Putin warnt NATO-Staaten vor Truppeneinsatz in der Ukraine
29. Februar 2024Sollten NATO-Staaten militärische Kontingente in die Ukraine schicken, wären die Konsequenzen tragisch, sagte Wladimir Putin in Moskau. Der Westen solle bei seinen Drohgebärden daran denken, dass auch Russland Waffen habe, die Ziele auf westlichem Territorium treffen könnten, betonte er vor mehr als 1000 Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion. "Alles, was der Westen sich einfallen lässt, womit sie die Welt erschrecken, schafft die reale Gefahr eines Konflikts mit dem Einsatz von Atomwaffen, was die Zerstörung der Zivilisation bedeutet", fügte der 71-Jährige hinzu. Es handele sich nicht um einen "Trickfilm", sagte Putin vor der Föderalen Versammlung aus beiden Kammern des Parlaments.
Der Kreml-Chef bezog sich damit offenbar auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der am Montag bei einer Ukraine-Unterstützerkonferenz in Paris gesagt hatte, die Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine dürfe nicht ausgeschlossen werden.
Gut zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Russland äußerte sich Putin in seiner Rede zuversichtlich über die Lage an der Front in der Ukraine. Die russischen Streitkräfte hätten ihre Kampffähigkeiten erhöht, sagte er. Die Armee rücke in mehreren Gebieten "selbstbewusst" vor.
Droht ein neuer Rüstungswettlauf?
Zugleich wies der Präsident Behauptungen, dass Russland den Westen angreifen wolle, als "Blödsinn" zurück. Eine starke globale Ordnung sei ohne ein starkes Russland nicht möglich. Er sei bereit, über eine eurasische Sicherheitsarchitektur zu sprechen. Putin warf dem Westen vor, sein Land in einen Rüstungswettlauf ziehen zu wollen. Der Staatschef kritisierte in diesem Zusammenhang die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO. Russland sei deshalb gezwungen, seine Streitkräfte an der Westgrenze zu stärken.
Den USA bot Putin erneut einen Dialog an zur strategischen Sicherheit in der Welt. Russland und die USA hatten im Zuge ihres Konflikts mehrere Abrüstungsverträge ausgesetzt oder aufgekündigt. Russland sei bereit zu neuen Gesprächen, wenn die USA aufhörten, es auf eine strategische Niederlage Moskaus abzusehen. Russland führt seit dem 24. Februar 2022 einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hält etwa ein Fünftel des Nachbarlandes besetzt. Zuvor hatte Russland ebenso völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim annektiert.
Putin stellt sich vom 15. bis 17. März erneut zur Wahl als russischer Präsident. Seine Bestätigung im Amt gilt als sicher. Zur Wahl sind keine ernstzunehmenden Vertreter der Opposition zugelassen. Putins fünfte Amtszeit würde im Fall seines Wahlsieges erst 2030 enden.
Wie ein großer Wahlkampfauftritt
Zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl nutzte Putin seine Rede zur Lage der Nation, um weitreichende soziale Wahlversprechen für Arme, Kranke und Großfamilien zu geben. So rief er ein neues nationales Unterstützungsprogramm für Familien aus. Für die Modernisierung des Gesundheitswesens sagte der 71-Jährige zugleich eine Billion Rubel (rund 10 Milliarden Euro) an neuen Haushaltsmitteln zu.
Putin, der in Russland seit mehr als 24 Jahren an der Macht ist, räumte ein, dass immer noch 13,5 Millionen Menschen im Land unterhalb der Armutsgrenze leben. Vor allem Großfamilien seien davon betroffen. Bei etwa 30 Prozent der Großfamilien sei die finanzielle Lage prekär. Bis 2030 sollte dieser Anteil auf zwölf Prozent gesenkt werden, forderte er.
Lebenserwartung soll steigen
Als Maßnahmen zur Stützung der Familien stellte Putin soziale Hypothekenprogramme, höhere Steuerfreibeträge für Kinder und regionale Sozialprogramme vor, die aus dem föderalen Haushalt gestützt werden sollen. Der Mindestlohn solle von 19.000 Rubel (190 Euro) im Monat bis 2030 auf 35.000 Rubel (350 Euro) steigen. Durch die Verbesserung des Gesundheitswesens und den Neubau von 350.000 Sportanlagen in den nächsten Jahren soll nach seinen Worten die Lebenserwartung in Russland bis 2030 von derzeit 73 auf 78 Jahre steigen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Lebenserwartung für Männer bereits jetzt nach offiziellen Angaben bei über 78 Jahren, bei Frauen sogar bei mehr als 83 Jahren.
Es war Putins 19. Rede zur Lage der Nation. Sie wurde live im Fernsehen übertragen und konnte bei freiem Eintritt auch in zahlreichen Kinos verfolgt werden. Zuletzt hatte der Präsident im Februar 2023 die Rede gehalten und erklärt, den Vertrag New Start über die Abrüstung von Atomwaffen auszusetzen. Im ersten Jahr des Ukraine-Krieges hatte er die Rede zur Lage der Nation ausfallen lassen.
kle/jj (rtr, dpa, afp)