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Politik

Neue Frauen-Rechte: Kosmetik oder Reform?

3. August 2019

Saudische Frauen dürfen fortan ohne Zustimmung eines männlichen Vormunds ins Ausland reisen, heißt es in einem Ende der Woche offiziell bekanntgegeben Gesetz. Kritiker begrüßen das, zeigen aber auch Vorbehalte.

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Saudi Arabien Frauen mit Burka auf der Straße
Bild: AFP/F. Nureldine

Saudische Frauen, die älter sind als 21 Jahre, haben fortan das Recht, einen Pass zu bekommen und ins Ausland zu reisen. Auf die Zustimmung eines männlichen Vormunds - in aller Regel die des Ehemanns oder eines Familienmitglieds - sind sie nicht mehr angewiesen.

Diese und andere Erleichterungen für die weiblichen Bürger des Königreichs gab die Regierung am Freitag dieser Woche bekannt. Das nun erlassene Dekret erlaubt ihnen auch, Eheschließungen, Scheidungen oder die Geburt eines Kindes amtlich bestätigen zu lassen, ein Recht, das bislang Männern vorbehalten war. Zudem können Frauen jetzt auch gesetzlicher Vormund ihrer Kinder zu werden.

Die Änderungen sind Teil einer Initiative, die auf den saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman zurückgeht. Der hatte bereits früher einige Beschränkungen für Frauen aufgehoben. So dürfen Frauen seit dem Sommer vergangenen Jahres den Führerschein machen und ein Auto fahren.

Zustimmung mit Vorbehalt

Der Schritt sei begrüßenswert, denn er bringe den Frauen konkrete Erleichterungen im täglichen Leben, sagt Ali Adubisi, Vorsitzender der in Berlin ansässigen Menschenrechtsorganisation "European Saudi Organisation for Human Rights" (ESOHR). Die Frauen könnten sich nun freier bewegen und seien weniger abhängig von den Männern. "Damit haben sie in der Gesellschaft insgesamt einen besseren Stand. Das ist ein Fortschritt", so Adubisi im Gespräch mit der DW.

Symbolbild: Frauen in Saudi Arabien
Mobilität als Ziel: Eine Frau in Saudi-Arabien nimmt an einer Fahrschulveranstaltung teilBild: picture-alliance/dpa/G. Hamdy

Allerdings sei dieser Schritt vor allem propagandistisch motiviert. "Er gründet nicht auf menschenrechtlichen Überzeugungen des Königshauses, sondern auf schlichter Notwendigkeit". Saudi-Arabien sei zuletzt wiederholt negativ in die Schlagzeilen geraten. Besonders die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Ankara habe dem Ruf des Kronprinzen Mohammed bin Salman geschadet. "Vor allem in Europa wird er gemieden, auf internationalen Veranstaltungen lässt sich niemand mit ihm sehen. Darum versucht der Kronprinz sein Image aufzubessern. Der Weg dahin läuft auch über Reformen zugunsten der Frauen."

Kampf mit dem Image

Tatsächlich steht Saudi-Arabien vielfach unter Druck. Die Militär-Intervention im Jemen dauert seit über vier Jahren an, die dort begangenen Menschenrechtsverletzungen sowie die humanitäre Katastrophe werden Saudi-Arabien angelastet. Auch wegen des Umgangs mit Dissidenten steht das Land in der Kritik.

Die parteiübergreifende US-Kommission für internationale religiöse Freiheit (US Commission on International Religious Freedom, USCIRF) empfahl in ihrem Jahresbericht US-Präsident Trump, sich nicht weiter schützend vor Saudi-Arabien zu stellen, um auf diese Weise gegen das Königreich gerichtete Sanktionen zu unterbinden. Besonders kritisierte der Bericht den harten Umgang der saudischen Regierung mit der schiitischen Minderheit des Landes. Die Autoren des Berichts attestierten dem Land aber, Anstrengungen zur Verbesserung seiner politischen Kultur zu unternehmen.

Solche Zeugnisse schaden dem Ruf des Landes ebenso wie Berichte über junge saudische Frauen, die ihre Zukunft außerhalb des Königreichs suchen. Im Januar versuchte die junge saudische Bürgerin Rahaf Mohammed Alqunun auf dem Weg über Thailand nach Australien zu fliehen. Sie wurde zunächst auf dem Flughafen von Bangkok verhaftet, erhielt nach diplomatischem Ringen dann aber Asyl in Kanada. Im April setzten sich die beiden Schwestern Maha und Wafa al-Subaie über die Türkei nach Georgien ab. Von dort brachen sie in ein unbekanntes Land auf, in dem sie sich vor ihrer Familie sicher fühlen.

Kanada Rahaf Mohammed Alqunun PK in Toronto
Nach der Flucht: Rahaf Mohammed in Kanada, Januar 2019Bild: Reuters/M. Blinch

"Solche Missstände bewegen den Kronprinz, sich für die Verbesserung der Frauen einzusetzen. Dabei geht es ihm vor allem um die Außenwirkung", sagt Ali Adubisi.

Auftakt zu weiteren Reformen

Anders sieht es die saudische Frauenrechtlerin Arafat Almajed. "Der Kronprinz hat innerhalb einer konservativen Gesellschaft einen großen Schritt nach vorn getan", so Almajed im DW-Interview. "Viele saudische Bürger, auch Beamte, lehnen diese Reformen ab. Sie sind vor allem deshalb dagegen, weil sie die Bedeutung dieser Rechte nicht angemessen einschätzen."

Das Ende des Vormundschaftssystem wird nicht dazu führen, dass die jungen saudischen Frauen das Land so schnell wie möglich verlassen werden, heißt es in diesem Tweet von Arafat Almajed an die Kritiker der Reform

Dabei sei diese Reform erst der Anfang, glaubt Almajed. In einem nächsten Schritt werde es darum gehen, die Menschen aufzuklären und die Bedeutung dieser Entscheidungen zu verdeutlichen. Die jüngste Reform könnte ein erster Schritt zu weiteren Korrekturen sein, an deren Ende die vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen stünde.

Erinnerung an verhaftete Frauenrechtlerinnen

Ali Adubisi ist skeptisch. In einer heute erschienenen Studie seines Instituts weist er darauf hin, dass in den letzten Jahren über 50 Frauenrechtlerinnen verhaftet worden seien. 44 befänden sich weiter in Haft.

Tweet von Ali Adubisi: Erinnerung an die verhafteten Frauen, verbunden mit der Bitte um weitere Informationen zu ihrem Schicksal:

"Solange diese Frauen weiterhin in Haft sind, ist der wesentliche Teil der Reformen verfehlt", so Adubisi. Denn politische Rechte würden den Bürgern weiter vorenthalten. Nur wenn diese gewährt würden, könne man von echten Reformen sprechen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika