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US-Superimpfstoff soll vor allen Coronaviren schützen

1. Februar 2022

Der "Pan-Coronavirus-Impfstoff" SpFN der US-Armee soll vor künftigen Pandemien schützen und Boostern überflüssig machen. Außerdem ist der Proteinimpfstoff leicht zu lagern. Trotzdem sind Mediziner skeptisch.

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US Soldat erhält Impfung
Künftig soll ein Pan-Coronavirus-Impfstoff die US-Streitkräfte vor mehreren Coronavirus-Stämmen und -Spezies schützen. Bild: Brian A. Barbour/U.S. Army/Zuma/picture alliance

"Superimpfstoff", "Pan-Coronavirus-Impfstoff", "Wunderwaffe" - das alles soll der Corona-Impfstoff SpNF sein, den ein Forschungsinstitut des US-Militärs derzeit testet.

Denn dieser Spike-Ferritin-Nanopartikel-Impfstoff, kurz SpFN, soll vor Infektionen mit einer Vielzahl von Coronavirusvarianten schützen und so künftige Pandemien verhindern. Regelmäßiges Boostern würde damit hinfällig, selbst wenn neue Varianten auftauchen: Einer gegen Alle!

Außerdem muss SpFN nicht wie etwa die mRNA-Impfstoffe bei zweistelligen Minusgraden gekühlt werden, was die Lagerung und Verteilung deutlich erleichtert.

Trotzdem sind Mediziner skeptisch, weil es ja bereits Impfstoffe gibt, die SARS-CoV-2 in Schach halten, die bei einer Infektion schwere Verläufe signifikant reduzieren und die sich gerade durch die neue mRNA-Technologie auch bei künftigen Coronaviren vergleichsweise schnell modifizieren lassen. Eine "Wunderwaffe" sei SpNF deshalb nicht. "Als Superimpfstoff würde ich das nicht bezeichnen", sagt Prof. Dr. Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) gegenüber der DW.

Wie funktioniert der "Superimpfstoff"?

Bei SpFN handelt es sich um einen Proteinimpfstoff. Das Wirkprinzip ähnelt dem des Proteinimpfstoffs von Novavax, der von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) Ende Dezember zugelassen wurde und der ebenfalls bei normaler Kühlschranktemperatur gelagert werden kann. 

SpFN basiert dabei auf Ferritin, einem körpereigenen Eiweißmolekül, das Eisen speichern kann. Dieses Eiweißmolekül faltet sich von selbst zu einer Kugel mit 24 Seiten - so ähnlich wie ein Fußball.

An jeder Seite ließe sich dann das markante Spikeprotein einer anderen Coronavariante aufbringen. Das macht den Impfstoff so wandel- und eben auch leicht modifizierbar.

Auf diese Stachelstruktur, die sogenannten Spikeproteine, zielen auch die bisher zugelassenen Impfstoffe ab. Die Spikes sind wie Türöffner, die an den ACE-2-Rezeptor andocken und es den Coronaviren so ermöglichen, in die menschlichen Zellen einzudringen.

Durch eine Impfung bilden sich Antikörper, die an eben jenes Spikeprotein so binden, dass das Andocken an den Rezeptor nicht mehr funktioniert und das Virus die Zellen entsprechend nicht mehr infizieren kann.

Gleichzeitig werden durch die Impfung T-Zellen aktiviert, die die infizierten Zellen erkennen, abtöten und so die Virusvermehrung verhindern.

Um die Impfantwort zu verstärken, wurde dem SpFN-Impfstoff die Adjuvanz ALFQ beigefügt, die das Immunsystem sofort in Alarmzustand versetzt und dabei besonders sicher und wirksam sein soll. 

Impfstoffe - ihre Vorteile, ihre Nachteile

Im Affenversuch erfolgreich

Entwickelt wurde SpFN am Walter Reed Army Institute of Research (WRAIR) in Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland. Zunächst wurde die Corona-Impfung mit Ferritin-Nanopartikeln an Rhesus-Affen getestet.

Die Impfung habe starke neutralisierende Antikörper gegen das ursprüngliche Coronavirus sowie auch gegen die vier Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta ausgelöst und sei sogar gegen das SARS-1-Virus wirksam gewesen, obwohl sich dieser Virustyp deutlich von SARS-CoV-2 unterscheidet, schrieben die WRAIR-Forschenden im Fachmagazin Science Translational Medicine.

Medienberichten zufolge sollen die durch die SpFN-Impfung entstandenen Antikörper auch die Omikron-Variante bekämpfen können.

Nach den erfolgreichen Tests an Rhesusaffen haben auch bereits Phase-1-Studien am Menschen stattgefunden, hieß es vom Walter Reed Army Institute of Research. Diese klinischen Tests sollen Aufschluss geben, ob die Wirksamkeit von SpFN auch auf den Menschen übertragbar und ob der Impfstoff verträglich ist.

