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Gesellschaft

Bringt die Medien in die Schulen!

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
28. Dezember 2016

Filterblasen und Fake News: Kennt sich überhaupt noch jemand im Dschungel der Gerüchte und Wahrheiten aus? Wir brauchen dringend mehr Medienkompetenz in unserer Gesellschaft, meint Martin Muno.

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Zeitungsstapel
Bild: picture-alliance/chromorange

"Dahinter steckt immer ein kluger Kopf." Mit diesem Slogan wirbt eine große deutsche Tageszeitung. Will heißen: Zeitung lesen bildet und schafft die Urteilsfähigkeit, die Bürger in einer demokratischen Gesellschaft benötigen, um am politischen Willensbildungsprozess teilzunehmen. 

Dem vorherigen Satz geht es wie den traditionellen Medien: Beide sind so hip wie ein Cordanzug. Die klassischen Medien haben ihre führende Rolle als Nachrichtenquelle verloren. Vor einem halben Jahr belegte der "Digital News Report" von Reuters, dass sich inzwischen mehr Menschen über Facebook, Twitter und andere soziale Plattformen informieren als über Zeitungen. Und gerade viele junge Menschen nutzen Social Media als primäre Informationsquelle - zum Teil sogar ausschließlich.

Wir bekommen was wir liken

Das Problem dabei ist: In diesen "sozialen" Medien folgen wir unseren Freunden, die ohnehin schon der gleichen Meinung sind wie wir selbst. Zahlreiche Studien belegen: Mediennutzer neigen dazu, in erster Linie solche Informationen zu rezipieren, die ihren eigenen Überzeugungen entsprechen. Dieses Phänomen wird durch die Algorithmen von Google oder Facebook noch verstärkt. Denn dort bekommen wir mehr und mehr von dem, was wir suchen oder liken. Die berühmten Filterblasen werden so zu Echokammern, in denen wir immer lauter und schriller nur das hören, was wir selbst glauben und meinen.

Tendenziell gilt das Prinzip Filterblase auch für traditionelle Medien: Konservative lesen nun einmal eher die FAZ, Grüne die taz. Doch für beide Blätter und ihre Auftritte im Netz gilt das Prinzip, Meinung und Nachricht zu trennen und sich auch an der jeweils anderen Position abzuarbeiten.

Die gefährlichen notwendigen Filter

Dabei sind Filter grundsätzlich nichts Schlechtes. Wenn immer mehr Informationen auf uns einströmen, benötigen wir Methoden und Werkzeuge, irrelevantes von relevantem zu trennen. Mit dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft übernahmen die Medien diese Aufgabe. "All the news that's fit to print" ("Alle Nachrichten, die es wert sind, gedruckt zu werden") steht heute noch auf jeder Print-Ausgabe der New York Times. Das heißt: Nachrichten werden auf Relevanz und Wahrheitsgehalt geprüft und in einer klaren Ordnung präsentiert.

Auf einer Facebook-Timeline ist davon nichts zu spüren. Medienberichte, politische Meinungsäußerungen und Verschwörungstheorien sind dort wild zusammengerührt, dazwischen Katzenvideos und Food-Porn. Lügen können millionenfach geteilt werden und entfalten so eine hohe Wucht: In Washington schoss ein 28-Jähriger in einer Pizzeria um sich, weil er die Fake News glaubte, Hillary Clinton habe von diesem Restaurant aus ein Kinderporno-Netzwerk betrieben.

Sag' mir, was Du magst, und ich sag' Dir, wer Du bist

Und noch etwas unterscheidet "alte" und "neue" Medien auf fundamentale Weise: Wenn ich Zeitungen aus Papier lese, hinterlasse ich lediglich eine Spur in meiner Altpapiertonne. Bei Facebook hinterlasse ich eine ganze Datenpiste. Vor kurzem wurde ein Rechenmodell veröffentlicht, mit dem man eine Person anhand seiner Likes auf Facebook nicht nur einschätzen, sondern sein Verhalten sogar prognostizieren kann. "70 Likes reichen danach, um die Menschenkenntnis eines Freundes zu überbieten, 150 um die der Eltern. Und mit 300 Likes kann die Maschine das Verhalten einer Person eindeutiger vorhersagen als deren Partner."

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DW-Redakteur Martin Muno

Das macht uns manipulierbar. Was haben wir in Deutschland über Donald Trumps völlig widersprüchliche Wahlversprechen und Aussagen gestaunt. Aber was wäre, wenn uns über unsere Facebook-Accounts passgenau nur die Versprechen erreichten, die wir unterstüzen und wir gar nichts von den anderen, entgegengesetzten mitbekommen? Mit solcher Hilfe könnte eine totalitäre Gesellschaft entstehen, von der Hitler oder Stalin nur träumen konnten.

Allmächtige Lügen

Schon jetzt können nach einer Studie der Universität Stanford 80 Prozent der zwölf- bis 13-jährigen US-Amerikaner nicht zwischen Nachrichten und Werbung unterscheiden.

Wenn wir nicht wollen, dass das auch bei uns passiert, müssen wir die Medienbildung unserer Kinder erheblich verbessern. Wir müssen ihnen beibringen, welche Chancen, aber auch welche Risiken im Netz lauern. Wir müssen die Mechanismen der Echokammern offenlegen und zeigen, mit welchen Mitteln populistische Wahrheitsverdreher arbeiten und wie man Fakten auf Stimmigkeit überprüfen kann.

Der Ort, an dem das geschehen muss, ist die Schule. Wir brauchen eine bessere Medienpädagogik mit Lehrern, die sich selbst im Netz und den sozialen Medien auskennen. Und wir brauchen Platz in den Lehrplänen - auch wenn dann mal ein Stauferkaiser wegfällt.

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