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Heinz Oestergaard - Der Mann, der Deutschland einkleidete

Annabelle Steffes-Halmer14. August 2016

Romy Schneider liebte seine Kreationen, Hildegard Knef auch. Aber der vor 100 Jahren geborene Couturier Heinz Oestergaard kleidete nicht nur Stars ein, er designte etwa auch die gelb-grüne Uniform der deutschen Polizei.

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Models präsentieren die neue Frühjahrs- und Sommermode von Heinz Oestergaard
Bild: picture-alliance/dpa

Was wohl gewesen wäre, wenn Heinz Oestergaard dem Wunsch seines Vaters gefolgt und in den Schulbuchverlag seiner Familie eingestiegen wäre? Romy Schneider oder Zarah Leander hätten es sicher gerade so verkraftet und auf einen anderen Couturier geschworen, das Modehaus Quelle einen anderen Designer beschäftigt - aber was wäre die deutsche Polizei ohne ihre unververkennbaren moosgrünen Uniformen mit senfgelbem Hemd geworden? Denn auch für die zeichnet sich der am 15. August 1916 geborenen Berliner verantwortlich, der als der einflussreichste deutsche Modedesigner der Nachkriegszeit gilt.

Schon als Kind interessierte sich Oestergaard für Mode, insbesondere für die Garderobe seiner Mutter und bewies ihr gegenüber wenig Taktgefühl: "Mutti, was du heute anhast, sieht scheußlich aus." Nach einer Lehre als Textilkaufmann besuchte Oestergaard die Kunstschule von Professor Fritz August Breuhaus de Groot in Berlin und nahm Unterricht beim Bauhausschüler Otto Arpke. Mit der festen Absicht, Modedesigner zu werden, absolvierte er schließlich die Zuschneide-Akademie in seiner Heimatstadt. Seine Berufslaufbahn begann er dann 1938 beim Modehaus Erich Vogel in Berlin, für das er bis 1940 tätig war.

Als Oestergaard nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus sowjetischer Gefangenschaft zurückkehrte, gründete er in einer kleinen Berliner Wohnung sein erstes Atelier. Aus alten Uniformen, Gardinen und Fahnenstoffen schneiderte er seine oft eigenwilligen Kreationen und machte sich bald einen Namen in der prominenten Berliner Gesellschaft: Von Romy Schneider bis Hildegard Knef - sie allen liebten Oestergaards Roben.

Romy Schneider in einem Satinkleid von Heinz Oestergaard beim Filmball 1959 in München (Foto: picture-alliance/Keystone)
Romy Schneider beim Münchner Filmball 1959 in einem Satinkleid von OestergaardBild: picture-alliance/Keystone

"Mode für Millionen"

Ab 1967 in München ansässig, wollte Oestergaard aber nicht nur die Elite einkleiden. Als Modeberater diverser Textilunternehmen wie der Dessous- und Unterwäsche-Firma "Triumph" setzte er sich für eine "Mode für Millionen" ein. Dank ihm konnte die Damenwelt im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen: Es war Oestergaard, der die Stäbchen aus den Miedern verbannte und durch anschmiegsames Strechtmaterial ersetzte.

Für seine eleganten Kollektionen verwendete er weiche Chemiefasern und revolutionierte die bis dato behäbig anmutende Mode. Das Versandhaus Quelle machte ihn von 1967 bis 1985 zu ihrem obersten Mode-Verantwortlichen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sein Modeatelier unter dem Namen "Studio für kreatives Design" weiterzuführen und Haute Couture zu entwerfen.

Berufsbekleidung à la Oestergaard: praktisch und sexy

Außerdem entdeckte Oestergaard eine weitere Sparte, die es zu revolutionieren galt: die Berufsbekleidung. Nach den Mercedes-Fernfahrern und den ADAC-Mitarbeitern verpasste er den deutschen Polizisten ihre unverkennbare grün-gelbe Uniform. "Bevor ich den Zeichenblock in die Hand nahm, war ich einige Tage mit der Polizei auf Streife gegangen", so Oestergaard in einem Interview. "Ich beobachtete ihre Bewegungen, ich guckte zu, wenn sie jemanden verwarnten und schätzte ab, wie viel sie liefen, wegen der Schuhe."

Präsentation der neuen Polizeiuniformen 1974. (Foto: picture-alliance/dpa/C. Hoffmann)
Die Qual der Wahl: Die von Modeschöpfer Heinz Oestergaard entworfenen Uniformen waren im Schnitt identisch, unterschieden sich aber in der FarbkombinationBild: picture-alliance/dpa/C. Hoffmann

Oestergaard vollzog ihren Alltag so gut wie möglich nach. Schnell wurde ihm klar: die Uniform müsse praktisch sein, klar erkennbar, respekteinflößend und zugleich sexy. Im Klartext hieß das für ihn: "Po, Schritt und Oberschenkel mussten bei der Hose gut sitzen und durften nicht in einem sackartigen Schlabberzeug verloren gehen." Teilweise wird Oestergaards Modell noch heute getragen.

Mitte der 1980er Jahre zog sich Oestergaard aus der Modebranche zurück, blieb aber bis ins hohe Alter weiterhin kreativ, malte Bilder, entwarf Teppich und blies Glas. Er starb am 10. Mai 2003 in einem Seniorenheim in Bad Reichenhall.