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Politik

Trump erzählt mehr "Bullshit" als Clinton

Michael Knigge
26. September 2016

Im Präsidentschaftswahlkampf stellen Donald Trump und Hillary Clinton viele falsche Behauptungen auf, sagt der Philosoph Harry G. Frankfurt. Das dies allgemein akzeptiert wird, hält er für ein schlechtes Zeichen.

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USA Donald Trump und Hillary Clinton als Figuren
Bild: DW/R. Spina

DW: Für diejenigen, die mit Ihrem philosophischen Bestseller "Bullshit" nicht vertraut sind, erklären Sie doch bitte kurz Ihre Definition des Wortes "Bullshit" und der Person, die "Bullshit" von sich gibt.

Harry G. Frankfurt: Ein Mensch, der "Bullshit" von sich gibt, hat eine grundlegende Eigenschaft: Ihm oder ihr ist die Wahrheit gleichgültig. Er oder sie stellt Behauptungen auf - egal ob sie wahr oder falsch sind - einfach nur, um die Meinungen oder Einstellungen des Publikums zu manipulieren.

Wenn Sie nun Ihr Konzept des "Bullshit" auf die US-Wahl übertragen: Wie schneiden die Hauptkandidaten Donald Trump und Hillary Clinton im Vergleich ab?

Alle Politiker manipulieren Meinungen und Einstellungen. Demzufolge unterliegen auch alle Politiker der Versuchung, "Bullshit" zu verbreiten. Das gilt auch für Trump und Clinton. Aber sie unterscheiden sich darin, in welchem Maße sie "Bullshit" verwenden. Trump benutzt "Bullshit" viel häufiger als Clinton. Und wenn er keinen "Bullshit" verwendet, dann lügt er oft einfach.       

Clinton lügt auch, aber nicht so viel. Außerdem ist es ihr nicht gleichgültig, ob sie lügt, was bei Trump oft der Fall ist. Wenn sie bei einer Lüge erwischt wird, ist ihr das normalerweise peinlich oder sie versucht zu erklären, dass es doch eigentlich keine echte Lüge war. Wenn Trump bei einer Lüge oder bei "Bullshit" erwischt wird, ist ihm das überhaupt nicht peinlich. Er wiederholt dieselbe Lüge oder denselben "Bullshit" einfach nochmals.

Screenshot Youtube Video Harry Frankfurt Princeton University "On Bullshit"
Bild: Youtube/Princeton University Press

Was ist bislang der ungeheuerlichste "Bullshit" in diesem Präsidentschaftswahlkampf?

Ich kann den ungeheuerlichsten Fall von "Bullshit" nicht genau angeben, aber ich vermute, es handelt sich um etwas, das Trump gesagt hat. Warum toleriert die US-amerikanische Öffentlichkeit so viel "Bullshit"? Ich denke, es kommt teilweise daher, dass "Bullshit” im politischen Diskurs inzwischen so normal geworden ist. Die Öffentlichkeit ist so daran gewöhnt, dass es nicht mehr als etwas Besonderes gilt. Das ist eine sehr erschreckende Feststellung über das Urteilsvermögen der US-Amerikaner, aber auch über die Integrität unserer politischen Kandidaten. Beide Parteien scheinen den Versuch, bei der Wahrheit zu bleiben, aufgegeben zu haben.

Wenn Sie diese Wahl mit vorherigen vergleichen: Gibt es heute mehr oder weniger "Bullshit"?

Ich weiß nicht, ob es in diesem Wahlkampf mehr "Bullshit" als früher gibt. Es ist schwierig, das zu messen. Aber angesichts Trumps genereller Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit nehme ich an, dass es im aktuellen Wahlkampf mehr "Bullshit" gibt.  

Ist die Zunahme von "Bullshit" im Wahlkampf auf Amerika beschränkt oder ist das ein globales Phänomen?

Dazu kann ich nur zwei Dinge sagen. Erstens: Ich weiß es nicht. Aber es ist interessant, dass es in vielen Ländern jede Menge "Bullshit" gibt, aber kein Wort dafür in ihrer eigenen Sprache. Zweitens: Gott bewahre! 

Harry G. Frankfurt ist emeritierter Professor für Philosophie an der Princeton University. Sein Aufsatz "Bullshit" war 2005 ein "New York Times"-Bestseller. Sein jüngstes Werk "On Inequality" erschien 2015. 

Das Interview führte Michael Knigge per Email.