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Gesellschaft

Coronavirus "katastrophal" für Taxibranche

Rebecca Staudenmaier hk
24. April 2020

Die Maßnahmen in der Corona-Krise zwingen Taxiunternehmen in Deutschland zum Umdenken. Viele bieten jetzt an, Lebensmittel oder Medikamente auszuliefern. Taxifahrer fürchten eine "Insolvenzwelle" in der Branche.

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Deutschland Köln | Taxifahrer mit Schutzkleidung | Symbolfoto
Bild: picture-alliance/dpa/C. Hardt

Leszek Nadolski konnte seinen Augen nicht trauen, als er kürzlich auf einem Parkplatz in der Nähe des Berliner Flughafens Tegel hielt. Hunderte Taxis füllten den Platz. Alle wurden wegen der Corona-Krise aus dem Betrieb genommen - die Pandemie hat die Nachfrage von Fahrgästen drastisch einbrechen lassen. "Da habe ich gedacht: Das ist erschreckend", erinnert sich Nadolski, Chef der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V., im Gespräch mit der DW.

Von den fast 8000 Taxis in Berlin seien nur noch rund 5000 auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs, sagt Nadolski. Für deren Fahrer sei es unter den gegenwärtigen Bedingungen schwierig, genug Geld zu verdienen: Durchschnittlich kämen derzeit bei einer Zehn-Stunden-Schicht nur noch 50 Euro zusammen. Damit verdienen Taxifahrer deutlich weniger als den Mindestlohn von 9,35 Euro die Stunde. "Die Auswirkungen sind katastrophal. Wir haben einen Umsatzverlust von um 80 bis 90 Prozent", sagt der Innungschef.

Deutschland Berlin | Coronakrise | abgestellte Taxis
Corona-Ruhe: abgestellte Taxis am Flughafen TempelhofBild: picture-alliance/dpa/A. Gora

Er ist nicht der Einzige, der Alarm schlägt: In Köln hätten Taxiunternehmen in den vergangenen Wochen "wahrscheinlich mindestens 80 Prozent" weniger Aufträge verzeichnet, schätzt Alexandar Dragicevic, Sprecher der Genossenschaft Taxi Ruf Köln, in der die Taxiunternehmer der Stadt zusammengeschlossen sind. Mehr als die Hälfte ihrer 1100 Fahrzeuge sei aus dem Betrieb genommen worden.

Als Teil des öffentlichen Personennahverkehrs sind Taxiunternehmen in Deutschland gesetzlich verpflichtet, Fahrgäste zu befördern, sofern nicht anders angeordnet. "Egal, was da draußen los ist, egal welche Katastrophen eintreten - Terroranschlag, Unwetter - auf Taxis ist immer wieder Verlass. Wir bleiben immer noch da draußen und bieten unsere Leistungen an", sagt Dragicevic der DW.

Einkaufshilfe und Lebensmittellieferungen

Um den finanziellen Schaden auszugleichen, haben Taxiunternehmen in ganz Deutschland begonnen, ihr Angebot zu erweitern. In Köln etwa kann man sich bereits bezahlte Lebensmittel und Medikamente per Taxi nach Hause liefern lassen. Taxifahrer erledigen zudem Einkäufe - zum Festpreis. "Wir versuchen so, den Personen, die nicht in der Lage sind, einkaufen zu gehen, zu helfen", sagt Dragicevic.

Ähnliche Leistungen zu einem festen Preis bieten auch Taxiunternehmen in Düsseldorf und Hamburg an. In München können Menschen, die im medizinischen Bereich arbeiten, kostenlos mit dem Taxi zur Arbeit fahren - eine Maßnahme, die das Infektionsrisiko verringern soll.

Taxistandplatz bei Nacht
"Auf Taxis ist immer Verlass" - viele Fahrer beliefern jetzt Menschen, die selbst das Haus nicht verlassen wollenBild: picture-alliance/blickwinkel/allOver/TPH

Eine vergangene Woche zwischen der Berliner Taxi-Innung und dem Berliner Senat getroffene Vereinbarung ermöglicht es Taxifahrern, Lebensmittel- und Apotheken-Lieferungen zu einem Preis anzubieten, der unter dem regulären Fahrgasttarif liegt. Darüber hinaus holen Taxiunternehmen auf Wunsch Bestellungen in Restaurants und anderen Geschäften ab. "Die Leute, die auf uns zugreifen, sind meistens ältere Menschen, die das Haus nicht verlassen möchten", sagt Nadolski.

"Gezwungen zu improvisieren"

Angesichts der aktuellen Situation tue man alles, um das Infektionsrisiko für Fahrgäste zu reduzieren, betonen Taxiunternehmen. "Wir sind alle mit Desinfektionsmittel ausgerüstet. Nach jedem Fahrauftrag wird jede Fläche, mit dem der Fahrgast in Berührung komm, desinfiziert", erklärt Dragicevic. Zudem könnten Fahrer in Köln ihr Taxi nach jeder Schicht bei der Genossenschaft desinfizieren lassen.

In Berlin hat die Taxi-Innung ausreichend Masken für ihre Fahrer beschaffen können und einen Hersteller ausfindig gemacht, der die Taxis der Hauptstadt mit Trennscheiben aus Plastik ausstattet. Die ersten Behelfslösungen seien weniger beeindruckend gewesen, erinnert sich Nadolski. "Die ersten Scheiben waren handgemacht in der Küche mit einer Säge. Meine Frau hat gefragt, was ich plötzlich da mache. Die haben scheiße ausgesehen."

Deutschland Mainz | Coronakrise | Infektionsschutz im Taxi
Manch ein Fahrer muss kreativ werden, um sich und seine Fahrgäste zu schützenBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

Die Kölner Taxi-Genossenschaft hat bislang weniger Glück gehabt, die Unternehmen müssen vorerst mit provisorischen Lösungen auskommen. "Im Moment sind wir alle gezwungen zu improvisieren. Manche haben Trennwände aus Plexiglas eingebaut. Manche haben Schutzfolien angelegt", sagt Dragicevic.

"Wovon sollen sie leben?"

Tausende Taxifahrer haben Mittel aus dem Corona-Rettungspaket der Bundesregierung erhalten, doch die Rahmenbedingungen der finanziellen Unterstützung sorgen in der Branche auch für Verwirrung und Unsicherheit. Über das Soforthilfeprogramm können Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern Zuschüsse beatragen. Diese sollen aber laut der Bundesregierung der Finanzierung des Lebensunterhalts, sondern der Deckung laufender Betriebskosten dienen - ein Problem für viele Taxifahrer, meint Nadolski. "Wovon sollen sie leben?"Die Bundesregierung empfiehlt Selbstständigen, zur Finanzierung der Miete und anderer Lebenshaltungskosten Grundsicherung zu beantragen - aus Sicht von Dragicevic ein "total unnötiger Aufwand". Der Bundesverband Taxi und Mietwagen e.V. habe sich in der Sache an die Bundesregierung gewandt, warte aber noch auf eine "Klarstellung".

Zudem haben längst nicht alle Taxiunternehmen Anspruch auf Zuschüsse aus dem Soforthilfeprogramm. "Sehr hart getroffen hat es die Firmen, die über zehn Angestellte haben. Die haben keine Hilfe bekommen", sagt Nadolski. "Die werden noch vier oder fünf Wochen überleben können und dann geht die erste Insolvenzwelle los in Berlin."

Nadolski sorgt sich auch um die Zukunft der Taxibranche nach der Pandemie. "Wir werden viele Fahrzeuge verlieren - für immer." Es werde wohl lange dauern, bis sich die Lage wieder entspannen werde, prognostiziert er. "Es ist sehr ungewöhnlich. Man macht sich schon Sorgen allgemein. Aber wir müssen jetzt damit leben."