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Weiteres Gurlitt-Bild als Raubkunst identifiziert

25. Oktober 2017

Ein winziges Loch im Gemälde hat die Experten auf die richtige Spur gebracht: Enteigneter Eigentümer war der jüdische Politiker Georges Mandel. Nun kann das Bild des französische Malers Thomas Couture restituiert werden.

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Porträt einer jungen Frau des Künstlers Thomas Couture
Bild: picture alliance/dpa/Kunst- und Ausstellungshalle GmbH/M. Vincenz

Die Meldung ist wie ein Prolog zu der mit Spannung erwarteten Doppel-Ausstellung von millionenschweren Bildern aus dem Gurlitt-Kunstfund in Bonn und Bern Anfang November: Am Mittwoch (25.10.2017) meldet das Projekt "Provinienzrecherche Gurlitt", dass ein weiterer Fall von NS-Raubkunst identifiziert werden konnte. Das "Porträt einer sitzenden jungen Frau" des französischen Malers Thomas Couture hat sich als NS-Raubkunst herausgestellt.

Wie ein Krimi

"Das ist ein besonders aufregender Fall, weil unser wichtigstes Indiz ein winziges, repariertes Loch in der Leinwand war", sagte Andrea Baresel-Brand, Leiterin des Gurlitt-Forschungsprojekts, der Deutschen Presse-Agentur. "Das Bild stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung des früheren französischen Ministers Georges Mandel, dessen Familie Anspruch auf das Werk erhoben hat."

Jüdischer Politiker Georges Mandel (Foto: picture-alliance/dpa/United Archives/TopFoto)
Beraubt: der jüdische Politiker Georges Mandel Bild: picture-alliance/dpa/United Archives/TopFoto

Der jüdische Politiker gehört zu den berühmtesten Opfern des Nazi-Regimes in Frankreich. Er lehnte sich während der deutschen Besatzung vehement gegen die NS-Machthaber auf. 1941 wurde er als angeblicher Kriegstreiber zu lebenslanger Haft verurteilt, kam als "Ehrenhäftling" in deutsche Lager und wurde 1944 von französischen Milizen im Wald von Fontainebleau ermordet.

Ein kleines Detail

Seine langjährige Lebensgefährtin, die bekannte französische Schauspielerin Béatrice Bretty, meldete den Behörden nach dem Krieg den Verlust mehrerer Gemälde, darunter auch des Frauenporträts. "Loch in der Mitte der Brust - Reparatur sichtbar", stand handschriftlich neben dem Eintrag.

Bestandsaufnahme Gurlitt
Genau hingeschaut: Mitarbeiter der Bundeskunsthalle bei einer Pressepräsentation von Werken aus dem Gurlitt-Fund 2017Bild: Picture alliance/dpa/H. Kaiser

Die kleine handschriftliche Notiz brachte die Provenienzforscher auf die Spur. Mithilfe der Restauratorinnen der Bundeskunsthalle, wo sich das Bild im Zuge der Ausstellungsvorbereitung für die "Bestandsaufnahme Gurlitt" befindet, wurde das Bild erneut penibel untersucht und so entdeckt, dass sich auf Brusthöhe ein repariertes Loch befindet. "Wir halten es für höchst unwahrscheinlich, dass ein weiteres Frauenporträt von Thomas Couture existiert, das ein repariertes Loch auf Brusthöhe hat", sagt Baresel-Brand.

Raubkunst in Doppelaustellung in Bonn und Bern

Kunstmuseum Bern Gurlitt Konvolut Presse
Werke der Gurlitt-Sammlung bei Pressekonferenz im Berner Kunstmuseum im JuliBild: picture-alliance/Keystone/M. Lopez

Die Forscher gehen davon aus, dass das Bild dem Eigentümer während der deutschen Besatzungszeit geraubt wurde. Damit hat sich bei bisher insgesamt sechs Bildern aus Gurlitts Nachlass der Verdacht auf NS-Raubkunst erhärtet. Auf das Couture-Gemälde aus dem Nachlass von Cornelius Gurlitt wurde ein Herausgabeanspruch angemeldet. Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte: "Ich hoffe sehr, dass dieses Werk schnell an die Nachkommen der ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden kann."

Die Entdeckung des riesigen Kunstschatzes von Cornelius Gurlitt in München und Salzburg hatte international für Aufsehen gesorgt. 2012 waren in der Schwabinger Wohnung des Eigenbrötlers rund 1280 Kunstwerke beschlagnahmt worden. Später tauchten weitere 238 Werke in seinem Haus in Salzburg auf. Die Sammlung galt schon früh als verdächtig, weil Gurlitts Vater Hildebrand zu den offiziellen Kunstankäufern der Nazis gehörte.

Provenienzrecherche dauert an

Das Projekt "Provenienzrecherche Gurlitt" geht seit Anfang 2016 der noch offenen Geschichte von gut tausend Bildern nach. "Wir werden auch bis zum Projektende im Dezember nicht annähernd alle Fragen klären können", sagt Baresel-Brand. "Aber wir haben getan, was wir konnten. Mehr gibt die Quellenlage derzeit nicht her." Der Fund wird ab Anfang November in einer Doppelausstellung im Kunstmuseum Bern und in der Bundeskunsthalle Bonn erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. 

jhi/pj (dpa/kulturgutverluste.de/lostart.de)