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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Wladimir Putin beschuldigt Westen erneut

18. Juni 2023

Den Besuch einer Delegation aus Afrika und deren Friedensvorschläge nutzt der Kremlchef, um die Schuld am Einmarsch in der Ukraine von sich zu weisen. Zugleich lobt er den "Ansatz" der Afrikaner. Ein Überblick.

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Präsident Wladimir Putin hat seine ganz eigene Sicht auf den Ukraine-Krieg, nach offizieller russischer Sprachregelung weiter eine "militärische Spezialoperation"Bild: Evgeny Biyatov/RIA Novosti/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Putin lobt Friedensinitiative der Afrikaner und kritisiert sie zugleich
  • Kremlsprecher rechnet mit endgültigem Aus für Getreideabkommen
  • Selenskyj dankt Deutschland ausdrücklich für Militärhilfe
  • Zahl der Toten nach Bruch von Kachowka-Staudamm auf 45 gestiegen
  • Biden gegen Vorzugsbehandlung der Ukraine bei möglichem NATO-Beitritt

 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei einem Treffen mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs in St. Petersburg den "ausbalancierten Ansatz der afrikanischen Freunde in der Ukraine-Krise" gelobt. Prinzipiell sei er zu Friedensgesprächen bereit. Dann wies er aber wesentliche Teile der afrikanischen Friedensinitiative zurück.

Putin und seine Sicht der Dinge

Putin unterbrach die Eröffnungsreden der afrikanischen Delegation, um mehrere Gründe vorzutragen, warum er viele ihrer Vorschläge für "fehlgeleitet" hält, und nutzte die Gelegenheit, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Putin erklärte, Russland sei offen für einen konstruktiven Dialog mit jedem, der Frieden auf Grundlage legitimer Interessen schaffen wolle. Darunter versteht die russische Regierung, dass die Annexion von fünf ukrainischen Regionen anerkannt werden muss.

Dann wiederholte Putin seine Ansicht, dass die Ukraine und der Westen den Konflikt ausgelöst hätten - lange bevor Russland in die Ukraine einmarschiert sei. Er gab zudem dem Westen die Schuld für den weltweiten Anstieg der Lebensmittelpreise. Putin sagte den afrikanischen Delegierten, das internationale Getreideabkommen löse die Probleme afrikanischer Länder mit hohen globalen Lebensmittelpreisen nicht. Grund sei, dass nur drei Prozent der ukrainischen Getreideexporte an die ärmsten Länder geliefert würden.

Peskow rechnet mit Aus für Getreideabkommen

Fast zeitgleich zu Putins Statement in St. Petersburg kündigte sein Regierungssprecher Dmitri Peskow an, das Getreideabkommen werde höchstwahrscheinlich nicht verlängert. Wenn man die gegenwärtigen Umstände betrachte, habe das Abkommen keine Chance, sagte er der Zeitung "Iswestia".

Russland | Dmitri Peskow
Putins Sprachrohr: Kremlsprecher Dmitri PeskowBild: Valery Sharifulin/TASS/dpa/picture alliance

Der Getreidedeal zwischen Russland und der Ukraine wurde im vergangenen Sommer unter Vermittlung der UN und der Türkei abgeschlossen und beendete mehrere Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs Moskaus Seeblockade ukrainischer Häfen. Das Abkommen wurde mehrfach verlängert, zuletzt aber nur noch für jeweils zwei Monate. Die aktuelle Verlängerung gilt bis zum 18. Juli. Es sieht im Kern vor, dass ukrainisches Getreide durch das von Russland beherrschte Schwarze Meer transportiert werden darf. Die Ukraine zählt zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Viele afrikanische Länder sind dringend auf Getreidelieferungen angewiesen.

Ramaphosa: "Dieser Krieg muss enden"

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs aus dem Senegal, Ägypten, Sambia, Uganda, der Republik Kongo und den Komoren nach St. Petersburg gereist ist, forderte, alle Hindernisse für eine Verlängerung des Getreideabkommens aus dem Weg zu räumen.

Russland Petersburg Cyril Ramaphosa bei Putin
Wladimir Putin mit Cyril Ramaphosa, dem Verhandlungsführer der afrikanischen DelegationBild: Ramil Sitdikov/TASS/dpa/picture alliance

Im Zuge ihrer Friedensinitiative hat die Delegation aus Afrika nach eigenen Angaben einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet. Darin schlagen die Beteiligten unter anderem eine Feuerpause und vertrauensbildende Maßnahmen als ersten Schritt zur Beendigung des Krieges vor. "Dieser Krieg muss enden", forderte Ramaphosa bei dem Treffen mit Putin in St. Petersburg, wie auch am Tag zuvor in Kiew. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnt Verhandlungen mit Russland zum jetzigen Zeitpunkt ab.

Selenskyj dankt für Militärhilfe

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei westlichen Partnern für die anhaltende Militärhilfe bedankt. In seiner täglichen Videoansprache nannte er ausdrücklich Deutschland, das gerade erst die Lieferung von 64 weiteren Lenkflugkörpern für Luftverteidigungssysteme vom Typ Patriot an das angegriffene Land angekündigt hatte. "Deutschland, danke (...) für die unveränderte Stärke beim Schutz von Leben vor dem russischen Raketenterror", sagte der Staatschef.

Ukraine Krieg | Videoansprache des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj
Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich täglich per Video an die Ukrainer und die WeltöffentlichkeitBild: Presidential Office of Ukraine

Zahl der Toten nach Bruch von Kachowka-Staudamm steigt

Knapp zwei Wochen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine ist die Zahl der Todesopfer durch die dadurch ausgelösten Überschwemmungen auf mindestens 45 gestiegen. Das ukrainische Ministerium für innere Angelegenheiten sprach am Samstagabend von 16 Getöteten und 31 Vermissten. Die von Moskau eingesetzten Behörden in den russisch besetzten Gebieten der Region hatten kurz zuvor 29 Todesopfer vermeldet.

Ukraine Hola Prystan Leichenbergung nach Kachowka  Dammbruch
Helfer bergen in den Überflutungsgebieten unterhalb des geborstenen Kachowka-Staudamms LeichenBild: Alexander Ermochenko /REUTERS

Der in russisch besetztem Gebiet liegende Staudamm am Fluss Dnipro war am 6. Juni teilweise zerstört worden, riesige Mengen Wasser traten aus und überschwemmten weitflächige Gebiete.

Suche nach der Dammbruch-Ursache dauert an

Die "New York Times" legt in einem Bericht nahe, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudamms verantwortlich sein dürfte. Es gebe Hinweise, die klar darauf hindeuteten, "dass der Damm durch eine Explosion lahmgelegt wurde, die von der Seite ausgelöst wurde, die ihn kontrolliert: Russland". Die Zeitung beruft sich auf Ingenieure und Sprengstoffexperten.

Bildergalerie Ukraine Kachowka Staudamm Überflutungen
Riesige Flächen standen nach dem Bruch des Kachowka-Damms unter WasserBild: Libkos/AP Photo/picture alliance

Den Fachleuten zufolge könne aber nur eine vollständige Untersuchung des Damms ergeben, welche Abfolge von Ereignissen zu der Zerstörung geführt habe. Auch Erosion durch Wasser "könnte zu einem Versagen geführt habe", sofern der Damm schlecht konstruiert oder der Beton minderwertig gewesen sein sollte. "Aber Ingenieure hielten das für unwahrscheinlich", heißt es in dem Bericht. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, für die Zerstörung verantwortlich zu sein. 

Biden gegen NATO-Vorzugsbehandlung der Ukraine

Die Ukraine kann in ihrem Bemühen um einen NATO-Beitritt nach Angaben von US-Präsident Joe Biden nicht auf eine Vorzugsbehandlung hoffen. Die Ukraine müsse alle für den Beitritt nötigen Kriterien erfüllen, sagte Biden: "Wir werden es also nicht einfach machen."

Die Ukraine drängt ihre westlichen Unterstützer seit geraumer Zeit zu einer engeren Anbindung und späteren Aufnahme in die NATO. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte eigentlich gehofft, dass sein Land beim Gipfeltreffen des Militärbündnisses in Litauen am 11. und 12. Juli eine offizielle Beitrittseinladung erhält. Diesen Bestrebungen erteilte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg aber am Freitag eine Absage. Stattdessen soll ein neuer NATO-Ukraine-Rat eingerichtet werden, der beim Gipfel in Vilnius zum ersten Mal tagen soll.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg glaubt, dass die Zukunft der Ukraine in der NATO liegt. Aber die Priorität sei jetzt, dass die Ukraine sich durchsetze als souveräner und unabhängiger Staat "andernfalls besteht keine Möglichkeit, über eine Mitgliedschaft zu diskutieren", sagte Stoltenberg der "Welt am Sonntag".

London spricht von hohen Verlusten auf beiden Seiten

Bei den heftigen Kämpfen in der Ukraine erleiden nach Einschätzung britischer Geheimdienste sowohl die ukrainische als auch die russische Seite derzeit hohe Verluste. Das geht aus einem am Sonntag veröffentlichten Bericht des britischen Verteidigungsministeriums hervor. Die russischen Truppen hätten in den vergangenen Tagen wahrscheinlich die schwersten Verluste seit der Schlacht um die Stadt Bachmut im März hinnehmen müssen.

UK London | Gebäude Verteidigungsministerium
Das Gebäude des britischen Verteidigungsministeriums in LondonBild: Alistair Laming/IMAGO

Demnach finden die intensivsten Kämpfe im Oblast Saporischschja, im Westen des Oblasts Donezk und rund um Bachmut statt. "In allen diesen Gebieten ist die Ukraine weiterhin in der Offensive und hat kleine Vorstöße gemacht", heißt es weiter. Im Süden gelängen Russland hingegen oft relativ erfolgreiche "Defensiveinsätze". Das Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen das Nachbarland vor bald 16 Monaten täglich einen Bericht. Moskau wirft London Desinformation vor. 

qu/wa/haz/kle (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.