Die Tests sollen den Weg "für einen universellen Impfstoff ebnen, der nicht nur gegen das aktuelle Virus schützt, sondern auch gegen künftige Varianten", so Impfstoff-Miterfinder Dr. Kayvon Modjarrad vom WRAIR. 

"Wir möchten die klinischen Daten abwarten, bevor wir sie der Öffentlichkeit bekannt geben, aber bisher läuft alles genau so, wie wir es uns erhofft haben."

Das nächste Coronavirus im Blick

Längerfristig, so der medizinische Chefberater des Weißen Hauses, Dr. Anthony Fauci, vor dem Kongress, könnte die Entwicklung eines universellen Impfstoffs gegen Coronaviren dazu beitragen, die nächste Pandemie zu verhindern.

"Es wird viel investiert, nicht nur in die Verbesserung der Impfstoffe, die wir für SARS-CoV-2 haben, sondern auch in die Entwicklung der nächsten Generation von Impfstoffen, insbesondere von universellen Coronavirus-Impfstoffen", sagte Fauci bei einer Kongress-Anhörung.

Anthony Fauci, MD, Direktor, Nationales Institut für Allergien und Infektionskrankheiten
Der medizinische Chefberater des Weißen Hauses, Dr. Anthony Fauci, hat bereits kommenden Virus-Varianten im Blick. Bild: CAP/MPI/RS ©RS/MPI/Capital Pictures/picture alliance

Dass das US-Militär eine wirksame "Wunderwaffe" gegen Coronaviren entwickeln will, kommt nicht von ungefähr. Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass auch in Zukunft mit aggressiven Coronaviren zu rechnen ist.

Bislang haben sich nur wenige Coronaviren an den Menschen angepasst. Wenn es ihnen aber gelingt, dann meist mit spürbarem Erfolg. So werden rund ein Drittel der gewöhnlichen Erkältungen durch Coronaviren ausgelöst.

Am ersten aggressiven SARS-Coronavirus starben 2002 weltweit fast 1000 Menschen. Zehn Jahre später wurde ein neues, aggressives Coronavirus beim Menschen entdeckt:  MERS-CoV, das "Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus", das zunächst im Nahen und Mittleren Osten bemerkt wurde, sich bis Mai 2014 aber unter anderem auch in Europa ausbreitete.

"Das beschleunigte Auftreten menschlicher Coronaviren in den letzten zwei Jahrzehnten und der Anstieg von SARS-CoV-2-Varianten, darunter zuletzt Omikron, unterstreichen den anhaltenden Bedarf an präventiven Impfstoffen der nächsten Generation, die einen breiten Schutz vor Coronavirus-Erkrankungen bieten", so Modjarrad weiter.

"Unsere Strategie bestand darin, eine 'Pan-Coronavirus'-Impfstofftechnologie [ein Impfstoff der Antikörper erzeugt, die auf verschiedenen Coronaviren passen, Anm. d. Red.] zu entwickeln, die potenziell einen sicheren, wirksamen und dauerhaften Schutz gegen mehrere Coronavirus-Stämme und -Spezies bieten könnte", sagt Modjarrad.

Zweifel an "Wunderwaffe"

Ob SpNF tatsächlich die hohen Erwartungen erfüllen kann, bleibe abzuwarten, so Prof. Dr. Carsten Watzl. "Erstens muss dieser Impfstoff noch durch die klinischen Studien, wo sich die Daten aus dem Tierexperiment bestätigen müssen. Zweitens kann man natürlich auch mRNA-Impfstoffe so anpassen, dass sie das Spike Protein von verschiedenen Varianten bilden und damit eine breite Immunität vermittelt wird."

Auch im Vergleich mit dem Proteinimpfstoff von Novavax oder den mRNA-Impfstoffen sei SpFN nicht der ultimative Game-Changer. "Ein Proteinimpfstoff ist besser lagerbar und könnte billiger sein - also Vorteile gegenüber mRNA-Impfstoffen besonders für ärmere Länder. Aber: auch die so vermittelte Immunität hält nicht dauerhaft und muss genauso wie die mRNA-Impfung aufgefrischt werden", so Watzl. 

"Vielversprechendere Entwicklungen wären für mich ein Pan-Corona-Impfstoff und ein mukosaler Impfstoff, also ein Inhalations- oder Nasenspray in der Kombination mit der klassischen Impfung in den Arm, um lokal gewebsständige Gedächtniszellen zu erzeugen. Beides ist in der Entwicklung, aber noch lange von einer Anwendung entfernt", gibt Watzl zu bedenken. 

Auch Dr. Andreas Radbruch, Immunologe und wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin sieht SpNF nicht als Wunderwaffe: "Ob dieser Impfstoff gegen alle nur denkbaren, heute noch gar nicht existierenden Varianten von SARS-CoV-2 schützt, sei dahingestellt", so Radbruch gegenüber T-Online. "Ich wäre da skeptisch."

Der Artikel wurde am 03.Februar 2022 aktualisiert. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund