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Politik

Aktuell: Kiew droht mit Angriff auf die Krim

19. Juli 2022

Mit schweren Waffen will Kiew die von Russland annektierte Halbinsel zurückerobern. Derweil will die EU ihre Verteidigungsfähigkeit stärken. Ein Überblick.

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Ukraine Russische Kriegsschiffe in Sewastopol
Kriegsschiffe der russischen Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol (Archiv)Bild: DePo/YAY Images/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Kiew will die Krim zurückerobern
  • EU legt Plan zur Förderung der Rüstungsindustrie vor
  • Deutschland plant nun mit fünf schwimmenden Flüssiggasterminals 
  • Britischer Geheimdienst: Russland Militär hat zunehmend Probleme
  • Selenskyj feuert 28 Geheimdienstmitarbeiter

 

Die Ukraine hat mit Angriffen auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim und die dort stationierte russische Schwarzmeerflotte gedroht. "Wir bekommen Schiffsabwehrwaffen und werden früher oder später die Flotte angreifen", sagte der stellvertretende ukrainische Verteidigungsminister Wolodymyr Hawrylow der britischen Zeitung "Times" bei einem Besuch in London. "Russland muss die Krim verlassen, wenn es weiter als Staat bestehen will", sagte der 64-Jährige.

Russland hatte seinen am 24. Februar begonnenen Krieg gegen die Ukraine auch mit angeblichen Plänen Kiews begründet, sich die 2014 von Moskau annektierte Krim zurückholen zu wollen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Hawrylows Äußerungen bestätigten einmal mehr die Notwendigkeit des russischen Vorgehens.

Moskau hat Kiew immer wieder vor einer scharfen Reaktion gewarnt, sollte die Krim angegriffen werden. Dagegen meinte Kiews Vizeverteidigungsminister Hawrylow, dass unlängst bereits die Schlangeninsel zurückerobert worden und damit der erste Schritt getan sei. Die Ukraine setzt für die Gegenangriffe auf schwere Waffen aus dem Westen.

Eine Rückkehr sei auch auf diplomatischem Wege möglich. Allerdings hatte Russland stets erklärt, dass die Krim-Frage durch die Eingliederung in das Land endgültig geklärt sei. Einschließlich der Krim kontrolliert Russland inzwischen mehr als 20 Prozent des ukrainischen Territoriums.

EU-Kommissarin Margrethe Vestager | PK zu Wasserstoff
EU-Kommissarin Margrethe Vestager spricht von einem Meilenstein auf dem Weg zur Europäischen VerteidigungsunionBild: JOHN THYS/AFP

Brüssel will Europas Verteidigung stärken

Um die Verteidigungsfähigkeit zu verbessern, schlägt die EU-Kommission vor, eine halbe Milliarde Euro aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union bereitzustellen. Mit dem Geld soll unter anderem der Ausbau von Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie unterstützt werden, wie die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager in Brüssel mitteilte. 

Voraussetzung für eine EU-Förderung wäre allerdings, dass solche Projekte von einem Zusammenschluss von Unternehmen aus mindestens drei Mitgliedstaaten getragen werden. Der Vorschlag sei ein Meilenstein bei der Verwirklichung der Europäischen Verteidigungsunion, sagte Vestager. Um den Vorschlag der Kommission zur kurzfristigen Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten hatten im Mai die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten gebeten. Hintergrund ist die völlig veränderte Sicherheitslage in Europa nach dem Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine.

Deutschland I LNG-Terminal in Brunsbüttel geplant
Flüssiggas-Pipeline am Nordsee Gas Terminal in BrunsbüttelBild: picture alliance/dpa

Bundesregierung treibt Bau von Flüssiggas-Terminals voran

Um Gas aus Russland zu ersetzen, plant die deutsche Regierung nun den Bau von fünf Flüssiggas-Terminals in Küstennähe. Neben den schwimmenden Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven sollen zwei weitere im niedersächsischen Stade und in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern entstehen, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte. In Lubmin soll bis Ende des Jahres zudem ein zusätzliches, fünftes schwimmendes Flüssiggasterminal an Netz gehen, das von einem privaten Konsortium gebaut wird.

Mit den schwimmenden Flüssiggasterminals will die Bundesregierung vermehrt verflüssigtes Erdgas importieren, um so schneller unabhängig von russischen Energieimporten zu werden. Die schwimmenden Terminals sind im Kern Flüssiggas-Tanker, die den Brennstoff aber selbst wieder in den Gas-Zustand versetzen können. Damit wird kein kompletter Hafen, sondern in erster Linie nur eine Verbindung vom Schiff zur Pipeline an Land benötigt. Die Regierung hat insgesamt vier der Spezialschiffe gemietet.
 

Zerstörtes Haus
Schon im Frühjahr war die Region Sumy Ziel von russischen AngriffenBild: AP

Weiter nächtliche Bombardierungen

Die russischen Streitkräfte bombardieren ukrainischen Angaben zufolge in der Nacht weiter Städte in der gesamten Ukraine. Mehr als 150 Bomben und Granaten seien auf die Region Sumy abgefeuert worden, ließ der Leiter der Militärverwaltung der Region, Dmytro Schywytzki, verlauten. "Sie feuerten Mörser, Kanonen- und Raketenartillerie ab. Die Russen eröffneten auch das Feuer mit Maschinengewehren und Granatwerfern."

Auch die Stadt Mykolajiw stehe unter Beschuss mit Streugeschossen, wie der Bürgermeister der Stadt, Oleksandr Senkewytsch, in den sozialen Medien mitteilte. Mindestens zwei Menschen seien verletzt, Fenster und Dächer von Privathäusern beschädigt. In Odessa seien bei einem russischen Raketenangriff mindestens vier Menschen verletzt worden, Häuser seien niedergebrannt, berichtete ein Sprecher der Regionalverwaltung.

