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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: UN werfen Russland Blockade von Hilfen vor

19. Juni 2023

Russland verweigert UN-Vertretern den Zugang zu den Überschwemmungsgebieten am geborstenen Kachowka-Staudamm. Deutscher Brigadegeneral ruft zu Zurückhaltung bei Beurteilung der ukrainischen Offensive auf. Ein Überblick.

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Ukraine Hola Prystan Wasserversorgung nach Dammbruch
Trinkwasser gibt es in den von dem Dammbruch betroffenen Gebieten nur in FlaschenBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland verweigert UN-Helfern Zutritt zu Überschwemmungsgebieten
  • Selenskyj: Moskau sollte Russen auf Gebietsverlust vorbereiten
  • Ukraine meldet Rückeroberung eines weiteren Dorfes
  • Republik Moldau verbietet pro-russische Oppositionspartei Shor
  • Söldner-Chef Prigoschin: 32.000 Ex-Gefangene aus Kriegsdienst entlassen

 

Russland erlaubt es Vertretern der Vereinten Nationen nicht, die russisch kontrollierten Gebiete unterhalb des zerstörten Kachowka-Staudamms zu betreten. Entsprechende Ersuchen seien von Moskau abgelehnt worden, teilten die UN mit. "Wir fordern die russischen Behörden nachdrücklich auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen", erklärte die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in der Ukraine, Denise Brown. Den Menschen, die Hilfe brauchen, dürfe diese nicht verweigert werden. Die UN würden "weiterhin alles tun, was sie können, um alle Menschen zu erreichen", sagte Brown.

Der Kachowka-Staudamm am Fluss Dnipro war am 6. Juni teilweise zerstört worden, riesige Mengen Wasser traten aus und überschwemmten weitflächig von Russlandund der Ukraine kontrollierte Gebiete. Kiew und Moskau werfen sich gegenseitig vor, für den Dammbruch verantwortlich zu sein.

Selenskyj: Moskau sollte Russen auf Gebietsverlust vorbereiten

Russland sollte seine Bürger aus Sicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf den Verlust von besetzten Gebieten vorbereiten. Russland habe nicht nur seine eigene Zukunft vernichtet, um die Territorien einzunehmen, sondern werde auch alle Gebiete wieder verlieren, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Zu einer "De-Okkupation" gebe es keine Alternative und werde es keine geben. Schritt für Schritt bewegten sich die ukrainischen Streitkräfte voran, um ihr Land zu befreien. Zugleich lobte er die "sehr effektive" Abwehr von Angriffen in der Nähe von Awdijwka, einem der Schwerpunkte der Kämpfe im Osten des Landes.

Präsident Wolodymyr Selenskyj macht seinen Landsleuten weiter Mut
Präsident Wolodymyr Selenskyj macht seinen Landsleuten weiter MutBild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Nach Angaben des britischen Militärgeheimdienstes konzentrierten sich die schweren Kämpfe auf Saporischschja, den westlichen Teil der Oblast Donezk und die Gegend um Bachmut. "In all diesen Gebieten setzt die Ukraine ihre offensiven Operationen fort und hat kleine Fortschritte gemacht", hieß es dazu auf Twitter.

Ukraine meldet Rückeroberung von weiterem Dorf im Süden

Nach Regierungsangaben in Kiew hat die ukrainische Armee ein weiteres Dorf von den russischen Truppen zurückerobert. Das Dorf Pjatychatky im Süden des Landes sei wieder in ukrainischer Hand, meldete die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar. Damit seien seit Beginn der ukrainischen Gegenoffensive in diesem Monat insgesamt acht Siedlungen "befreit" und 113 Quadratkilometer Land zurückerobert worden.

Der ukrainische Generalstab berichtet über die Abwehr von vier Drohnen und vier ballistischen Raketen, die Russland in der Nacht gestartet habe. Derweil meldete der Gouverneur der grenznahen russischen Region Belgorod sieben Verletzte bei angeblich von der Ukraine aus geführten Angriffen. Unter den sieben Verletzten sei auch ein Kind. Auch die Region Kursk wurde nach Angaben des dortigen Gouverneurs angegriffen. 

