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Venedigs Biennale ist weiblich

10. Juni 2005

Die "Mutter aller Kunst-Biennalen" hat die Weiblichkeit entdeckt. Bei der 51. Schau internationaler Gegenwartskunst in Venedig geht es vor allem um Sex, Liebe und Körpergefühl – sprich: Tampon-Figuren und OP-Videos.

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Lesen, dabei pfeifen - auch das ist ausstellungsreifBild: AP

"Die Biennale ist eine alte Dame, die noch sehr stramm geht", befindet der Kurator des deutschen Beitrags, Julian Heynen. Die erste Ausstellung der Gegenwartskunst in Venedig fand immerhin bereits 1895 statt. In diesem Jahr hat Biennale-Präsident Davide Croff sie zum ersten Mal in die Hände zweier Frauen gelegt, nämlich die des spanischen Kuratorinnen-Duos María de Corral und Rosa Martínez. Auch unter den eingeladenen Künstlern sind Frauen ungewöhnlich stark vertreten: 38 von 91.

Riesig und provokativ

51. Biennale in Venedig Kunstbiennale
Der italienische Pavillon mit einer Installation der Britin Rachel WhitereadBild: AP

Im Ganzen ist die Zahl der Künstler überschaubar, was aber nicht heißt, dass Berühmtheiten wie Marlène Dumas oder Francis Bacon fehlen würden. Bacons riesige "Studies of the Human Body" nehmen sogar einen ganzen Saal ein. Die Biennale ist über die ganze Stadt verteilt, hat ihre Schwerpunkte aber in den früheren Werfthallen des Arsenale und im Park "Giardini della Biennale".

An Provokation fehlt es nicht. Am Eingang zu den früheren Werfthallen (die sind immerhin 9000 Quadratmeter groß) hängt ein monströser Kronleuchter. Die Installation der Portugiesin Joana Vasconcelos heißt "A Noiva" (die Braut) – und ist komplett aus Tampons gebaut. Das soll die sexuelle Freizügigkeit der modernen Frau unterstreichen. Ein paar Säle weiter können die Besucher zwei Kunst-Videos von Regina José Galindo aus Guatemala ansehen – sie zeigen, wie sich Galindo in einer chirurgischen Operation ihr Jungfernhäutchen wiederherstellen lässt.

Geld, Kraft und hohe Säule

51. Biennale in Venedig Kunstbiennale
Die Künstler Gilbert und George vor ihrem Werk "Ginkgo Pictures" im britischen PavillonBild: AP

Die amerikanische Konzeptkünstlerin Barbara Kruger setzt dagegen mehr auf riesige Textcollagen. Auf die Front des "Pavillons Italia" schrieb sie die Worte "Money" und "Power" und die Botschaft: "You make history when you do business." Kruger hat 2005 für ihr Lebenswerk den Ehrenlöwen erhalten. Ansonsten wetteifern 73 Länderpavillons um den "Goldenen Löwen" für den besten Beitrag.

51. Biennale in Venedig Kunstbiennale
Pascale Marthine Tayou aus Kamerun vor seiner Installation aus Plastiktüten - zu sehen auf der 51. BiennaleBild: AP

Als "Special Project" bekommt Venedig während der Schau (bis 6.11.2005) eine besondere Beleuchtung: Am Eingang der "Giardini della Biennale" ließ der Italiener Fabrizio Plessi eine 40 Meter hohe Metallsäule installieren, die Licht auf die Lagunenstadt werfen soll, als Symbol für die Reise ins Unbekannte.

Vergängliches aus Deutschland

51. Biennale in Venedig Kunstbiennale Thomas Scheibitz
Pascale Marthine Tayou aus Kamerun vor seiner Installation aus Plastiktüten - zu sehen auf der 51. BiennaleBild: dpa - Report

Dagegen haben die deutschen Vertreter nicht nur auf Monströses, sondern auch auf Vergängliches gesetzt. Sobald ein Besucher hereinkommt, lässt Tino Seghal zwei Männer und zwei Frauen springend und tanzend durch den Pavillon Germania laufen. Dabei skandieren die blau-weiß gekleideten Gestalten "This is so contemporary". "Seine Kunst existiert nur in dem Moment, in dem sie ausgelöst wird", sagt Kurator Julian Heynen über Seghal. Der 1976 geborene Künstler ist der jüngste, der je in dem 1938 gebauten und 220 Quadratmeter großen deutschen Pavillon vertreten war. Mit dem Verweis auf Einmaligkeit will Seghal nicht, dass seine Inszenierungen fotografiert oder gefilmt werden.

Als Gegenpol zu dieser Flüchtigkeit hat Heynen das gigantische Skulpturen-Ensemble "Der Tisch, der Ozean und das Beispiel" sowie sieben Bilder von Thomas Scheibitz (27) ausgestellt. Die beiden Künstler haben seit September 2004 ihren gemeinsamen Auftritt geprobt. (reh)