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Olympia: Keine einfachen Antworten

30. November 2023

Wie wirken sich Russlands Angriffskrieg und die Gewalt in Nahost auf Olympia aus? Und wie sollte der Sport darauf reagieren? - darüber diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus dem deutschen Sport in Köln.

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Frankreich Paris 2017 | Olympische Ringe
Im Sommer 2024 finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Bild: Thomas Padilla/MAXPPP/picture alliance

Erstmal durchatmen. Nach zwei Stunden Diskussion ist Léa Krüger gerade vom Podium im deutschen Sport- und Olympiamuseum gekommen. In der Debatte darüber, wie der Sport mit den aktuellen Konflikten umgehen soll, hatte die Säbelfechterin ihre Sicht als Athletin vertreten. Mehrfach hatte sie währenddessen mit dem Kopf geschüttelt. "Es ist mir teilweise ein bisschen zu weit weg gewesen", erzählt sie im Gespräch mit der DW: "Manche Argumente sind für mich zu abstrakt und nicht mehr realitätsnah."

Titel der Diskussion: "Friedensspiele in Zeiten des Krieges"

Auf dem prominent besetzten Podium saß Krüger als Aktive und Präsidiumsmitglied von "Athleten Deutschland" neben dem Olympiaexperten Sven Güldenpfennig, der Sportpolitikerin Viola von Cramon-Taubadel und Friedhelm Julius Becher, dem Präsidenten des deutschen Paralympischen Komitees. Aus Genf zugeschaltet war Sylvia Schenk, der Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International.

Die komplexe Lage in Nahost wurde zwar mehrfach gestreift, schnell drehte sich die Diskussion aber vor allem um die Frage, ob russische Sportlerinnen und Sportler in Paris 2024 dabei sein dürfen oder nicht. "Wir müssen alles tun, um den Aggressor zu stoppen", forderte Europaabgeordnete Cramon-Taubadel eine klare Kante - auch in der Sportpolitik. Krüger betonte, in welches Dilemma die Aktiven gestürzt würden, sollte es keinen Totalausschluss geben. Aus eigenem Erleben schilderte sie die Vorkommnisse bei der Fecht-WM, als eine Sportlerin aus der Ukraine für einen verweigerten Handschlag vom Wettbewerb ausgeschlossen wurde.

Deutschland | Podiumsdiskussion im Deutschen Sport- und Olympiamuseum
Unterschiedliche Perspektiven zum Russland-Bann: Diskussionsrunde im Olympiamuseum in KölnBild: Jens Krepela/DW

Gegen eine pauschale Sperre argumentierten Sylvia Schenk und Sven Güldenpfennig. "Wenn der Sport die individuellen Menschenrechte russischer und belarussischer  Athleten missachtet, hat Putin ein Stück weit gewonnen", meinte Schenk und verwies auf die Regularien der Sportverbände, die ein solches Vorgehen nicht hergäben. Güldenpfennig warnte, die olympische Bewegung dürfe sich nicht von "allgemeinpolitischen Bestrebungen" vereinnahmen lassen. Für Olympia als völkerverbindendes Sportfest mit über 200 teilnehmenden Nationen "muss ein kleinster gemeinsamer Nenner gefunden werden." Ein kompletter Ausschluss rühre an der Zukunft von Olympia, ist er sich sicher. Auf dem Podium quittierten Krüger und Cramon-Taubadel diese Haltung mit skeptischen Blicken. 

"Ich bin schon der Meinung, dass man das machen kann", unterstreicht Beucher im Anschluss an die Runde gegenüber der DW. "Wir haben im Regelwerk des Internationalen Paralympischen Komitees IPC stehen, dass es während der Wettkämpfe keinen Krieg geben darf." Dann, so Beucher, müsse man auch pauschal sagen dürfen, "wer dagegen verstößt, der wird ausgeschlossen." Als deutscher Vertreter im IPC hat er jedoch auch mitbekommen, dass der Weltverband im Spätsommer den Bann russischer Sportler via Mehrheitsentscheidung aufgehoben hat. Sie dürfen unter neutraler Flagge in Paris starten. "Die Entscheidung muss man respektieren, aber man braucht sie nicht zu akzeptieren", sagt Beucher - und will für seine Position weiterhin werben.

Klarheit von Seiten des IOC gefordert

Trotz im Detail unterschiedlicher Sichtweisen ist sich die Runde einig, dass es keinen Freifahrtschein für Russland und Belarus geben kann. "Klare, nachvollziehbare Kriterien für die Zulassung als neutrale Teilnehmer", fordern die Juristin Schenk ebenso wie Fechterin Krüger.

Zwar gibt es einen solchen Katalog des Internationale Olympische Komitees (IOC), in dem insbesondere zwei Punkte entscheidend sind: Sportler, die den Krieg aktiv und öffentlich unterstützen, dürfen nicht mitmachen. Außerdem Aktive, die als Sportsoldaten dem russischen Militär zugeordnet werden können. Jedoch halten Experten die Formulierung dieser Punkte für so weich, dass sie genug Schlupflöcher böten.

"Wenn es aus rechtlichen Gründen keinen Komplettausschluss gibt, dann müssen es auf jeden Fall Kriterien sein, die so eindeutig sind, dass wir eine klare Distanzierung haben", erklärt Politikerin Cramon-Taubadel. Sie fordert eine schriftliche Verpflichtung der Athletinnen und Athleten aus Russland, die sich damit ernsthaft von dem Angriffskrieg distanzieren. "Aber das geht theoretisch nicht, weil sie sich mit einer solchen Erklärung strafbar machen würden", bemerkt sie skeptisch im DW-Interview, "wie das IOC das regeln will, weiß ich nicht".

Die deutsche Säbelfechterin Léa Krüger hat ihre Maske abgezogen und ihre Wettkampfgerät in der Hand.
Olympiakandidatin Léa Krüger: "Wir brauchen klare Regeln und Sanktionen"Bild: Kohring /Eibner-Pressefoto/picture alliance

Neun Monate vor den Spielen in Paris können die obersten Olympier jedenfalls auf Zuspruch bauen. Verbände aus Asien, Afrika und Südamerika unterstützen mehrheitlich den Kurs des IOC, russische und belarussische Sportler unter neutraler Flagge starten zu lassen - im Gegensatz zu 36 hauptsächlich europäischen Ländern, die sich dagegen aussprechen. Von einer Zereissprobe für den Sport will Behindertensport-Chef Beucher zwar nicht sprechen, "das ist aber schon eine Diskussion, die an die Grundwerte des Sports rührt“. 

Léa Krüger freut sich dennoch sehr auf die Spiele. Es bleibe ein Traum als Sportlerin bei Olympia dabei zu sein, betont sie. "Ich glaube nicht, dass die Fragen bis zum Sommer gelöst sein werden. Aber ich hoffe sehr, dass wir mit der Debatte weiter vorankommen und vielleicht uns mehr aufeinander zubewegen können."

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor