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Politik

Tiefe Sorgenfalten wegen Ukraine und Russland

16. April 2021

Deutschland und Frankreich intensivieren ihre Bemühungen zur Konfliktentschärfung im Osten Europas. Doch vor allem in Moskau ist von Einsicht oder gar Deeskalation nicht viel zu spüren - im Gegenteil.

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Die Präsidenten Emmanuel Macron (r.) und Wolodymyr Selenskyj bei der Videokonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel
Die Präsidenten Emmanuel Macron (r.) und Wolodymyr Selenskyj bei der Videokonferenz mit Kanzlerin Angela MerkelBild: Anne-Christine Poujoulat/AFP/dpa/picture alliance

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich zu Friedensgesprächen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin über die jüngsten Spannungen bereiterklärt. Er halte Vier-Parteien-Gespräche dazu für realistisch, sagte er nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. Auch ein getrenntes Gespräch zwischen Putin und US-Präsident Joe Biden könne helfen.

Berlin: "Sehen nicht, dass Russland konstruktiv einsteigt"

Angesichts des jüngsten russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine bemühen sich Deutschland und Frankreich verstärkt um einen Abbau der Spannungen. Nach dem Gespräch von Macron und Selenskyj fand auch noch eine Videokonferenz gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel statt.

Dabei forderte Merkel Russland auf, seine Truppen entlang der ukrainischen Grenze abzuziehen. Nur so könne eine Deeskalation der Lage erreicht werden,  gab Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin die Haltung seiner Chefin wieder. Macron schloss sich dieser Forderung an.

Seit knapp sieben Jahren werden Teile der Gebiete Luhansk und Donezk entlang der russischen Grenze in der Ostukraine von moskautreuen Separatisten kontrolliert. Mehr als 13.000 Menschen wurden UN-Schätzungen zufolge seitdem getötet.

Eskaliert der Konflikt mit der Ukraine?

Ergänzend betonte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes, die Bundesregierung bemühe sich im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), von Russland Erklärungen zu den jüngsten, großangelegten Truppenbewegungen zu erlangen. "Wir sehen bisher nicht, dass Russland konstruktiv in diesen Gesprächsrahmen eingestiegen ist", betonte sie.

Selenskyj rief die europäischen Partner einmal mehr zu deutlicheren Zeichen der Solidarität auf: Die Ukraine könne nicht "auf unbestimmte Zeit im Wartesaal der EU und der NATO bleiben", sagte er der französischen Zeitung "Le Figaro". Angesichts der "gewaltigen Aggression" Russlands gegen sein Land müsse die Ukraine eine "Einladung zum Beitritt" erhalten. Die NATO hatte Kiew angesichts der russischen Truppenmassierung ihre Unterstützung zugesichert. Einen Beitritt des Landes zur Militärallianz inmitten des ungelösten Ostukraine-Konflikts sieht aber nicht nur Berlin mit großer Skepsis.

Moskau: Ukraine muss "Provokationen" stoppen

Moskau wiederum appellierte an Deutschland und Frankreich, Kiew zur Einhaltung des vereinbarten Waffenstillstands in der Ostukraine zu drängen. Merkel und Macron sollten ihren Einfluss nutzen, um Selenskyj zum Stopp aller "Provokationen" der Ukraine entlang der Frontlinie zu bewegen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. In der Ostukraine gibt es seit 2014 Kämpfe zwischen pro-russischen Separatisten und der ukrainischen Armee, rund 13.000 Menschen wurden getötet.

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj bei einer Pressekonferenz an der Botschaft seines Landes in Paris
Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj bei einer Pressekonferenz an der Botschaft seines Landes in Paris Bild: Lewis Jolly/AP Photo/picture alliance

Deutschland und Frankreich vermitteln seit Jahren im sogenannten Normandie-Format zwischen Moskau und Kiew. Im Dezember 2019 war es in Paris erstmals zu einem Treffen zwischen Putin und Selenskyj gekommen. Hoffnungen auf eine deutliche Annäherung und einen Folgegipfel erfüllten sich jedoch nicht.

Russland will Bereiche des Schwarzen Meeres bis Oktober sperren

Russland kündigte unterdessen an, im Schwarzen Meer ein Manöver abzuhalten und dafür bestimmte Seegebiete abzusperren. Demnach soll wegen der Übung der Marine vom 24. April an ein Teil des Schwarzen Meeres entlang der von Russland 2014 einverleibten ukrainischen Halbinsel Krim gesperrt sein. Ausländische Kriegsschiffe und andere staatliche Schiffe dürften dieses Gebiet etwa von der Krim-Stadt Sewastropol bis nach Gursuf dann nicht mehr passieren, Frachtschiffe dagegen schon. Die betroffenen Stellen lägen in russischen Hoheitsgewässern, hieß es in Moskau weiter. Der Anspruch Russlands auf die Gebiete ist aber nicht international anerkannt.

Von der bis Ende Oktober geplanten Sperrung sei die Schifffahrt durch die Meerenge von Kertsch an der Krim aber nicht betroffen, meldete ergänzend die russische Staatsagentur Ria Nowosti unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Aus der EU und der Ukraine kam dennoch Kritik. Ein ranghoher EU-Beamter sprach von einer "äußerst besorgniserregenden Entwicklung". Seinen Worten zufolge ist davon auszugehen, dass die im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verankerten Durchfahrtsrechte eingeschränkt und die internationale Schifffahrt behindert würde.

Kiew: Russland behindert ukrainische Schiffe 

Russland müsse die freie internationale Durchfahrt zu den Häfen des Asowschen Meeres garantieren, forderte das Außenministerium in Kiew. Moskau gehe zu einer "verstärkten Eskalation im Meer über". Nach Darstellung der ukrainischen Marine haben Boote des russischen Küstenschutzes im Asowschen Meer - es grenzt an das Schwarze Meer an - Schiffe der ukrainischen Flotte behindert. In ukrainischen Medien war von der Androhung eines Waffeneinsatzes als Gegenmaßnahmen die Rede.

November 2019: Ein russisches Küstenwachenboot hat ein ukrainisches Marineschiff im Schlepptau
November 2019: Ein russisches Küstenwachenboot hat ein Marineschiff der Ukraine im SchlepptauBild: Reuters/A. Dmitrieva

Der Konflikt erinnert an einen Zwischenfall vom November 2018, als zwei ukrainische Militärschiffe beim Versuch der Durchfahrt durch die Meerenge von Kertsch von der russischen Küstenwache aufgebracht worden waren. Die 24 festgenommenen ukrainischen Matrosen kehrten erst nach dem Amtsantritt von Präsident Selenskyj im Zuge eines Gefangenenaustauschs im September 2020 in ihre Heimat zurück. Die Meerenge von Kertsch gilt als internationales Gewässer.

sti/kle (afp, dpa, rtr)