Stumme Bilderkünstler: 34. Stummfilmtage Bonn
Die Stummfilmära währte dreieinhalb Jahrzehnte. Doch trotz Erfindung von Ton- und Farbfilm und moderner, digitaler Filmtechnik: Stummfilme haben nichts von ihrer Faszination verloren. 10 Höhepunkte des Filmfests Bonn.
Stumme Erotik: "Flesh and the Devil" (1926)
Der Stummfilm "Flesh and the Devil" (dt. Titel "Es war") entstand nach einem Roman des deutschen Autors Hermann Sundermann. Obwohl es sich um ein klassisches, konventionelles Melodrama handelte, gilt "Flesh and the Devil" heute noch als bemerkenswert, weil das Leinwandpaar Greta Garbo und John Gilbert darin erotische Funken versprühten. Anschließend wurden Garbo/Gilbert ein Paar.
Kunst der Symbolik: "Abwege" (1928)
Zwei Jahre nach "Flesh and the Devil" drehte G. W. Pabst, der "große Realist des Weimarer Kinos" (Bonner Stummfilmtage), in Deutschland sein sozialkritisches Melodrama "Abwege". Siegfried Kracauer sah beide Filme und schrieb 1928: "Es scheint, als sei damals der Lippenstift ein anerkanntes Symbol der Sünde gewesen." In beiden Filmen würde dieser benützt, um die femme fatale zu charakterisieren.
Kinokunst aus Japan: "Die Tänzerin von Izu"
Das Bonner Stummfilmfest, das 2018 zum 34. Mal stattfindet, gehört weltweit zu den bedeutendsten seiner Art. Den Ruf hat es sich vor allem auch dadurch erworben, weil es nicht nur Stummfilmperlen aus Hollywood, Deutschland und anderen europäischen Kinonationen zeigt. Ein Beispiel in diesem Jahr: "Die Tänzerin von Izu" nach einem Roman des japanischen Literatur-Nobelpreisträgers Yasunari Kawabata.
Exotische Blicke: "Das Grabmal einer großen Liebe" (1928)
In der ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hatten die Menschen noch nicht die Möglichkeiten per Flugzeug weit entfernt liegende Weltregionen kennenzulernen. Stummfilme, die fern der Heimat spielten, erfreuten sich so großer Beliebtheit - wie die jetzt aufwändig restaurierte indische Produktion "Das Grabmal einer großen Liebe" des Deutschen Franz Osten, die in Bonn zu sehen ist.
Studiowelten: "Opium" (1918)
Ebenfalls nach Indien (und nach China) entführt der 1918 gedrehte Film "Opium". Doch im Gegensatz zu "Das Grabmal einer großen Liebe" entstand die Produktion in Neubabelsberg: "Wenn man nicht weiß, wo das Werk aufgenommen wurde, kommt man wohl schwerlich dahinter, dass all das - Chinesenviertel, Indierstadt, Löwendschungel - in einem Vorort Berlins erbaut worden ist", schrieb ein Kritiker damals.
Dokumentarischer Realismus: "Die Schwalbe und die Meise" (1920)
So etwas wie das Gegenteil exotischer Welten präsentierte André Antoine in "Die Schwalbe und die Meise", der vom Leben von Kahnfahrern auf französischen und belgischen Kanälen erzählt. Das war den Produzenten zu karg und dokumentarisch, sie ließen die Produktion stoppen, das Material blieb ungeschnitten. Erst 1984 wurde der Film restauriert und gezeigt - ein poetisches Meisterwerk aus Belgien!
Geschichtskino: "Der Mann, der das Gedächtnis verlor" (1929)
Als deutsche Erstaufführung wird beim 34. Bonner Stummfilmfest die rekonstruierte Fassung der sowjetischen Produktion "Der Mann, der das Gedächtnis verlor" gezeigt. Friedrich Ermler erzählt eine Geschichte von Krieg und Revolution und setzt dabei auf die Vielfalt der filmischen Formensprache: Das russische Kino der 1920er Jahre war damals eines der innovativsten der Welt.
Deutscher Expressionismus: "Faust" (1926)
Natürlich entstanden auch in Deutschland damals Filme, die von der Experimentierlust ihrer Macher nur so strotzten. Ein Beispiel: die berühmte Faust-Verfilmung von Friedrich Wilhelm Murnau. Doch auch dieser Klassiker hat in Bonn etwas Neues zu bieten: Gerhart Hauptmanns Zwischentitel wurden bei der Premiere nicht verwendet - in der rekonstruierten Fassung sind sie wieder zu sehen und nachzulesen!
Komik I: "Alles in Schlagsahne" (1927)
Natürlich gibt es beim Bonner Filmfestival auch etwas zu lachen. So ist der Stan & Oli-Klassiker "Alles in Schlagsahne" bereits zum zweiten Mal in Bonn zu sehen. Schon 2015 wurde die rekonstruierte Fassung der Komödie hier präsentiert - danach wurden allerdings weitere Fragmente des Stummfilms entdeckt. Und so gibt es beim Festival nun eine weitere "neue" Fassung zu sehen.
Komik II: "Buster Keatons Flitterwochen" (1920)
Und auch dies ist ein Komödienklassiker: "Buster Keatons Flitterwochen" zeigte den genialen Amerikaner beim Versuch, für sich und seine frisch angetraute Ehefrau ein Haus zu bauen. "Im Rückblick war Buster Keaton wahrscheinlich der bedeutendste aller Komödien-Regisseure", urteilte der angesehene britische Filmhistoriker Kevin Brownlow 1997.