Programm: Kino
Ein bisschen was von "Kino" hat es schon, wenn Adrian, Michael und die Freunde, die heute gekommen sind, einmal die DVD eingeworfen und den Beamer angeschmissen haben. Dann sitzen alle auf IKEA-Klappstühlen und starren auf die kleine Leinwand, die provisorisch in einem Holzrahmen hängt. Der Eintritt ist frei, die Getränkeauswahl beschränkt sich auf Bier – ein kleiner Obulus ist gern willkommen, als Zuschuss für den Beamer. Den rückt noch schnell jemand aus der ersten Reihe zurecht, dann sind alle zufrieden. Die Vorstellung kann beginnen.
Filmklassiker im Hinterzimmer
"Wir zeigen hier Klassiker, die man selten im Fernsehen oder im Kino sieht" sagt Adrian Maksan, der die "Sneak-Classics" mitbegründet hat. Angefangen hat alles 2004 in seinem Wohnzimmer in Bonn, mit 5 Leuten. Irgendwann kamen immer mehr Freunde und Bekannte, bald wurde es dann zu eng. Nach Zwischenstationen in größeren Wohnzimmern und den Räumen eines Cafés, wo nach Ladenschluss im Hinterzimmer der Beamer angeworfen wurde, sitzen sie jetzt in den Büroräumen einer akademischen Buchhandlung.
Neue Wege für alte Filme
Viele Stationen haben sie durchlaufen, ohne ihr Vorhaben aufzugeben. Sie wollen sich gegenseitig mit besonders prägenden, filmisch revolutionären oder schlicht weltbekannten Filmklassikern bekanntmachen. Jede Woche zeigt ein anderer aus der Runde einen Film, der Rest weiß nicht, was kommt. Dieses abgewandelte Prinzip der "Sneak Preview", also der Überraschungspremiere eines Films vor dessen offiziellem Kinostart, verfolgen auch viele Kinos. Die gespannte Vorfreude, wenn man beim Kartenkauf nicht weiß, welchen Film man gleich auf der Leinwand zu sehen bekommt, ist ein gängiges Lockmittel und eine attraktive Vermarktung für neue Filme.
"Googeln kann man das nicht"
"Der Film ist cut!" sagt Michael, der heute "Filmvorführer" ist. Die italienische Komödie von 1952 "Don Camillo und Peppone", die er zeigt, wurde in der deutschen Version gekürzt – "wegen der Prügelszenen in der Kirche". Solche und andere filmischen Details werden hier gerne ausgetauscht. "Googeln kann man das nicht", sagt Götz. 109 Filme hat die Bonner Gruppe bereits angeschaut und diskutiert. Auch neuere Klassiker wie "Pulp Fiction" oder "Das Schweigen der Lämmer" liefen schon im Rahmen der "Sneak-Classics", trotzdem sind es gerade die alten Perlen, die die Filmabende so besonders machen.
Freigegeben ab 18 Jahren
An diese Raritäten heranzukommen, ist manchmal gar nicht so einfach: Michael wollte heute eigentlich "Stadt der Frauen" von Fellini vorführen. Der Film ist in Deutschland allerdings erst ab 18 Jahren freigegeben. Da stieß er selbst in der gut sortierten Online-Videothek, in der Filme über ein Onlineportal ausgeliehen werden können, auf Probleme: "Da muss man sich dann bei der Poststelle ausweisen" erzählt er, "und am öffentlichen Schalter ein Paket entgegen zu nehmen mit der riesigen Aufschrift: "´Achtung! Nur von Person über 18 Jahren zu öffnen!´ ist dann doch etwas peinlich", sagt er.
Multiplex-Mainstream vs. Programmkino-Perlen
Wenn du nicht zur Leinwand kommst, kommt die Leinwand halt zu dir – so das Motto der Bonner Gruppe. Ein Notfallprinzip, das aber auch Spaß macht. - Programmkinos sind selten geworden – 2007 gab es insgesamt noch 588 solcher Säle in ganz Deutschland, Tendenz abnehmend. Auch ein Umsatzminus wurde für die Branche der Programmkinos für 2007 festgestellt. Es sind die großen Multiplex-Häuser, die die Kinolandschaft in Deutschland dominieren: Zwar machen sie gerade mal ein Drittel aller deutschen Filmtheater aus, trotzdem stemmen sie knapp über 50% des Umsatzes.
"Die Entdeckerfreude hat nachgelassen"
"Der gesellschaftliche und kulturelle Stellenwert des Kunstfilms ist katastrophal!" sagt Dieter Hertel, der in Bonn zwei Programmkinos, das "Rex-Filmtheater" und die "Filmbühne", betreibt. Vor allem in den Medien schenke man der Filmkunst keine Beachtung mehr, es gebe keine einzige anspruchsvolle Filmsendung im Fernsehen. "Die eigene Entdeckerfreude hat da nachgelassen, gerade Filme aus Japan, China oder Südamerika haben es selbst im Filmkunstbereich schwer." Dieter Hertel wählt die Filme für sein Kino nach eigenem Geschmack aus, trotzdem kommt es oft vor, dass er Filme, die "so toll sind, dass man sie zeigen muss" dann doch nicht zeigen kann – aus ökonomischen Gründen. „Da muss man immer drauf achten ein Gleichgewicht zu haben“, sagt er. Filme im Original mit Untertiteln zu zeigen sei ebenfalls nur selten möglich, und über die Digitalisierung des Kinos will Dietel Hertel erst gar nicht anfangen: "Das ist ein weites Feld" seufzt er.
Auch ohne Kino glücklich
Es gibt inzwischen viele Gründe, warum man Filmklassiker und Kunstfilme nur noch selten in deutschen Kinos zu sehen bekommt – schade ist es allemal. Die Bonner "Sneak-Classics" machen jedoch vor, wie man trotzdem zum Sehvergnügen vor der Leinwand kommt – auch ohne Kino.
Autorin: Sophie Wenkel
Redaktion: Jochen Kürten