1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nike Wagner zum 70. Geburtstag

Rick Fulker9. Juni 2015

Publizistin, Festivalintendantin, Kritikerin und Wagner-Urenkelin: Nike Wagner scheint mit 70 auf dem Zenit ihrer Karriere zu stehen. Seit 2014 leitet sie mit viel Elan und neuen Ideen das Beethovenfest in Bonn.

https://p.dw.com/p/1FdkB
Nike Wagner
Bild: Beethovenfest

Sie spricht immer druckreif, oft mit einer Prise trockenen Humors gewürzt. Sie ist eine erfolgreiche Publizistin und begann eine Spätkarriere als Festivalintendantin.

Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland nahmen den 70. Geburtstag von Nike Wagner, Intendantin des Beethovenfestes Bonn, zum Anlass, ihr herzliche Glückwünsche zu überbringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb: "Sie zählen zu den profiliertesten Persönlichkeiten des deutschen Kulturlebens. Mit Ihrem Wirken stellen Sie seit vielen Jahren unter Beweis, dass es sich lohnt, über die Grenzen der Sparten und Disziplinen hinaus zu denken. Ich bin sicher, dass diese Fähigkeit auch das Beethovenfest in Bonn in besonderer Weise bereichern wird."

Nike Wagner wurde am 9. Juni 1945 als drittes Kind vom Wagner-Enkel Wieland und seiner Frau Gertrud geboren. Sie wuchs in Wahnfried auf, im einstigen Wohnhaus ihres Urgroßvaters Richard Wagner. Nach dem Nachkriegs-Neubeginn der Bayreuther Festspiele gingen Künstler dort ein und aus. Auch Wagners Festspielhaus lernten Nike, ihre Geschwister und ihre Cousins von klein auf kennen.

Besonders eng war der Kontakt unter den Kindern der beiden Festspielleiter Wieland und Wolfgang Wagner jedoch nicht. Im heimischen Garten in Wahnfried ließ ihr Vater eine Mauer zwischen dem Haupthaus und dem Siegfried-Wagner-Haus errichten. Dort residierte Nikes Großmutter Winifried und empfing auch schon mal alte Freunde aus der Nazizeit.

Die Wagners waren sich nie besonders grün. Keine fand bissigere Worte dafür als Nike Wagner selbst, beschrieb sie als "Atridenclan, in dem Väter die Söhne kastrieren und Mütter sie liebend erdrücken, … in dem Brüder einander auf die Füße treten und Brüder gegen Schwestern aufstehen wie Schwestern gegen Brüder, … in dem die Männer weiblich sind und die Weiber männlich, und in dem ein Urenkel dem anderen schon an der Leber knabbert."

Nie weit weg vom Grünen Hügel

Nike studierte Musik-, Theater- und Literaturwissenschaft. An der Northwestern University in Illinois/USA promovierte sie über den österreichischen Schriftsteller Karl Kraus. Sie versuchte sich als Komponistin elektronischer Musik, war Redaktionsassistentin beim NDR-Fernsehen, lebte nach 1975 als freischaffende Autorin, schrieb Bücher und Aufsätze.

Nike Wagner vor einem Franz Liszt-Plakat
In Weimar widmete sich Nike Wagner beim Kunstfest ihrem Ahnen Franz LisztBild: picture alliance/dpa

Nachdem Wieland Wagner 1966 verstarb, blieb sein Bruder Wolfgang allein zuständig für die Leitung der Bayreuther Festspiele. Nike Wagner wurde zu einer der schärfsten Kritikerinnen ihres Onkels, stellte künstlerische Stagnation am Grünen Hügel fest und forderte den Führungswechsel.

Als Wolfgang Wagner 1999 das Verfahren für die Suche eines Nachfolgers öffnete, bewarb sie sich gemeinsam mit Elmar Weingarten, dem damaligen Intendanten der Berliner Philharmoniker, für die Festspielleitung - vergebens. Ein späterer Versuch kam in der gemeinsamen Bewerbung mit dem Komponisten und Festspielleiter Peter Ruzicka. Abermals versuchte sie es zusammen mit ihrer Cousine Eva Wagner-Pasquier - und zum Schluss, kurz vor Ende der Bewerbungsfrist 2008, mit dem gefeierten Regisseur und Festspielintendanten Gerard Mortier.

Wie könnte man ein so erfolgreiches Festival noch verbessern? Als Antwort legte Nike Wagner verschiedene Konzepte vor, etwa dass man die Bayreuther Festspiele öffnen und auch andere Komponisten dort aufführen sollte. Ein unwahrscheinlicher Ansatz, hätte er doch eine Änderung der Stiftungssatzung der Bayreuther Festspiele erfordert.

Nike hätte so gern den grünen Hügel erobert, doch es kam anders. Das Entscheidungsgremium, der Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele, entschied sich zum Schluss für die Tandemlösung Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner, die Töchter Wolfgang Wagners und Nikes Cousinen, deren Arbeit sie wachsam verfolgte.

Nicht nur Wagner

Seit 2004 ging Nike Wagner andere Wege, wurde künstlerische Leiterin des Kunstfestes Weimar. Dort ging es um einen weiteren Ahnen: Richard Wagners Schwiegervater und ihren Ur-Urgroßvater Franz Liszt. In einem Interview mit der DW sagte sie am Ende ihrer Weimarer Zeit: "Da ich in Bayreuth aufgewachsen bin, stand immer Richard Wagner im Mittelpunkt meines Lebens. Aber ich habe Franz Liszt sehr lieben gelernt. Ich musste mich ausgiebig mit seinen Werken beschäftigen, seiner Biographie und den Zeitumständen, und das hat mir gut getan."

Kammermusik, Soloabende und Interdisziplinäres standen im Mittelpunkt des Weimarer Festivals. Nach zehn erfolgreichen Jahren dort wurde sie Intendantin des viel größeren Bonner Beethovenfests. Zum Wechsel zeigte sich der Spross einer Künstlerfamilie als Sympathisantin: "Künstler muss man lieben, heilig halten," sagte sie, "wie rohe Eier behandeln, alles für sie tun. Denn sie stehen am Abend auf dem Podium und müssen alles geben mit dem Risiko des Versagens."

Beethoven - und immer noch ein bisschen Bayreuth

Die inzwischen erprobte Festspielintendantin, die nach eigener Aussage inhaltlich vorgeht, setzt heute in Bonn eigene Akzente: "Das Beethovenfest braucht ein durchdachtes Programm," sagte sie der DW im Oktober 2014. "Gerade weil Beethoven auf der ganzen Welt gespielt wird, müssen wir darüber nachdenken, wie wir ihn besonders hervorheben und ehren können. Seine Werke müssen in Beziehung zu Werken aus anderen Epochen gesetzt werden."

Bayreuth: Festspielhaus
Bayreuth lässt sie nicht losBild: picture alliance / dpa

Hat Nike Wagner das Kapitel Bayreuth inzwischen abgeschlossen? Nicht ganz. Jedes Jahr ist sie dort Festspielbesucherin. Gegen die Aushöhlung der Rechte der Wagnerfamilie in der Festspielorganisation erwägen sie und ihre Geschwister gerichtlich vorzugehen. Die jüngsten Kontroverse um die Bayreuther Festspiele - es geht um die frühzeitige Entlassung ihrer Cousine Eva Wagner-Pasquier aus der Festspielleitung - kommentierte sie mit den schlichten Worten: "Fifa ist überall."