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PolitikEuropa

Aktuell: Japan warnt Russland vor Atomwaffeneinsatz

1. November 2022

Der japanische Premier und Bundespräsident Steinmeier verurteilen den Einsatz von Atomwaffen. Die IAEA beginnt mit Inspektionen in der Ukraine. Weitere Getreidefrachter laufen aus. Der Überblick.

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Japan | Frank-Walter Steinmeier und Fumio Kishida
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Japans Regierungschef Fumio Kishida in TokioBild: Kimimasa Mayama/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Japans Regierungschef spricht von einem feindseligen Akt gegen die Menschheit
  • Atomexperten gehen russischen Vorwürfen nach
  • Scholz sagt weitere umfassende Hilfe zu
  • Ukraine befürchtet den Einsatz iranischer Mittelstreckenraketen durch Russland
  • Weitere Getreidefrachter verlassen ukrainische Häfen

 

Japans Ministerpräsident Fumio Kishida hat Russland vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine gewarnt. Entsprechende Signale aus Moskau seien sehr beunruhigend, sagte er in Tokio nach einem Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Geschichte der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki vor 77 Jahren dürfe nicht vernachlässigt werden. "Wenn Russland Atomwaffen einsetzen würde, wäre dies ein feindseliger Akt gegen die gesamte Menschheit." Die internationale  Gemeinschaft würde dies niemals dulden.

Steinmeier dankte Kishida für die "klare Haltung" Japans zum Angriffskrieg Russlands. "Japan hat wie wir diesen völkerrechtswidrigen brutalen Krieg in der Ukraine verurteilt und seine Solidarität mit der jungen Demokratie in der Ukraine zum Ausdruck gebracht", sagte er.  Der Krieg führe vor Augen, dass in einer globalisierten Welt kein Konflikt mehr regional begrenzt sei. "Die Folgen sind global spürbar", fügte der Bundespräsident hinzu. Steinmeier nannte in dem Zusammenhang die ökonomischen Schwierigkeiten sowie Nahrungsmittelknappheit und hohe Energiepreise.

IAEA-Experten nehmen Arbeit auf

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat an zwei Orten in der Ukraine mit "Prüfungsaktivitäten" begonnen. Es geht um die wiederholten russischen Vorwürfe, die Ukraine arbeite an einer sogenannten schmutzigen Bombe. Die IAEA-Inspektoren wollen ihre Untersuchungen schon bald abschließen. IAEA-Direktor Rafael Grossi werde die Ergebnisse noch in dieser Woche verkünden, heißt es. Die Überprüfungen finden auf Einladung ukrainischer Behörden statt.

IAEA-Direktor Rafael Grossi spricht auf einer UN-Pressekonferenz in New York
IAEA-Direktor Rafael Grossi vergangene Woche auf einer UN-Pressekonferenz in New YorkBild: Luiz Rampelotto/ZUMA Wire/IMAGO

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte der Ukraine vorgeworfen, "die Spuren des Baus einer 'schmutzigen Bombe' verwischen" zu wollen. Er wisse auch in etwa, wo der Bau stattfinde. Kiew hatte die Vorwürfe entschieden dementiert und um eine IAEA-Mission gebeten. Eine "schmutzige Bombe" besteht aus radioaktivem Material, das mit konventionellem Sprengstoff freigesetzt wird.

Scholz spricht von "haltlosen Vorwürfen"

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die von Russland erhobenen Anschuldigungen als haltlos zurückgewiesen. Zudem sagte er der Ukraine weitere umfassende Hilfe zu.

Deutschland werde nicht nachlassen, die Ukraine politisch, finanziell und humanitär sowie in der Verteidigung ihrer Souveränität und territorialen Integrität konkret zu unterstützen, einschließlich bei Waffenlieferungen, heißt es in einer Mitteilung. Der Bundeskanzler verurteilte demnach auch den anhaltenden gezielten Beschuss ziviler Infrastruktur in der Ukraine durch die russischen Streitkräfte.

Internationale Hilfskonferenz für die Ukraine geplant

Frankreich plant eine internationale Hilfskonferenz für die Ukraine, die die zivile Widerstandsfähigkeit des Landes während des Winters stärken soll. Darauf hätten sich Staatschef Emmanuel Macron und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat verständigt, teilte der Élyséepalast mit. Besonderes Augenmerk werde auf Strom- und Wasserversorgungsinfrastruktur der Ukraine gelegt, die durch die russischen Angriffe erheblich beschädigt sei. Die Vorbereitungen zu der Pariser Konferenz am 13. Dezember mit den anderen Partnern der Ukraine sollten in Kürze beginnen.

Ukraine befürchtet den Einsatz iranischer Mittelstreckenraketen durch Russland

Die ukrainische Armee sorgt sich, dass Russland neben Drohnen auch Mittelstreckenraketen aus dem Iran kaufen wird und gegen die Ukraine einsetzen wird. Dies sei gefährlich, weil die Ukraine keine geeigneten Abwehrwaffen habe, sagte Luftwaffensprecher Jurij Ihnat in Kiew. "Wir haben eine Luftverteidigung, keine Raketenabwehr", sagte er. Es gehe um ballistische Raketen iranischer Bauart mit Reichweiten von 300 bis 700 Kilometern, die den russischen Boden-Boden-Raketen vom Typ Iskander-M ähnelten.

Ukraine Krieg, Drohne aus dem Iran
Ein Überrest einer mutmaßlichen iranischen Schahed-Drohne in der ukrainischen Stadt KupianskBild: Ukrainian military's Strategic Communications Directorate/AP Photo/picture alliance

Unterdessen berichtet der US-Fernsehsender unter Hinweis auf Erkenntnisse westlicher Rüstungsexperten, der Iran werde Russland mit Mittelstreckenraketen und weiteren Drohnen beliefern. Russland setzt demzufolge vor allem die iranische Einweg-Kampfdrohnen Schahed-136 im Ukraine-Krieg ein. Der Iran und Russland bestreiten ein solches Rüstungsgeschäft. Die Ukraine hat nach eigenen Angaben bereits 300 dieser Drohnen abgeschossen. Dabei habe sich der deutsche Flugabwehrpanzer Gepard sehr bewährt. Seit Russland mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern verstärkt die ukrainische Energie-Infrastruktur unter Beschuss nimmt, haben viele Länder der Ukraine mehr Flugabwehrwaffen zugesagt. Die ersten zwei von acht zugesagten US-Flugabwehrsystemen Nasams sollten bald dort eintreffen, sagte ein Pentagon-Vertreter in Washington.

Selenskyj lobt Erfolge der ukrainischen Flugabwehr

Nach den schweren russischen Raketenangriffen vom Montag hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Erfolge der Flugabwehr unterstrichen. Von etwa 50 russischen Marschflugkörpern und Raketen seien 45 abgefangen worden, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Sein Land brauche weitere Waffen zur Abwehr der Angriffe aus der Luft, forderte er. Aber schon jetzt müsse Russland für einen Treffer mehr Raketen einsetzen als früher.

Das Flugabwehrsystem IRIS-T SLM
Das Flugabwehrsystem IRIS-T SLMBild: Diehl Defence

Aus Deutschland traf das erste von vier hochmodernen Systemen vom Typ IRIS-T ein, das von den Ukrainern als sehr treffsicher gelobt wird. "Die heutigen Angriffe auf die Ukraine konnten nur dank der deutschen Raketenabwehr verhindert werden! 16 Raketen wurden durch IRIS-T abgefangen!", twitterte Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, der Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko. Dieser teilte in einem Tweet mit, die bei den Angriffen unterbrochene Wasser- und Stromversorgung in der Hauptstadt Kiew sei wiederhergestellt worden.

Es werde in der Stadt aber weiterhin geplante Unterbrechungen der Stromversorgung geben wegen "des beträchtlichen Defizits im Stromversorgungssystem nach den barbarischen Angriffen des Aggressors", fügte Klitschko mit Blick auf die russischen Raketenangriffe hinzu. 

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu kündigte eine Fortsetzung der Raketenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur an. Damit würden "effektiv" Objekte zerstört und das militärische Potenzial der Ukraine reduziert, sagte Schoigu bei einer Militärsitzung in Moskau. 

Weitere Getreidefrachter auf dem Weg durchs Schwarze Meer

Drei weitere Getreidefrachter haben nach Angaben der Vereinten Nationen ukrainische Häfen verlassen. Dies geschehe im Rahmen des Getreidelieferabkommens, teilte das von den UN geführte Koordinationszentrum in Istanbul mit, das die sichere Passage der Schiffe überwacht. Die russische
Delegation sei darüber informiert worden. Das von den UN und der Türkei vermittelte Abkommen soll die Verschiffung ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer ermöglichen.

Am Wochenende hat Russland die Vereinbarung allerdings für ausgesetzt erklärt. Zur Begründung führte die Regierung in Moskau an, nach einem Drohnenangriff auf ihre Schwarzmeer-Flotte könne sie nicht mehr die Sicherheit ziviler Schiffe garantieren. Dennoch hatten bereits am Montag mehrere Frachter ukrainische Häfen verlassen. Für Mittwoch sind laut UN keine Schiffsdurchfahrten mit Getreide im Schwarzen Meer geplant.

Die Ukraine und Russland gehören zu den weltweit größten Getreideexporteuren. Das Abkommen soll Millionen Menschen Zugang zu Brot und anderer Nahrung sichern.

Biden droht Öl- und Gaskonzernen mit Übergewinnsteuer

US-Präsident Joe Biden hat Energiekonzernen mit einer Übergewinnsteuer gedroht, falls sie ihre gestiegenen Profite infolge hoher Erdöl- und Gaspreise nicht an die Verbraucher weitergeben. Wenn die Unternehmen nicht die Produktionskosten senkten und ihre Fördermengen erhöhten, "werden sie höhere Steuern auf ihre Übergewinne zahlen und weitere Restriktionen erfahren", sagte Biden. Regierungsmitarbeiter würden gemeinsam mit dem Kongress an dem Thema arbeiten.

US-Präsident Joe Biden äußert sich zu Gewinnen von Ölkonzernen
US-Präsident Joe Biden spricht im Weißen Haus über die stark gestiegenen Gewinne der ÖlkonzerneBild: Drew Angerer/Getty Images

"Ihre Profite sind Kriegsgewinne", sagte Biden zudem mit Blick auf die jüngsten Unternehmenszahlen mehrerer Energiekonzerne. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu massiv gestiegenen Erdölpreisen geführt, wodurch die Unternehmen Exxon Mobil und Chevron drastisch gestiegene Gewinne verzeichnen.

Deutsche Bahn beklagt langsame Abfertigung an EU-Grenze

Die Deutsche Bahn kann ihre Kapazitäten für den Export ukrainischen Getreides wegen der EU-Grenzbürokratie nicht voll ausschöpfen. "Wir könnten noch mehr fahren, wenn die Grenzabfertigung an der EU-Außengrenze schneller ginge", sagte ein Unternehmenssprecher dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Speziell an den EU-Außengrenzen müssten die Infrastruktur und die Grenzprozesse ausgebaut und beschleunigt werden. Die Nachfrage nach Transportkapazitäten sei sehr hoch, so der Sprecher weiter. "Wir fahren so viel wir können."

Russischer Milliardär will kein Russe mehr sein

Der russische Banker und Unternehmer Oleg Tinkow hat seine Staatsbürgerschaft aufgegeben. Er habe diese Entscheidung getroffen, weil er "nicht mit einem faschistischen Land in Verbindung gebracht werden" wolle, das "einen Krieg mit seinem friedlichen Nachbarn begonnen" habe und täglich unschuldige Menschen töte. Auf Instagram teilte er ein Bild einer Urkunde, die das "Ende" seiner russischen Staatsbürgerschaft bestätigte.

Oleg Tinkow auf dem International Economic Forum in Petersburg
Oleg Tinkow 2018 auf dem International Economic Forum in PetersburgBild: picture alliance / Sergei Bobylev/TASS/dpa

Er hoffe, dass mehr prominente russische Geschäftsleute ihm folgen würden, schrieb Tinkow, "damit das Regime und die Wirtschaft von Putin geschwächt werden und er schließlich besiegt werden kann". Er "hasse Putins Russland", aber "liebe alle Russen, die eindeutig gegen diesen verrückten Krieg" seien. Der schillernde Milliardär und Gründer der Online-Bank Tinkoff gilt als einer der bekanntesten russischen Unternehmer.

qu/kle/se/rb/fw (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.