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Streik in Hollywood: Gedreht wird trotzdem

Torsten Landsberg
18. August 2023

Die Streiks von Schauspielern und Drehbuchautoren haben Hollywood lahmgelegt. Ein paar Produktionen laufen trotzdem weiter - aber es sind keine Streikbrecher am Werk. Was ist da los?

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Die Schauspielerin Fran Drescher steht mit Kollegen mit erhobenen Fäusten vor einem Mikrofon.
Früher "Nanny", heute Streikführerin: Schauspielerin Fran DrescherBild: Frazer Harrison/Getty Images

Während in den großen Hollywood-Studios gähnende Leere herrscht, weil Schauspieler und Drehbuchautoren streiken, laufen anderswo die Kameras weiter. "The Hollywood Reporter" listet rund 200 Projekte auf, an denen die Arbeiten fortgesetzt werden, darunter "Flight Risk" von Mel Gibson mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle und die über Crowdfunding finanzierte Serie "The Chosen".

Bei diesen Drehs handelt es sich um sogenannte Independent-Produktionen, die unabhängig von den großen Studios finanziert werden. Die Gewerkschaft SAG-AFTRA (Screen Actors Guild-American Federation of Television and Radio Artists) prüft allerdings alle Verträge, um sicherzustellen, dass nicht doch eines der bestreikten Studios als Co-Produzent beteiligt ist. Halten die Produktionen der Prüfung stand, dürfen ihre Mitglieder an diesen Projekten mitwirken. Einige Künstlerinnen und Künstler kritisieren diese Ausnahmeregelungen, weil sie damit den Zusammenhalt gefährdet sehen.

Schauspielerin Sarah Silverman trägt Sonnenbrille und Cap beim Streik.
Komikerin Sarah Silverman hält nichts von den Ausnahmeregelungen für Independent-ProduktionenBild: Chris Pizzello/AP/dpa/picture alliance

Allerdings: Wer als Indie-Filmer seine Produktion fortsetzen will, muss sich gegenüber der Gewerkschaft dazu verpflichten, im jeweiligen Projekt deren aktuelle Forderungen bereits zu erfüllen. Damit setzt SAG-AFTRA die bestreikten Multimilliarden-Konzerne unter Rechtfertigungsdruck. Die argumentieren bislang, die Forderungen der Schauspielgewerkschaft seien überzogen und unrealistisch. Wenn aber unabhängige Produzenten ohne große Budgets die Forderungen umsetzen könnten, "wie unrealistisch sind sie dann wirklich?", fragte Duncan Crabtree-Ireland, Verhandlungsführer von SAG-AFTRA, im US-Hörfunknetzwerk NPR.

Warum in Hollywood gestreikt wird 

Hollywood und die Forderung nach besserer Bezahlung - auf den ersten Blick will das nicht so recht zusammen passen. Hieß es nicht gerade erst, dass Margot Robbie, Hauptdarstellerin und Co-Produzentin des Erfolgsfilms "Barbie", schon jetzt 50 Millionen Dollar mit dem Projekt eingenommen hat? Immerhin 40 Millionen soll Robert Downey Jr. für seine Auftritte als Marvel-Superheld "Iron Man" erhalten haben - jeweils.

Als die US-Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA ihre Mitglieder aufrief, die Arbeit niederzulegen, war es nicht ihr Ziel, die Konten der Superstars weiter zu füllen. Man möchte die Bedingungen derer verbessern, die in Filmen nur kleine Auftritte haben oder als Statisten gebucht werden, und nach dem Dreh wieder ihren Alltagsjobs nachgehen. 

Auch in den USA steigen die Preise und Lebenshaltungskosten. Vor einem Jahr lag die Inflationsrate bei 8,5, aktuell liegt sie bei 3,5 Prozent. SAG-AFTRA fordert einen Inflationsausgleich und ein Vergütungssystem, das den neuen Vertriebsmöglichkeiten und dem veränderten Sehverhalten des Publikums Rechnung trägt.

Vor dem Netflix-Gebäude werden Streikschilder hochgehalten
Intransparentes System: Nicht mal Filmschaffende erfahren, wie erfolgreich eine Streaming-Produktion läuftBild: Mario Tama/Getty Images

Beispielsweise waren Gagen früher bei der reinen Kinoauswertung mitunter über eine Gewinnbeteiligung an den (nachweislichen) Erfolg eines Films gekoppelt. Im Streaming-Zeitalter sind Erfolgsfaktoren dagegen völlig intransparent. Dass Streaming-Anbieter wie Netflix aus ihren Zugriffszahlen ein Geheimnis machen, ist bekannt. Fran Drescher, Präsidentin von SAG-AFTRA und dem TV-Publikum der 1990er-Jahre als "Die Nanny" bekannt, sagte dem Sender CBS, selbst die Schauspielerinnen und Schauspieler bekämen keine Einblicke in die Zahlen. 

Die Angst der Filmbranche vor der KI 

Außerdem fordert die Schauspielgewerkschaft, die digitalen Persönlichkeitsrechte müssten dort geschützt werden, wo Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Mit einmal angefertigten Gesichts- und Körperscans von Darstellern könnten unter Zuhilfenahme der KI neue Filme entstehen, ohne die tatsächlichen Menschen erneut engagieren zu müssen.

Die Studios widersprechen dieser Darstellung: Die Nutzung von Scans gelte immer nur für das jeweilige Filmprojekt, bei dem sie erzeugt würden. Jede weitere Nutzung würde die erneute Zustimmung erfordern und entsprechend weitere Vergütung bedeuten.

Die im Verband der TV- und Filmstudios (AMPTP) vertretenen Studios - darunter Branchenmultis wie Disney, Warner Bros, Paramount, Amazon und Netflix - weisen die Forderungen der Gewerkschaft jedoch als überzogen und unrealistisch zurück. Die Fronten sind verhärtet.

Zwischen SAG-AFTRA und den Studios gab es bislang keine Verhandlungen. Erste Gespräche zwischen der ebenfalls streikenden Gewerkschaft der Drehbuchautorinnen und -autoren und den Studiovertretern endeten ohne Annäherung. Branchenkenner mutmaßen, die Streiks könnten noch Monate andauern. Die ursprünglich für den kommenden September geplante Verleihung des Fernsehpreises Emmy ist bereits auf Januar des nächsten Jahres verschoben worden.

Die Folgen des Hollywood-Streiks

Bereits kurz vor dem Inkrafttreten des Schauspiel-Streiks verließen Cillian Murphy, Emily Blunt und Matt Damon am 13. Juli aus Solidarität die Premiere ihres Films "Oppenheimer" in London .

Wer Mitglied in einer der Gewerkschaften ist, darf nicht arbeiten: keine Drehs, keine PR-Termine, keine Interviews zu Filmprojekten, keine Auftritte bei Filmpremieren - andernfalls droht ihm oder ihr der Ausschluss. Das hätte gravierende Folgen, etwa den Verlust der Krankenversicherung. Außerdem sind die Studios verpflichtet, bevorzugt Gewerkschaftsmitglieder für Rollen zu besetzen. Wer aus der Gewerkschaft fliegt, würde künftig kaum noch eine Chance auf Engagements haben.

Superstars wie George Clooney oder Meryl Streep haben sich mit Millionenspenden an einem Streikfonds beteiligt, aus dem finanziell gebeutelte Mitglieder Zuwendungen beantragen können. Viele Kleindarsteller halten sich derzeit mit Nebenjobs über Wasser. Nicht von dem Fonds profitieren andere in der Filmbranche Beschäftigte wie zum Beispiel Beleuchter, Make-up-Artists oder Caterer.

Streikende laufen mit Schildern durch Hollywood
Zum ersten Mal nach mehr als 60 Jahren streiken Autoren- und Schauspielgewerkschaft gleichzeitigBild: Mark J. Terrill/AP/picture alliance

Zahlreiche Projekte liegen auf Eis, darunter auch Fortsetzungen wie die letzte Staffel des Netflix-Hits "Stranger Things". Dem Ende August beginnenden Filmfest in Venedig kam mit dem Tennisdrama "Challengers" bereits der geplante Eröffnungsfilm abhanden, das Studio MGM verlegte den Filmstart ins nächste Jahr. Zwar sollen Filme wie Bradley Coopers Drama "Maestro" über Leonard Bernstein oder Sofia Coppolas "Priscilla" über die frühere Ehefrau von Elvis Presley ihre Premieren feiern und im Wettbewerb um den Goldenen Löwen konkurrieren - auf dem roten Teppich dürfte es aber zugig werden.

Erster gemeinsamer Streik seit mehr als 60 Jahren

160.000 Menschen sind in der Gewerkschaft organisiert, weshalb in der Berichterstattung häufig diese Zahl genannt wird, wenn es um die Streikenden geht. Neben Schauspielerinnen und Schauspielern sind allerdings auch andere Medienschaffende wie Nachrichtenredakteure, Moderatorinnen, Tänzer, Synchronsprecherinnen, Stuntleute oder Puppenspieler durch SAG-AFTRA vertreten. Der Streik betrifft nach Schätzungen rund 65.000 Mitglieder. 

Bereits seit Mai befinden sich die in der Gewerkschaft WGA organisierten Drehbuchautorinnen und -autoren im Streik. Bei den Late-Night-Talkshows von Jimmy Kimmel, Jimmy Fallon und Stephen Colbert sind seitdem die Lichter aus. Die langfristigen Folgen sind noch nicht spürbar und dürften sich in sechs bis neun Monaten abzeichnen - wenn Kino- oder Serienneustarts ausbleiben. Erst einmal waren die rund 11.000 Mitglieder der Autorengilde bis dato zur gleichen Zeit im Arbeitsausstand wie die Schauspielerinnen und Schauspieler - im Jahr 1960.