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben den russischen Vormarsch auf eine strategisch wichtige Stadt in der Region Donezk verhindert. Awdijiwka liegt nördlich der Stadt Donezk auf dem Weg in die beiden weiterhin von der Ukraine kontrollierten Städte Kramatorsk und Slowjansk. Behauptungen Russlands, die Straße zwischen Awdijiwka und dem Ort Kostjantyniwka in Richtung Kramatorsk zu kontrollieren, seien falsch, sagt der Chef der dortigen Militärverwaltung. Informationen zum Kampfgeschehen lassen sich unabhängig nicht überprüfen.

Briten: Russlands Truppen haben Probleme

Das russische Militär hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste mit wachsenden Schwierigkeiten in der Ukraine zu kämpfen. Schon seit Beginn der Invasion habe Russland Probleme gehabt, die offensive Schlagkraft seiner Truppen aufrechtzuerhalten, erklärt das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdienstberichte. "Neben der starken Unterbesetzung haben die russischen Planer mit dem Dilemma zu kämpfen, ob sie Reserven in den Donbass verlegen oder sich gegen ukrainische Gegenangriffe im südwestlichen Cherson-Sektor verteidigen." Diese Probleme würden immer akuter. Auch wenn Russland weitere Geländegewinne erzielen könnte, komme der Vormarsch wahrscheinlich nur sehr langsam voran.

Selenskyj feuert 28 Geheimdienstmitarbeiter

Präsident Wolodymyr Selenskyj greift weiter beim Geheimdienst der Ukraine (SBU) durch. Er kündigte die Entlassung von 28 SBU-Mitarbeitern an. Es gehe um unterschiedlich hohe Posten und Funktionen, "aber die Begründungen sind ähnlich: unbefriedigende Arbeitsergebnisse", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Montagabend.

Am Vortag hatte er schon seinen Geheimdienstchef und Jugendfreund Iwan Bakanow sowie die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa suspendiert. Nun stellte Selenskyj eine Revision der gesamten Arbeit des Geheimdienstes in Aussicht. Der ukrainische Präsident hatte sich zuletzt verärgert darüber geäußert, dass mehr als 60 Mitarbeiter von SBU und Generalstaatsanwaltschaft in den besetzten Gebieten geblieben seien. Die Regierung in Kiew wertet dies als Hochverrat. Nach Einschätzung von Medien habe der 47-jährige Bakanow als Fachfremder nur wenig Autorität unter seinen Angestellten genossen.

Selenskyj suspendiert hochrangige Beamte

Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Ukraine auch den Kampf gegen feindliche Artilleriebeobachter verstärken will. Immer wieder sollen Ukrainer dem Feind Positionen der eigenen Truppen verraten und das feindliche Artilleriefeuer korrigieren. Die Anweisung, gegen solche Verräter vorzugehen, komme direkt vom Präsidenten, teilte dessen Sicherheitsberater Olexij Danilow am Montag mit. Zuvor hatte der Militärgouverneur der von russischem Beschuss schwer getroffenen Region Mykolajiw, Witali Kim, 100 Dollar (knapp 100 Euro) Kopfgeld für die Ergreifung von Artilleriebeobachtern ausgelobt.

US-Repräsentantenhaus für NATO-Beitritt von Finnland und Schweden

Das US-Repräsentantenhaus unterstützt einen Beitritt Finnlands und Schwedens zur NATO. Die Abgeordneten stimmten am Montagabend mit 394 zu 18 Stimmen für eine entsprechende Resolution. Darin bringen sie ihre Unterstützung für die "historische Entscheidung" Finnlands und Schwedens zum Ausdruck und fordern alle NATO-Mitglieder auf, die Beitrittsprotokolle zügig zu ratifizieren.

Vor zwei Monaten hatten Finnland und Schweden nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis beantragt. Die Hälfte der NATO-Staaten hat den Beitritten von Schweden und Finnland nach Angaben aus Stockholm bereits zugestimmt. Besonderes Augenmerk ist nun darauf gerichtet, wie der Ratifizierungsprozess in der Türkei voranschreitet.

Robin Wagener
Robin Wagener beim DW-Interview in KiewBild: DW

Grünen-Abgeordneter fordert weitere Unterstützung für Ukraine

Mit Robin Wagener ist erneut ein Bundestagsabgeordneter nach Kiew gereist, um politische Gespräche zu führen und sich ein Bild von der Lage zu machen. Der Grünenpolitiker traf sich mit ukrainischen Abgeordneten und mit dem Bürgermeister der Hauptstadt, Vitali Klitschko. "Es ist sehr beunruhigend, eine Stadt mit einer Art normalem Stadtleben zu sehen, wie es in Berlin oder München oder Paris sein könnte. Und dann sehen wir um die Ecke die Kriegsvorbereitungen hier in Kiew und einige Kilometer von hier entfernt die Schrecken in Butscha und Irpin", schilderte Wagener seine Eindrücke im DW-Interview.

Er forderte, dass Deutschland den Beitritt und die Integration der Ukraine in die Europäische Union unterstützen müsse. Dazu sei aber weitere militärische Hilfe nötig, so der Grünen-Abgeordnete. Die in den vergangenen Wochen gelieferten modernen Waffen hätten nach ukrainischen Angaben auf dem Schlachtfeld für eine Änderung der Lage gesorgt. "Aber es gibt nicht genug davon", fügte Wagener hinzu.

uh/rb/fab/qu/AR/ehl (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.