbesserung von Frauenrechten an. Was behindert außerdem wichtige Veränderungen?

DN: Ich denke nicht, dass es da Hindernisse gibt.

DA: (lacht) Das ist die Frage, die uns permanent gestellt wird. Das ist eine so stereotype Frage, weil sie genau widerspiegelt, was das westliche Publikum denkt. Überall auf der Welt gibt es irgendwelche Hindernisse. Veränderung in der Welt ist unvermeidbar. Das ist ganz natürlich. Aber es ist interessant zu sehen, wie die Leute Dinge als "große Hindernisse" ansehen, die wir überwinden müssen. Es ist doch so, dass es schon immer Hindernisse gegeben hat und auch weiterhin geben wird - aber wir machen einfach weiter mit unserem Leben.

DN: Ich habe das Gefühl, dass die westlichen Länder unbedingt wollen, dass wir genauso wie sie aussehen, dass wir kein Kopftuch tragen und ihren Lebensstil leben. Das ist aber nicht unbedingt das, was wir selbst wollen. Wir haben eine andere Kultur, wir haben eine andere Familienstruktur. Wir bedecken uns aus religiösen Gründen. Das wird uns nicht aufgezwungen, weder von unseren Familien, noch von unserer Regierung. Es ist unsere eigene Wahl. 

Im Laufe dieses Jahres werden Frauen auch Auto fahren dürfen. Hätten Sie sich früher jemals vorstellen können, dass Frauen eines Tages Auto fahren oder haben Sie da eher gar nicht drüber nachgedacht?

DA: Autofahren war nie ein Thema. Das war uns immer gleich!

DN: Autofahren war vielleicht für einige Frauen ein wichtiges Thema. Für andere wiederum war es wichtiger, bei einem Fußballspiel dabei sein zu dürfen. Verschiedene Dinge sind eben unterschiedlich wichtig für einzelne Frauen.

Frauen aus Saudi-Arabien im Stadion.
Im Januar durften erstmals auch Frauen ein Spiel der ersten saudischen Fußballliga aus nächster Nähe verfolgenBild: Getty Images/AFP/K. Sahib

Ich persönlich glaube, dass es beim Thema Frauenrechte viele Dinge gibt, über die man wütend werden könnte, nicht nur in Saudi-Arabien, sondern weltweit. Und trotzdem ist Ihr Film und die Art, wie Sie Dinge beschreiben, sehr positiv. Man bekommt den Eindruck, viele Dinge würden sich zum Guten ändern und dass das alles ganz einfach ist...

DA: Nein, einfach ist es nicht. Da wird es mit Sicherheit Hindernisse geben. Auch kulturellen Gegenwind haben wir schon erlebt. Als Mädchen zum ersten Mal zur Schule gingen, wollten sie etwa sicherstellen, dass sie nichts taten, was die Erzkonservativen verärgern könnte. Einige von ihnen erhielten sogar Todesdrohungen. Ich sage nicht, dass es keine Hindernisse gibt. Es ist nur so, dass wir schon so weit fortgeschritten sind, dass diese Hindernisse heute vielleicht nicht mehr so relevant sind. Vielleicht ist das naiv, aber wir stoßen nun mal nicht in unserem Alltag permanent auf Hindernisse. Insofern ist es schwer, sich vorzustellen, woraus diese bestehen könnten. Die Realität ist, dass wir so wie alle anderen leben.

Vielleicht ist diese Frage in Anbetracht des Themas von Ihrem Film naiv, aber betrachten Sie sich selbst als Feministinnen?

DA: Ich weiß nicht … ich unterstütze definitiv Frauen. Ich glaube zu 100 Prozent an gleiche Chancen für Frauen. Ist das Feminismus? Vielleicht. Dies ist eine meiner Lieblingsstellen im Film, bei der ich jedes Mal eine Gänsehaut bekomme: "Ich weiß nicht, ob ich zur Feministin werde oder nicht. Aber die Frauen in diesem Land sind mächtig - weil sie durchhalten". Das ist überall wahr. 

Jetzt, wo Kinos in Saudi-Arabien eröffnet werden, wird Ihr Film dort auch zu sehen sein?

Wahrscheinlich wird der Fokus eher auf Mainstream-Filmen liegen. Dokumentarfilme sind nicht so beliebt. Aber wir hoffen es natürlich. Das wäre toll!

Das Gespräch führte Elizabeth Grenier.