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Kleider machen Leute - Mit einer Einkaufsberaterin auf Shopping-Tour

Stefanie Müller-Frank 8. September 2008

Die Beraterbranche boomt. Auch im Privatleben gehört es längst zum guten Ton, sich einen Coach zu leisten. Einen Fitnesstrainer oder einen persönlichen Einkäufer, der bei der Auswahl von passender Kleidung berät.

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Die Gründerinnen des Mode-Labels "Kaviar Gauche", Johanna Kühl (l) und Alexandra Fischer-Roehler (14.07.2004/dpa)
Hauptberufliche Einkaufsberaterinnen liegen im TrendBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Mit der Modepuppe in der Ecke, dem wandgroßen Spiegel und all den Katalogen mit Schnittmustern gleicht die Agentur von Elisabeth Rogowska einem Schneideratelier. Nur dass es dafür zu aufgeräumt ist. Die 38-Jährige stammt aus Polen, ihr Vater war Herrenmaßschneider, so ist sie mit Stoffen und Schnittmustern aufgewachsen.

Notfalleinsatz Shoppingtour

Eine Frau geht durch die Goethestrasse in Frankfurt am Main, vorbei an Geschaeften (10. Mai 2006/AP)
Seit sechs Jahren arbeitet sie als selbständige Visagistin, Personal Shopper und Stil-BeraterinBild: AP

Um in Berlin Modedesign zu studieren, lernte sie deutsch, vor sechs Jahren hat sie sich als hauptberufliche Einkaufsberaterin selbständig gemacht. Jetzt streicht ihre weiße, enge Schlaghose glatt. Schwarze Locken fallen ihr offen auf die Schulter. Sie wartet auf ihren Stammkunden Peter Wollnik. Alle paar Wochen gehen die beiden gemeinsam einkaufen, der Termin heute ist allerdings ein Notfall.

"Ich habe Ihnen ja am Telefon gesagt, Frau Rogowska, ich habe mir einen Anzug gekauft und zu Hause noch mal angehabt – aber irgendwas stimmt an dem Anzug nicht", sagt Peter Wollnik, als er den Raum betritt. "Ich fühle mich darin nicht wohl und da dachte ich mir, ich komme noch mal zu ihnen, um zu gucken: Habe ich mich da verkauft? Oder was ist es, dass ich mich darin nicht wohlfühle?"

Wunsch nach Veränderung

Der Unternehmensberater trägt ein graues Leinensakko, darunter ein Hemd mit vielen, kleinen, grau-weißen Kreisen und passende graue Lederschuhe. "Mich stören diese Knitter, die überall sind", sagt er. "Aber ich wollte auch mal meinen ganzen Mut zusammennehmen und mich selbst kreativ gestalten. Auf der Puppe in dem Geschäft sah der sehr gut aus." Elisabeth Rogowska bleibt gelassen, mustert das Spiegelbild. Seit sechs Jahren arbeitet sie als selbständige Visagistin, Personal Shopper und Stil-Beraterin.

Sie fragt ihren Kunden. Ob er sich vorstellen könnte, zum neuen Sakko weiße Jeans zu tragen. Er lehnt ab: "Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen." Aber sie bleibt dran: "Wie wäre es, wenn wir das sofort umsetzen und gucken, ob wir eine weiße Jeans für Sie finden?" – "Wenn Sie mit mir gehen? Gut, dann machen wir das", willigt Wollnik schließlich ein.

Mann vor Spiegel
Viele Menschen tragen heute eine künstliche Präsenz zur SchauBild: HHI Fraunhofer

Er wollte sich einfach verändern, erzählt der 54-Jährige, wusste allerdings nicht, wie. Er sei überzeugt davon gewesen, dass man sich als Unternehmensberater und Trainer immer ein weing extravagant darstellen müsse. "Also immer Schlips, immer den Knopf zu, immer im Anzug", sagt er. "Und wenn Sie so wollen, war es natürlich eine Art Rüstung oder Selbstschutz, den ich mir angelegt habe, um mich nicht so zu öffnen."

"Die Leute geben sich anders als sie wirklich sind."

75 Euro die Stunde kostet es, mit Elisabeth Rogowska einkaufen zu gehen. Provision von den Modegeschäften nimmt sie nicht, sie lebt von der unabhängigen Beratungsleistung. Ihre Kunden sind meist Frauen zwischen 25 und 60, erfolgreiche Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, ein bestimmtes Image präsentieren müssen. Viele sind auf der Suche nach einem weiblicheren Outfit, das sie aber auch im Job tragen können.

"Ich glaube, dass viele Menschen heute durch ihre Kleidung eine künstliche Präsenz zur Schau tragen, die oft nicht dem entspricht, was sie wirklich auch sind", sagt Elisabeth Rogowska. Die Leute würden sozusagen nur die Mode und die Trends übernehmen.

Der Vorhang geht auf: Peter Wollnik trägt jetzt eine weiße Jeans zu seinem grauen Sakko. Die Einkaufsberaterin schaut gespannt – nicht so sehr auf die Jeans als auf Wollniks Gesichtsausdruck.

Das passende Outfit kostet Zeit

Krawatten mit touristischen Motiven praesentiert Edeltraud Rosenfeld in ihrer Manufaktur in Halle (5. Dez. 2003/AP)
Welcher Schlips passt zu welchem Hemd?Bild: AP

Wollnik ist zufrieden: "Das geht schon besser", sagt er. Elisabeth Rogowska teilt seine Meinung: Ja, das wird ein bisschen ruhiger. Eleganter." Peter Wollnik betrachtet sich im Spiegel, nickt, guckt noch mal, seine Augen beginnen zu strahlen. Volltreffer. Eine weiße Jeans soll es auf jeden Fall sein – auch wenn die beiden Modelle, die in diesem Geschäft vorrätig sind, nicht sitzen.

Aber das übernimmt jetzt die Einkaufsberaterin. Selbstverständlich hat sie die Größen ihrer Kunden im Kopf. Das gehört zum Handwerk: "Es gibt einfach Menschen, für die ist es zu stressig, von einem Kleiderständer zum anderen zu laufen", sagt sie. "Und es ist natürlich zeitaufwendig, das Passende zu finden. Aber das ist die Zeit, die ich jetzt auch investieren muss."