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Energieversorgung in der Klimakrise

21. Februar 2022

Ob Hitze oder Starkregen: Die Folgen des Klimawandels bedrohen unsere Energiesicherheit. Besonders risikoanfällig: Öl, Gas und Atomenergie. Was heißt das für die Zukunft?

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Ein Blitz zuckt hinter dem deutschen Kraftwerk Staudinger
Die Forschung prognostiziert mehr extreme Wetterlagen wie Gewitter als Folge der KlimakriseBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Ende Januar ergießen sich sinnflutartige Regenfälle über Teile des südamerikanischen Staates Ecuador.  Als Folge wird in der östlichen Provinz Napo im Amazonasgebiete eine Öl-Pipeline schwer beschädigt - tausende Liter Öl laufen aus und verseuchen Wasser und Böden.   

Zwei Menschen nehmen Proben aus einem ölverschmutzten Fluss in Piedra Fina, Ecuador
Rund eine Million Liter Erdöl liefen aus einer leckgeschlagenen Pipeline in den Amazonas-Regenwald in EcuadorBild: Ecuador's Ministry of Environment/AFP

"Der Unfall ist eine Katastrophe für die Umwelt. Aber eine weitere Folge ist: Das Erdöl fehlt auch für die Energiegewinnung", gibt Hans-Josef Fell zu bedenken, Gründer der Denkfabrik Energy Watch Group, die eine globale Umstellung auf erneuerbare Energien untersucht. "Die Folgen des Klimawandels, wie Starkregen oder Dürre, haben einen sehr heftigen Einfluss auf die Verfügbarkeit von konventionellen Energien", so Fell. 

Konventionelle Energie: geringe Resilienz bei Extremwetter    

Gerade der Energieträger Erdöl ist extrem risikoanfällig, wie die jüngste Häufung von Öl-Unfällen zeigt. Doch nicht nur auf Öl wirken sich die zunehmenden Extremwetterereignisse aus. So müssen Atomkraftwerke in Hitzephasen immer wieder gedrosselt werden, weil die Rückleitung von Kühlwasser aus den AKW in die Flüsse das Flusswasser zu stark weiter erhitzen würde . So musste Frankreich im Hitzesommer 2018 gleich vier Reaktoren abschalten, in Deutschland stand das AKW Grohnde in Niedersachsen kurz vor der Abschaltung. Atomkraftwerke am Meer haben dieses Problem zwar nicht, für sie könnte aber der steigende Meeresspiegel bedrohlich werden.  

Ausgetrocknete Erde im Flussbett des Rheins bei Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen, Deutschland
An vielen Stellen war der Rhein im Sommer 2018 nicht mehr schiffbarBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Das extreme Niedrigwasser des Rheins im Sommer 2018 ließ die Preise für Heizöl stark steigen - wie viele andere Güter konnte das Öl schlicht nicht mehr über den gesamten Fluss per Schiff transportiert werden.  

Extreme Trockenheit schadet auch der Wasserkraft stark. Das hat global Konsequenzen: So trockneten durch lange Hitzeperioden im Sommer 2021 in den USA und in vielen Teilen Lateinamerikas zahlreiche Speicherseen nahezu aus. Das Wasserkraftwerk am Lake Mead, nahe der US-Metropole Las Vegas, produzierte etwa im Juli 2021 ein Viertel weniger Strom als üblich. 

Laut einer Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI) führte die geringe Stromerzeugung aus Wasserkraft in Lateinamerika 2021 zu einer hohen Nachfrage an Flüssiggas aus den USA. Das Gas wurde auf dem amerikanischen Kontinent statt nach Europa verkauft - und fehlt im aktuellen Winter in den europäischen Gasspeichern.   

Ein Kajafahrer paddelt auf dem extrem niedrigen Lake Oroville in Kalifornien
Extremes Niedrigwasser am Lake Oroville in Kalifornien im Sommer 2021Bild: Ethan Swope/AP Photo/picture alliance

Wegen Starkregen und Überflutungen in Indonesien, schweren Stürmen in Australien und den USA sowie Überflutungen in China wurde 2021 ausserdem weniger Kohle gefördert, so die Studie. Dadurch sei die Nachfrage nach Gas und in der Folge auch die Gaspreise noch weiter gestiegen. 

Finanzbranche investiert in Wind- und Sonnenkraft   

"Im Gegensatz zu fossiler Energie ist die Stromerzeugung mit Wind- und Solarkraft resilienter gegenüber Wetterextremen und damit krisensicherer," sagt der Portfoliomanager Tim Bachmann. Er verwaltet den Fonds für saubere Technologien beim Vermögensverwalter DWS Group. Der Fonds investiert vor allem in nachhaltige Energiegewinnung und effiziente Energienetze.  

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Die dezentrale Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie habe sich als Vorteil bei Extremwetterlagen erwiesen, so Bachmann. "Deswegen haben viele große Firmen in den USA, darunter Internetkonzerne, Automobilhersteller und andere, langfristige Stromverträge mit Betreibern von Wind- und Solarparks abgeschlossen." Auch gebe es bei der Wind- und Sonnenkraft viel weniger Logistikprobleme, erklärt der Fondsmanager.  

Denn aus Wind und Sonne wird der Strom direkt erzeugt. Dagegen müssen Kohle, Öl, Gas oder Uran erst zu den Kraftwerken transportiert und dort in Energie umgewandelt werden. Auf dem Weg zu den Kraftwerken aber lauern Transportrisiken. 

Wie klimasicher ist die Windkraft?  

Doch was ist mit den Risiken durch Extremwetter für die Windkraft oder Photovoltaik - etwa wenn Wirbelstürme über Windparks fegen?  

Hier sei eine möglichst dezentrale Verteilung der Anlagen wichtig, erklärt Martin Dörenkämper, Leiter der Abteilung Standortbewertung des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES. Müssten etwa Anlagen im Norden vom Netz gehen, könnten Anlagen in anderen Regionen die Differenz ausgleichen.   

Ein Lotsenboot passiert den Windpark am Wybelsumer Polder im niedersächsichen Emden, Deutschland
Zieht ein Sturm über Offshore-Anlagen können Windkraftanlagen an der Küste sich meist weiterdrehenBild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

"Und selbst bei einem starken Wintersturm müssen nur die Windkraftanlagen im Kern des Sturms abgeschaltet werden, nicht aber diejenigen, die am Rand des Windfeldes liegen. Moderne Windkraftanlagen halten selbst hohen Windgeschwindigkeiten Stand", sagt Dörenkämper. Derzeit werde an Windtoleranzen bis zu 200 Stundenkilometern gearbeitet. Ansonsten seien die Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel gering. Wo die Winter durch die Erderwärmung feuchter würden, wie in Skandinavien, müsse man die Anlagen beheizen, um Eisbildung zu verhindern. In Hitzeperioden sei stärkere Kühlung nötig.   

Photovoltaik trotzt auch Hagelkörnern 

Bei der Energieerzeugung aus Sonnenkraft scheinen die Risiken durch die Folgen der Klimakrise nach derzeitigen Erkenntnissen ebenfalls überschaubar. Um stärkeren Stürmen standzuhalten, müssten die Unterkonstruktionen und Rahmen künftiger Anlagen verstärkt werden, genauso wie das Glas der Solarmodule, sagt Harry Wirth, zuständig für photovoltaische Module und Kraftwerke beimFraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. All das sei aber technisch machbar. 

Ein Monteur steht in einem Photovoltaik-Park in Deutschland
Photovoltaikanlagen müssen im Zeiten des Klimawandels an heftigere Stürme und stärkeren Hagelschlag angepasst werdenBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Auch auf stärkeren Hagelschlag - laut Rückversicherer Munic Re eines der bereits jetzt schon durch den Klimawandel deutlich erhöhten Risiken in Europa - würden die Solaranlagen vorbereitet, so Wirth. "Dazu werden die Module im Labor mit künstlichem Hagel beschossen und getestet. Inzwischen werden dabei Hagelkörner von mindestens 2,5 und bis zu fünf Zentimetern Durchmesser verwendet."   

Hitzebeständige Hochspannungsseile 

Sowohl für konventionell wie erneuerbar erzeugten Strom gilt: Er muss dorthin gebracht werden, wo er gebraucht wird - in Privathaushalte, Kommunen oder Industrieunternehmen. Auch das Stromnetz muss daher den Risiken der Klimakrise trotzen.

Ein Windrad steht neben Hochspannungsleitungen im Sonnenuntergang in der Nähe von Seligenstadt in Bayern, Deutschland
Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren stellt die Netze vor große HerausforderungenBild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

Mathias Fischer ist Pressesprecher des Stromnetzbetreibers Tennet. Der Konzern betreibt das komplette niederländische Hochspannungsnetz und ist größter Netzbetreiber in Deutschland. "Um das Netz fit zu machen für die Anforderungen, die durch die Energiewende entstehen, setzen wir verstärkt auf sogenannte Hochtemperaturleiterseile für die Strommasten. Sie können heißer werden als die herkömmlichen Leitungen, ohne sich zu biegen", erklärt Fischer.

Knackpunkt der Erneuerbaren: Netzstabilität und Speicherung 

"Die größte Herausforderung in Zeiten der Energiewende ist für die Branche, die Frequenz des Stromnetzes gleichbleibend auf 50 Hertz zu halten", sagt Fischer. Dies sei mit den konventionellen Kraftwerken einfacher, denn sie könnten immer dann hochfahren, wenn Strom benötigt werde - und pausieren, wenn schon genügend Strom im Netz sei. Mit vielen dezentralen Anlagen, die je nach Wind- und Sonnenmenge unterschiedlich viel Energie erzeugten, sei das komplizierter, erklärt der Tennet-Sprecher.  

Infografik Wasserstoff: Ein Energieträger mit Zukunft DE

Darum sei in Zeiten der Klimakrise zum einen der Netzausbau wesentlich, um große Mengen an Offshore-Windkraft in Regionen mit hohem Strombedarf zu transportieren. Zum anderen müssten rasch die Speichermöglichkeiten für erneuerbare Energie aufgebaut werden, etwa in Form von grünem Wasserstoff. 

Der kann jederzeit in Energie umgewandelt werden, wenn Strom benötigt wird. In Wasserstoff gespeichert, ist erneuerbar produzierte Strom allerdings dann wieder anfälliger für die Folgen des Klimawandels - denn Stürme, Überflutungen oder Hitze können auch für Wasserstofftanks oder - pipelines zum Risiko werden. 

DW-Redakteurin Jeannette Cwienk
Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin mit Fokus auf Klima- und Umweltthemen