Angeblich russische Truppenverlegungen nach Staudamm-Kollaps

Russland hat nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums in den vergangenen zehn Tagen wohl mit der Umgruppierung von Soldaten begonnen. Teile der Truppen seien vom Ostufer des Flusses Dnipro abgezogen worden, um die Sektoren Saporischschja und Bachmut zu verstärken, so das Ministerium. Dies spiegele mutmaßlich Russlands Einschätzung wider, dass ein größerer ukrainischer Angriff über den Fluss Dnipro nach dem Kollaps des Kachowka-Staudamms und den daraus resultierenden Überschwemmungen nun weniger wahrscheinlich sei.

Ukraine Mykolajiw Überflutungen nach Dammbruch
Nach der Zerstörung des Staudamms und den Überflutungen hat Russland wohl Truppenkontingente an andere Frontabschnitte verlegtBild: Ercin Erturk/AA/picture alliance

Brigadegeneral: Zurückhaltung bei Beurteilung von Ukraine-Offensive

Der Leiter des Lagezentrums Ukraine im deutschen Verteidigungsministerium, Brigadegeneral Christian Freuding, hat bei der Bewertung der ukrainischen Offensive gegen Russland Zurückhaltung angemahnt. "Wir müssen ein bisschen vorsichtig sein, damit wir nicht anmaßend werden, dass wir von der Berliner Sommerterrasse aus die ukrainische Taktik beurteilen", sagte Freuding im Fernsehen der ARD. Die Ukrainer zahlten in diesem Krieg seit über 400 Tagen einen hohen Preis. "Und ich glaube, wir haben weder die Sicht drauf, noch auch das Recht drauf, das ukrainische Vorgehen der Truppenteile in der Art und Weise zu beurteilen, ob es gut, schlecht, zweckmäßig oder unzweckmäßig war."

Bundeswehr Brigadegeneral Christian Freuding
Brigadegeneral Freuding, zuständig im Bundesverteidigungsministerium für die Analyse der militärischen Lage in der UkaineBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Nach Angaben Freudings geht die Ukraine sehr restriktiv mit Informationen zur Lage um. "Wir nennen das militärisch 'operational security'. Das ist natürlich auch nachvollziehbar, weil daraus sonst der Feind Schlüsse ziehen könnte." Er wolle sich dem Urteil aber nicht anschließen, dass das Vorgehen der Ukraine nicht so gut laufe. Es gebe ein Wiedergewinnen der Initiative durch die ukrainischen Streitkräfte und erste Angriffserfolge. "Wir haben aber auch gesehen, dass die Verteidigungsstellungen der russischen Streitkräfte sehr stark vorbereitet wurden." Derzeit konsolidierten sich die ukrainischen Kräfte, um zu schauen, wo und womit sie Erfolg hatten.

Republik Moldau verbietet pro-russische Oppositionspartei Shor

Das Verfassungsgericht in Moldau hat die pro-russische Partei des Oligarchen Ilan Shor für verfassungswidrig erklärt und untersagt. Mit dem Urteil ebnete es zugleich den Weg für ihre Auflösung. Der Partei wird vorgeworfen, durch die Organisation von Demonstrationen die pro-europäische Regierung der kleinen ehemaligen Sowjetrepublik destabilisieren zu wollen. Die Regierung hatte sich im November 2022 an das Gericht gewandt, da die Partei Shor ihrer Ansicht nach gegen das nationale Interesse handelt. Der Anwalt der Partei, Aureliu Colenco, erklärte nun, die Entscheidung werde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angefochten. Moldaus Präsidentin Maia Sandu, die einen EU-Beitritt des Landes anstrebt, begrüßte dagegen das Urteil.

MOLDOVA Flag Shor
Anhänger der Shor-Partei demonstrieren in Chisinau Bild: DW

Moldauische Behörden fordern schon länger eine Auslieferung von Shor, der 2019 in sein Geburtsland Israel geflohen war. Der 36-jährige Geschäftsmann war kürzlich wegen eines Bankbetrugs in Milliardenhöhe zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Shor hatte in den vergangenen Monaten seine Anhänger zu regierungsfeindlichen Demonstrationen in der der Hauptstadt Chisinau und anderen Städten aufgerufen. Die Protestierenden machten Sandu unter anderem für die hohen Energiepreise verantwortlich und warfen ihr vor, sich in den Krieg in der Ukraine einzumischen.

Wagner-Chef: 32.000 Ex-Gefangene aus Kriegsdienst entlassen

Von den in russischen Gefängnissen angeworbenen Straftätern für den Kriegsdienst in der Ukraine sind nach Angaben der privaten Söldner-Truppe Wagner 32.000 Männer wieder nach Hause zurückgekehrt. Sie hätten ihren Vertrag und den Einsatz bei den Kämpfen erfüllt, sagte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Überprüfen lassen sich die von Prigoschin genannten Zahlen nicht.

Ukraine | Krieg | Söldnergruppe Wagner | Jewgeni Prigoschin
Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin liebt die große Pose, hier in Bachmut im Kreise seiner SöldnerBild: Concord/Handout/REUTERS

Menschenrechtler hatten sich in der Vergangenheit besorgt gezeigt, dass so viele Straftäter, darunter Mörder und andere Gewalttäter, begnadigt und vorzeitig wieder auf die russische Gesellschaft losgelassen würden. Dagegen sieht der Wagner-Chef den Kriegsdienst auch als "großes Resozialisierungsprogramm". Prigoschin hatte mit Billigung von Präsident Wladimir Putin Häftlinge teils selbst in den Straflagern angeworben. Wer dann einen Vertrag für den Kriegseinsatz unterzeichnete, wurde von Putin begnadigt. Bedingung war, mindestens sechs Monate Kampfeinsätze in der Ukraine zu absolvieren.

Auch jenseits der Wagner-Söldner werden laut Menschenrechtlern von Russland weiter massenhaft Straftäter in Gefängnissen für den Kriegsdienst angeworben. Demnach nutzt inzwischen vor allem das Verteidigungsministerium den Strafvollzug für die Rekrutierung von Kämpfern.

Großbritannien weitet Unterstützung für ukrainische Cyberabwehr aus

Großbritannien hat angekündigt, das Programm zur Unterstützung der ukrainischen Cyberabwehr ausweiten. Dazu sollen 16 Millionen Pfund zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, wie die Regierung in London mitteilte. Weitere neun Millionen Pfund könnten demnach von internationalen Verbündeten hinzukommen. Das Paket werde die Ukraine besser in die Lage versetzen, ihre kritische nationale Infrastruktur gegen russische Angriffe zu verteidigen.

Der britische Premierminister Rishi Sunak
Der britische Premierminister Rishi SunakBild: Thomas Krych/ZUMA Wire/IMAGO

"Russlands entsetzliche Angriffe auf die Ukraine beschränken sich nicht nur auf die barbarische Landinvasion, sondern umfassen auch abscheuliche Versuche, die Cyber-Infrastruktur des Landes anzugreifen", sagte Premierminister Rishi Sunak. Diese stelle für die ukrainische Bevölkerung lebenswichtige Dienste vom Bankwesen bis zur Energieversorgung bereit. Die neuen Finanzmittel seien von entscheidender Bedeutung, "um diese Angriffe zu stoppen".

Prag benennt eine Straße wegen des Ukraine-Krieges um

Rund 5000 Bewohner Prags müssen sich bald an eine neue Anschrift gewöhnen: Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erhält die Konevova-Straße einen neuen Namen. Sie ist bisher nach dem sowjetischen General Iwan Stepanowitsch Konew benannt. Ab Oktober heißt die Straße in der tschechischen Hauptstadt Hartigova - benannt nach einem früheren Bürgermeister des heutigen Stadtteils Zizkov, Karel Hartig (1833-1905). Für die Anwohner der rund 3,4 Kilometer langen Hauptverbindungsachse ist der Schritt mit Unannehmlichkeiten verbunden: Sie sind verpflichtet, ihren Personalausweis und andere Dokumente binnen sechs Monaten umzutauschen. Betroffen sind zudem Hunderte Firmen und Geschäfte.

Bereits im April 2020 war eine überlebensgroße Statue für Konew (1897-1973) auf dem Prager Platz der Interbrigaden entfernt worden. Die russische Botschaft sprach damals von einem Akt des Vandalismus. Der Marschall der Sowjetunion hatte mit seinen Truppen im Zweiten Weltkrieg an der Schlacht um Berlin teilgenommen, bevor er im Mai 1945 Prag befreite. Während des Mauerbaus im August 1961 war Konew Oberkommandierender der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland.

kle/nob/cwo/sti/qu/wa (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.