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Antisemitische Worte am Anne Frank Haus: Polizei ermittelt

14. Februar 2023

Unbekannte Täter hatten eine antisemitische Laser-Botschaft auf die Außenwand des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam projiziert. Seit Tagen ermitteln die Behörden.

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Ein Mädchen lächelt in die Kamera
Anne Franks Tagebuch ist weltberühmt Bild: IFTN/United Archives/picture alliance

Das Museum selbst hatte erst durch ein "Hass-Video" im Messengerdienst Telegram davon erfahren, dass ihr Haus am Montag, den 6. Februar, minutenlang mit einer Laser-Botschaft angestrahlt worden war. Sie lautete: "Anne Frank, Erfinderin des Kugelschreibers" - und bezieht sich auf die falsche Behauptung, dass Teile ihres berühmten Tagebuchs mit Kugelschreiber geschrieben worden seien, obwohl das Schreibgerät erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Gebrauch kam. Das Museum reagierte umgehend: Die Botschaft "greife die Authentizität des Tagebuchs an und verbreite Hass"; sie sei "rassistisch und antisemitisch", hieß es auf der Webseite.

Die Vertreter der Kugelschreiber-These, allesamt rechte Gruppierungen, beziehen sich auf einen Fund in den 80er-Jahren, bei dem mit Kugelschreiber beschriebene Notizblätter in den Papieren von Anne Frank gefunden worden waren. Niederländischen Medien zufolge handelt es sich dabei aber um Notizen einer Gutachterin, die diese in den 1960er-Jahren versehentlich zwischen den Seiten gelassen hatte.

Ein geöffnetes Buch voller handgeschriebener Zeilen und Fotos
Eines der Tagebücher von Anne FrankBild: Insa Kohler/dpa/picture alliance

"Kein Platz für Antisemitismus"

Die niederländische Zeitung "Het Parool" hatte als Erste von dem Vorfall Anfang Februar berichtet und auch darüber, dass bei der Aktion ein antisemitisches Lied abgespielt worden sei. Regierungschef Mark Rutte erklärte auf Twitter: "Es gibt keinen Platz für Antisemitismus in unserem Land. Wir können und dürfen das niemals akzeptieren." Justizministerin Dilan Yesilgöz-Zegerius schrieb, der Vorfall zeige die Notwendigkeit einer Gesetzgebung zur Leugnung des Holocaust in den Niederlanden. Auch die Amsterdamer Bürgermeisterin Femke Halsema verurteilte den Vorfall als "reinen Antisemitismus".

Früher Tod in Bergen-Belsen

Anne Frank wurde 1929 in Frankfurt am Main geboren und hatte eine ältere Schwester namens Margot. Nach der Machtergreifung Hitlers emigrierten die Franks nach Amsterdam. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande 1940 war auch diese Stadt nicht mehr sicher für Juden. Die Familie versteckte sich in einem Hinterhaus, das an das Büro des Vaters angebaut war.

Hier schrieb Anne ihr berühmtes Tagebuch, bis die Familie 1944 verraten und nach Auschwitz deportiert wurde. Ein Jahr später starben Anne und Margot an Typhus im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Anne wurde nur 15 Jahre alt, ihre Schwester 19. Die Mutter der beiden starb in Auschwitz. Nur Vater Otto überlebte.

Verschwörungstheorie von Holocaustleugnern

Nach dem Krieg veröffentlichte Annes Vater ihre Tagebücher, die als eines der wichtigsten Zeugnisse der Judenverfolgung während des Zweiten Welktriegs gelten. Rechte Guppierungen und Autoren behaupten immer wieder in Büchern, auf Websites und in Pamphleten, dass die Tagebücher gefälscht seien - und beziehen sich dabei auch auf besagten Kugelschreiber. Die meisten von ihnen sind Holocaustleugner. 

Auf der Website des Anne Frank Hauses wird genau erklärt, warum die Verschwörungstheorie der angeblich gefälschten Bücher immer wieder auftaucht. Der "Kugelschreiber-Mythos" hat seinen Ursprung in einem vierseitigen Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) aus dem Jahr 1980. In diesem werden die Korrekturen mit Kugelschreiber erwähnt, die nach dem Krieg hinzugefügt worden seien. Fälschlicherweise wurden sie Anne Frank zugeschrieben.

Anne Frank-Haus in Amsterdam
Der Dachboden des Verstecks der Familie Frank - hier hielt sich Anne oft aufBild: dpa/picture-alliance

Unhaltbare Theorie

Mitte der 1980er-Jahre bewiesen niederländische Beamte, dass mit Kugelschreiber verfasste Zeilen nur auf zwei losen Blättern zu finden waren, die den anderen Seiten der Tagebücher eindeutig nachträglich beigelegt worden seien. Zudem sei die Handschrift vollkommen anders als jene in Anne Franks Tagebüchern.

1987 meldete sich die Familie einer Hamburger Graphologin namens Dorothea Ockelmann und erklärte, sie habe in den 60ern die Notizen auf den losen Blättern verfasst. 2006 veröffentlichte das BKA eine Stellungnahme, in der es hieß, dass die Untersuchung aus dem Jahr 1980 keine Zweifel an der Echtheit der Tagebücher lasse. 

In jüngster Zeit gab es in den Niederlanden laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mehrfach Aktionen, bei denen rechtsextreme Botschaften auf bekannte öffentliche Gebäude projiziert wurden. Bislang gibt es keine konkreten Hinweise auf die Täter. Der Vorfall am Anne Frank Haus sei gemeldet und Ermittlungen seien eingeleitet worden, sagte ein niederländischer Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Er stehe zudem in Kontakt mit Staatsanwaltschaft und Stadtrat.

mg/pj/suc (AFP, dpa)