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Frauenproteste gegen Vergewaltigungen

18. Oktober 2010

Im Kongo sind hunderte Frauen auf die Straße gegangen. Mit einem Protestmarsch forderten sie ein Ende der Massenvergewaltigungen im Osten des Landes. Angeführt wurde die Demonstration von der First Lady des Landes.

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Eine Frau sitzt mit ihrem Baby auf dem Boden vor einem Zelt für Flüchtlinge (Foto: Ute Schaeffer)
Frauen haben in einigen Gebieten Kongos kein einfaches LebenBild: Ute Schaeffer

Olive Lembe Kabila war die Anführerin der Demonstration, an der mehrere hundert Frauen in der Stadt Bukavu am Sonntag (17.10.2010) teilnahmen. Die Frau des Staatspräsidenten Joseph Kabila und ihre Mitstreiterinnen demonstrierten gegen die Massenvergewaltigungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

Vorangegangen war ein Sommer der Grausamkeiten: Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden von Ende Juli bis Anfang August innerhalb von drei Tagen mehr als 300 Frauen im Ost-Kongo vergewaltigt. Zudem sollen jährlich tausende Frauen, Männer und Kinder durch systematische Vergewaltigungen traumatisiert worden sein. Die Täter: vermutlich Rebellen und auch Soldaten der Armee.

Portraitaufnahme von Margot Wallström (Foto: AP)
Margot Wallström ist UN-Sonderbeauftragte gegen sexuelle Gewalt in KonfliktregionenBild: picture-alliance/dpa


"Das Problem ist enorm", klagte erst am vergangenen Freitag der UN-Sonderbeauftragte für den Kongo, Roger Meece, vor dem Weltsicherheitsrat in New York. "Wenn man den Daten traut, waren es allein im letzten Jahr 15.000 Vergewaltigungen." Die UN-Friedensmission im Kongo, MONUSCO genannt, ist laut Meece wegen der Größe und Unwegsamkeit des Ostkongos nicht in der Lage, der Bevölkerung Schutz vor Gewalt zu garantieren.

Sexuelle Kriegsverbrecher werden nicht immer verfolgt

MONUSCO verfügt derzeit noch über etwa 18.000 Blauhelmsoldaten und Zivilpolizisten, muss sein Kontingent auf Druck der Regierung im Kongo aber jetzt abbauen. Kinshasa verlangt trotz der schwierigen Lage im Osten des Landes, dass die UN-Truppen bis auf wenige Blauhelme reduziert werden. Die Verbleibenden sollen ausschließlich zur Ausbildung kongolesischer Soldaten eingesetzt werden.

Das Thema sexuelle Kriegsverbrechen scheint die Machthaber nur bedingt zu interessieren. Die UN-Sonderbeauftragte gegen sexuelle Gewalt in Konfliktregionen, Margot Wallström, kritisierte ebenfalls vor wenigen Tagen in New York die Vergewaltigungen durch Regierungstruppen im Ostkongo und fordert Sanktionen gegen sexuelle Kriegsverbrechen. "Frauen haben keine Rechte, wenn diejenigen, die ihre Rechte verletzen, ungestraft bleiben", sagte Wallström.

Ein Kartenausschnitt der Region (Grafik: dw)
Die Demokratische Republik Kongo liegt in Zentralafrika

Ein mutmaßlicher Drahtzieher der Massenvergewaltigungen vom Sommer könnte gefasst sein: Nach zwischenzeitlichen Zweifeln über die Identität des Mannes bestätigte die Vizechefin der UN-Friedensmission MONUSCO, Leila Zerrougui, dass es sich bei dem Gefassten um Oberst Sadoke Kokunda Mayele handle. Aus UN-Kreisen hieß es, dass Augenzeugen Mayele identifiziert hätten.

Zudem soll der Mann zugegeben haben, bei Angriffen auf Dörfer beteiligt gewesen zu sein, nicht jedoch an den Vergewaltigungen. Die Zweifel über die Identität Mayeles könnten möglicherweise von Vertretern der kongolesischen Armee gestreut worden sein, da sie den früheren Militäroffizier nicht in Haft sehen wollten, hieß es weiter. Grundsätzlich weist das kongolesische Verteidigungsministerium Vorwürfe zurück, dass Soldaten an Vergewaltigungen beteiligt seien. Das Justizministerium erklärte dagegen, mehrere Offiziere müssen sich vor Gericht verantworten, darunter ein General.

Ausmaß der sexuellen Gewalt ist erschütternd

Im Kongo, wo der Bürgerkrieg offiziell bereits seit 2003 beendet ist, ist das Ausmaß der Gewalt seit Jahren groß. Helfer und Ärzte etwa im Krankenhaus von "Heal Africa" in Goma oder im Panzi Hospital in Bukavu berichten von schwerst traumatisierten Patienten. So werden Frauen und Mädchen bei der Feldarbeit oder beim Wasserholen regelmäßig überfallen und vergewaltigt.

Zwei Frauen aus dem Kongo (Foto: dpa)
Gewalt gegen Frauen wird im Kongo gezielt eingesetztBild: picture-alliance/dpa

"Die meisten Opfer gehen nach Hause und erzählen nichts von dem Vorfall, weil sie sich schämen oder Angst haben, von ihrem Mann wegen der Schande verstoßen zu werden", sagt Kasereka Lusi, der Gründer und ärztliche Leiter von "Heal Africa". "Viele werden immer wieder vergewaltigt, so lange die Rebellen in der Gegend sind. Für die Frauen ist es die Hölle." Oft kommt es aber auch vor, dass Frauen und Mädchen vor den Augen ihrer Männer, Eltern oder Geschwister Gewalt angetan wird – eine gezielte Demütigung.

Manche Frauen werden vor die Wahl gestellt, sich von den Rebellen sexuell missbrauchen zu lassen oder mit einer Weigerung den Tod des Mannes oder der Familie zu verantworten. Wenn die Frauen die Vergewaltigung als das vermeintlich geringere Übel wählen, werden zahlreiche dieser Opfer nach Angaben von Helfern hinterher von ihren Familien oder Dorfgemeinschaften ausgestoßen - sie haben, so heißt es dann, Schande über die Familie gebracht.

Autor: Marcus Bölz (dapd, afp, dpa)
Redaktion: Marion Linnenbrink