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PolitikAfrika

Nach G7-Gipfel: Klima-Kritik an Deutschland

Leonie von Hammerstein
29. Juni 2022

Die ugandische Klima-Aktivistin Vanessa Nakate findet: Noch immer wird denjenigen, für die die Klimakrise jetzt schon Realität ist, zu wenig zugehört. Sie kritisiert im DW-Interview auch explizit den deutschen Kanzler.

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Klimaschutzaktivistin Nakate erhält Helmut-Schmidt-Zukunftspreis
Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Den letzten Satz ihrer Rede formuliert sie auf deutsch, sicherlich nicht ganz unbeabsichtigt: "Was werden Sie hinterlassen, Herr Scholz?". Gerade hat Afrikas wohl bekannteste Klima-Aktivistin Vanessa Nakate den mit 20.000 Euro dotierten Helmut-Schmidt-Zukunftspreis in Hamburg erhalten. Nakate verschwendet keine Zeit, nutzt ihre Rede, um über die Klimakrise zu sprechen - und über ihre Enttäuschung nach drei klimapolitisch so wichtigen Wochen in Deutschland.

Klimaschutzaktivistin erhält Helmut-Schmidt-Zukunftspreis
Vanessa Nakate ist die erste Preisträgerin des Helmut-Schmidt-ZukunftspreisesBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Gekommen ist die 25-jährige Aktivistin aus Uganda mit ein paar ihrer Freunde und Mitstreiterinnen von "Rise Up" - der afrikanischen Klimabewegung, die sie selbst ins Leben gerufen hat. Um Druck aufzubauen bei der Bonner Klimakonferenz Mitte Juni, und ein paar Tage später dann beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau.

Klimakrise ist jetzt

"Ich frage Sie", richtet sie sich an die 500 Gäste der Preisverleihung in der Hamburger Elbphilharmonie. "Was wird diese Auszeichnung wert sein, wenn die Welt, in die ich in Kampala zurückkehre, bald zu einem unfruchtbaren, verdorrten und unbewohnbaren Ort wird?" Nakate sieht sich als Vertreterin eines Landes, eines Kontinents, der jetzt schon unter den Folgen der Klimakrise leidet. "Für uns heißt es Fridays for Now" hat sie mal in einem Interview gesagt, in Anspielung an die Klimabewegung "Fridays for Future".

Unwetter-Katastrophe in Südafrika

Tatsächlich ist es so, dass der afrikanische Kontinent historisch weniger als 4% zu den CO2-Emissionen beigetragen hat, die die Klimakrise befeuern. Und das obwohl heute 14% der Weltbevölkerung dort leben. Ein Beispiel: Ein Mensch im Südsudan verursacht pro Jahr durchschnittlich 0,1 Tonnen CO2, in Deutschland sind es 7,7. Aber dafür leidet der afrikanische Kontinent schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels: Gleich zehn der am stärksten von Dürre betroffenen Länder liegen in Afrika. Die Folgen: unter anderem Hungersnöte, wie gerade im Horn von Afrika.

Vanessa Nakate | ugandische Klimaschutzaktivistin mit Elizabeth Wathuti in Davos
Den Stimmen aus dem Globalen Süden müsse endlich zugehört werdenBild: Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/picture alliance

Aber statt ihre "historische Chance" - so Nakate - zu nutzen und ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen, hätten die G7-Staaten ihre Zeit in Bayern damit verbracht, Schlupflöcher für neue Investitionen in Gasfelder zu ermöglichen, deren Nutzung die Klimaziele gefährde. Begründet hatten die G7-Staaten das mit der Abhängigkeit von Russland, die beendet werden müsse. Trotzdem, das sei frustrierend, sagt Nakate im DW-Interview nach der Preisverleihung und zieht Bundeskanzler Olaf Scholz zur Verantwortung: "Die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers, sich als Klimakanzler zu bezeichnen, wird die Erderwärmung nicht aufhalten. Es sind die Taten, die folgen müssen.""So oft haben wir diese Worte und Versprechen von führenden Politikern schon gehört und dann sind die Taten, die folgen, natürlich sehr frustrierend und sehr verheerend für unsere Gemeinden", sagt Nakate. Deutschland habe das Potenzial, eine führende Rolle einzunehmen im Klimaschutz. Und Geld zur Verfügung zu stellen - für eine Energiewende, auch in Afrika, und auch für die Schäden, die die Klimakrise jetzt schon anrichtet. "Ohne Klimafinanzierung keine Klimagerechtigkeit" heißt es passend dazu auf den Plakaten, die Nakate und andere auch diese Woche wieder in die Kameras strecken.

G7 Gipfel Elmau 2022 | Kanzler Scholz nach Abschluss-PK
Nakate ist enttäuscht vom deutschen BundeskanzerBild: AFP

Lösungen made in Afrika

Aber dafür müsse man zuhören, denn: "Die Klimakrise wird uns alle betreffen, wenn wir nichts dagegen tun." Man merkt, Nakate ist geübt. Die Sätze sagt sie nicht zum ersten Mal, sie hat Erfahrung auf der Bühne gesammelt. 2019, im Januar, fing sie von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg inspiriert, an, zu streiken. Es dauerte ein bisschen bis sie überhaupt Unterstützung bekam. 2020 dann wurde sie weltweit bekannt - mit einem Foto, auf dem sie nicht drauf war. Ein Pressefotograf von AP hatte sie mit den Fridays for Future-Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos fotografiert - und aus dem Foto herausgeschnitten. Nakates Tweet dazu ging viral. Lenkte die Aufmerksamkeit darauf, wie die weltpolitische Öffentlichkeit mit Stimmen aus dem globalen Süden umgeht. Noch immer, sagt sie, sei da viel Luft nach oben:

Vanessa Nakate | ugandische Klimaschutzaktivistin
In Uganda setzt Nakate ganz konkret auch Projekte umBild: Hajarah Nalwadda/AP Photo/picture alliance

"Wenn man über Lösungen für den Klimawandel spricht, ist alles sehr auf den globalen Norden ausgerichtet, aber wenn man sein Herz öffnet und den Menschen in den am stärksten betroffenen Gebieten zuhört, wird einem klar, dass wir durchaus Lösungen haben."Lösungen, wie die, die sie auch selbst vorantreibt. Nakate hat in Kampala ein Projekt gestartet, das Solarzellen auf Schuldächer installiert. Überhaupt, sagt sie, Schulen seien besonders wichtig. Um Kinder und Jugendliche über die Klimakrise aufzuklären.

Hoffnung?

Was bleibt also für sie nach diesen Wochen in Deutschland? "Wir geben nicht auf", sagt Nakate. Als nächstes werde sie sich auf ihr neues Projekt konzentrieren, eine Plattform, die afrikanische Klima-Aktivistinnen miteinander vernetzt. "Die Welt muss wissen, dass wir wissen, dass die Klimakrise stattfindet. Wir wissen, wer diese Krise verursacht hat, und wir werden dazu nicht schweigen." Die nächste Weltklimakonferenz findet im November auf dem afrikanischen Kontinent statt, in Ägypten. Bis dahin gebe es noch viel zu tun.