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Inflation in Deutschland bei 5,2 Prozent

29. November 2021

Die Preise in Deutschland sind im November so stark gestiegen wie seit 29 Jahren nicht mehr. Doch die Europäische Zentralbank sieht noch immer keinen Grund einzugreifen.

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Symbolbild | Kennzahlen zur Inflation im Euroraum
Bild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Die deutsche Inflationsrate ist im November erstmals seit mehr als 29 Jahren über die Marke von fünf Prozent gestiegen. Waren und Dienstleistungen kosteten 5,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in einer ersten Schätzung mitteilte.

Einen höheren Wert gab es zuletzt während des Wiedervereinigungsbooms im Juni 1992 mit 5,8 Prozent. Für den erneuten Preisschub sorgte vor allem teure Energie.

Damit setzt sich der Preisanstieg in Deutschland in diesem Jahr weiter fort. Im Juli und August hatte die Inflationsrate Werte von knapp unter vier Prozent erreicht, im September 4,1 Prozent und im Oktober dann 4,5 Prozent.

EZB: Nicht von Dauer

Die Europäische Zentralbank (EZB), die für die Geldwertstabilität verantwortlich ist, hält die hohe Inflationsrate allerdings für ein vorübergehendes Phänomen. Der Preisanstieg mache derzeit zwar vielen Menschen Sorgen, hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS vom 28.11.) gesagt. "Wir erwarten aber, dass dieser Anstieg der Inflation nicht von Dauer sein wird. Im nächsten Jahr wird sich das wieder beruhigen. Schon von Januar an erwarten wir, dass die Inflationsraten zu sinken beginnen."

Erklärtes Ziel der EZB ist eine Inflationsrate von zwei Prozent im gesamten Euroraum.

Auch die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel erwartet künftig wieder niedrigere Werte. "Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist", sagte die Währungshüterin im ZDF. Die Teuerungsrate dürfte 2022 wieder allmählich in Richtung zwei Prozent sinken.

Sondereffekt Mehrwertsteuer

Dann würden Sondereffekte wie die zeitweise Senkung der deutschen Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr aus der Statistik fallen. Um den Konsum in der Pandemie anzukurbeln, hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuersätze ab Mitte 2020 um rund drei Prozent gesenkt. Mit dem Jahresbeginn 2021 lief diese Senkung aus. Da sich die monatlichen Inflationswerte auf den jeweiligen Vorjahresmonat beziehen, wird die Inflation in Deutschland derzeit noch zusätzlich erhöht.

Deutschland EZB-Direktorin Isabel Schnabel
Die deutsche Ökonomin Isabel Schnabel gehört zum Direktorium der EZBBild: Daniel Roland/AFP/Getty Images

"Auch die Energiepreise werden nicht mit dem gleichen Tempo weiter steigen", sagte Schnabel. Die pandemiebedingten Lieferengpässe in der Wirtschaft dürften sich zudem allmählich auflösen.

Hohe Energiepreise

Doch selbst wenn sich die Situation wieder etwas entspannen sollte, müsse die Zentralbank bald eine Kehrtwende in ihrer Politik des billigen Geldes einleiten, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. "Wegen der hohen Haushaltsdefizite und der EZB-Anleihekäufe gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf. Die EZB sollte den Fuß vom Gas nehmen, ihre Anleihekäufe einstellen und die Negativzinspolitik beenden."

"Ob der Höhepunkt der Preisniveausteigerungen erreicht ist, hängt vor allem von der Entwicklung der Energiepreise ab", sagt Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Er sieht bei den Rohölpreise zwar Zeichen für eine Entspannung. "Aufwärtsdruck bei den Kosten der Haushalte für Energie wird aber durch die weitere Anhebung der CO2-Abgabe zu Jahresbeginn und den verzögerten Anstieg der Gaspreise im Haushaltsverbrauch bleiben."

EZB: Zinserhöhung wäre "ein Fehler"

EZB-Direktorin Schnabel sagte, wenn sich die Inflation dauerhaft auf einem höheren Niveau als zwei Prozent festsetzen sollte, werde die EZB entschlossen reagieren. "Aber im Moment wäre es eben ein Fehler, die Zinsen frühzeitig zu erhöhen und damit den Aufschwung zu bremsen, denn das würde im Wesentlichen zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit führen und würde an der aktuell sehr, sehr hohen Inflation gar nichts mehr ändern können", so Schnabel.

Christine Lagarde
EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist gegen eine ZinserhöhungBild: Michael Probs/AP Photo/picture alliance

Ähnlich argumentiert EZB-Chefin Lagarde im Interview mit der FAS: "Wenn wir jetzt die Geldpolitik straffen würden, hätten wir voraussichtlich in 18 Monaten einen Effekt. So lang ist die Zeitverzögerung, bis unsere geldpolitischen Maßnahmen wirken", so Lagarde. "Bis dahin aber würde nach unseren Prognosen die Inflation schon längst wieder gesunken sein. Wir würden Arbeitslosigkeit und hohe Anpassungskosten verursachen und hätten dennoch nicht die aktuell hohe Inflation bekämpft."

Inflation bezeichnet allgemein die kontinuierliche Verteuerung von Waren und Dienstleistungen. Dieser Anstieg der Verbraucherpreise in einer Volkswirtschaft - also die Teuerungsrate - wird in der Regel als Inflationsrate zum Vorjahr erhoben. Die Berechnung basiert auf einem fiktiven Warenkorb je nach dem Konsumverhalten der betrachteten Bürger. Dabei werden die Preisänderungen bei teureren Produkten wie Strom stärker gewichtet als bei Zucker oder Briefmarken.

bea/hb (dpa, reuters, FAS)