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HIV-Patient nach Stammzellenspende virenfrei

5. März 2019

Die Stammzellen-Transplantation im Rahmen einer Krebs-Behandlung ließ zwar die HI-Viren verschwinden, aber deutsche Forscher mahnen zur Vorsicht: Als HIV-Therapie taugt Stammzellen-Transplantation nicht.

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Symbolbild HIV-Virus
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Goldsmith

Niemand will von "Heilung" sprechen, aber trotzdem machte die Meldung, dass zum zweiten Mal ein HIV-Patient nach einer Stammzellen-Transplantation virenfrei ist, weltweit Schlagzeilen.

Wissenschaftler hatten am Dienstag berichtet, dass bei einem vormals HIV-positiven Patienten 18 Monate nach einer speziellen Stammzelltransplantation keine Viren mehr nachweisbar seien. Dem an einem Lymphdrüsenkrebs, dem Hodgin-Lymphom, erkrankten Mann waren Stammzellen eines Knochenmark-Spenders transplantiert worden, der aufgrund einer seltenen genetischen Veränderung resistent gegen eine HIV-Infektion ist. Nach dieser Stammzellenbehandlung zeige der "Londoner Patient" nun keine Symptome einer HIV-Infektion mehr.

Genetische Besonderheit des Stammzellenspenders

Entscheidend ist der Stammzellen-Spender, bei dem das HI-Virus keine Immunzelle infizieren kann, da durch eine Genmutation der von den meisten HI-Viren genutzte Rezeptor auf der Oberfläche von Immunzellen, der CCR5-Rezeptor, fehlerhaft und somit funktionslos ist. Das HI-Virus benutzt diesen Rezeptor als eine Art Eintrittspforte zur Infektion von Immunzellen. Ohne den funktionierenden Co-Rezeptor bleibt ihm dieser Weg verwehrt.

Einen ähnlichen Fall hatte es vor 12 Jahren gegeben. Der "Berliner Patient" Timothy Ray Brown gilt seit 2008 als der erste und bisher einzige von einer HIV-Infektion geheilte Mensch. Die Londoner Ärzte behandelten den jetzt beschriebenen Patienten nach dem gleichen Prinzip wie damals die Berliner Kollegen an der Charité.

Dass es jetzt einen zweiten Fall gibt, wurde in der Fachwelt begeistert aufgenommen: "Wiederholbarkeit ist ein entscheidendes Kriterium wissenschaftlicher Evidenz", sagte der Direktor der Abteilung Virologie am Universitätsklinikum Heidelberg, Hans-Georg Kräusslich. Der zweite Falle zeige laut dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI), Gerd Fätkenheuer, dass die Heilung des Berliner Patienten kein singuläres Ereignis gewesen, sondern prinzipiell wiederholbar sei. Es gebe den Wissenschaftlern Auftrieb, die nach Wegen für eine Heilung von HIV-Infizierten suchten und könne die Zahl der Behandlungsstrategien eingrenzen.

Deutsche Wissenschaftler mahnen zur Vorsicht

"Dies ist ein ermutigendes Zeichen, aber kein Beweis für Heilung", so der Heidelberger Virologe Hans-Georg Kräusslich. So habe ein Baby in den USA insgesamt 27 Monate nach der Therapie keine nachweisbare Virusmenge gehabt, danach sei das Virus aber wieder aufgetreten.

Gero Hüter, der im Jahr 2008 den "Berliner Patienten" Brown an der Berliner Charité behandelt hatte, verwies darauf, dass einige Patienten, die in der Zwischenzeit die gleiche Behandlung erhalten hatten, früh an Komplikationen oder Rückfällen ihrer Krebserkrankungen gestorben seien.

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Die antiretroviralen Therapie (ART) mit Medikamenten bleibt bislang die einzige HIV-BehandlungsmöglichkeitBild: picture-alliance/dpa/L. Bo Bo

Auch zukünftig werde die Transplantation von Stammzellen keine Option für die Heilung einer HIV-Infektion sein. Bei einer Stammzellentherapie handele es sich um einen massiven Eingriff, der "angesichts einer in der Regel gut verträglichen und langfristig wirksamen antiviralen Therapie nicht vertretbar wäre, wenn er nicht aus anderen medizinischen Gründen indiziert wäre", so Kräusslich. So hatten Patienten in beiden Fällen diese Stammzellentherapie aufgrund ihrer Krebs- und nicht wegen ihrer HIV-Erkrankung erhalten.

Weltweit werden Millionen HIV-Patienten also erst einmal weiter mit einer antiretroviralen Therapie (ART) behandelt werden, die befreit sie jedoch nicht von dem Aids-Erreger. Die lebenslange Einnahme von Medikamenten, die das Virus in Schach halten, ist derzeit die einzige Möglichkeit, HIV zu behandeln.

Langwierige und heikle Suche nach HIV-Therapie

Welche Methoden zur Behandlung von HIV am Ende erfolgreich sind, ist noch weitgehend unklar. Im Fokus der Wissenschaft steht der funktionslose CCR5-Rezeptor auf der Oberfläche von Immunzellen. Zur Entwicklung von HIV-Therapien könnte das Erbgut der Zellen in HIV-Patienten hin zu der Variante verändert werden, die Resistenzen auslösen. Versucht wird, das Gen für den CCR5-Rezeptor etwa mit der Genschere CRISPR/Casc9 in den eigenen Stammzellen von Patienten zu zerstören, um so nicht mehr infizierbare Immunzellen dauerhaft aus den Stammzellen der Person produzieren zu lassen. 

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Im Fokus steht der funktionslose CCR5-Rezeptor auf der Oberfläche von ImmunzellenBild: picture-alliance/dpa/G. Bally

Diesen - ethisch umstrittenen – Ansatz verfolgte auch der chinesische Forscher He Jiankui, indem er das Erbgut von Embryonen mittels Genomeditierung veränderte. Er sorgte mit diesem Experiment Ende des vergangenen Jahres für einen Sturm der Entrüstung und die chinesische Führung hat daraufhin die Regeln für die gesamte Genforschung in China drastisch verschärft.

Weltweit sind knapp 37 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, doch nur 59 Prozent von ihnen erhalten eine antiretrovirale Therapie. Jedes Jahr sterben etwa eine Million HIV-Patienten an Erkrankungen, die mit dem Virus in Zusammenhang stehen. Und mittlerweile bereitet ein neuer, gegen Medikamente resistenter HI-Virus den Experten zunehmend Sorge.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund