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Djokovic noch eine Nummer zu groß für Zverev

16. Februar 2021

In einer engen und hochklassigen Partie setzt sich Rekord-Titelträger Novak Djokovic gegen Deutschlands besten Tennisspieler Alexander Zverev durch. Der verpasst trotz starker Leistung sein drittes Grand-Slam-Halbfinale.

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Tennis - Australian Open - Melbourne - Alexander Zverev
Bild: Loren Elliott/REUTERS

Es waren gut zwei Stunden gespielt in der Rod Laver Arena in Melbourne, da brach es aus Novak Djokovic heraus. Er nahm seinen Schläger und zerschlug ihn wutentbrannt auf dem blauen Boden - da hatte Alexander Zverev gerade das 4:1 im dritten Satz erspielt. Erstaunlich viele Fehler waren dem wegen einer Bauchmuskelverletzung angeschlagenen Rekord-Titeljäger in Australien unterlaufen, bis zu diesem Zeitpunkt allein vier Doppelfehler. Der erste Satz war schon an Zverev gegangen.

Acht Mal hat Djokovic die Australian Open bereits gewonnen, zuletzt zweimal nacheinander. In diesem Viertelfinale schien er schlagbar. Die Nummer sieben der Tennis-Weltrangliste machte es ihm schwer. Mutig und nervenstark spielte Zverev. Er servierte gut, zeitweise mit Aufschlägen von über 220 km/h. Doch nach seinen ersten beiden Doppelfehlern wendete sich das Blatt. Djokovic platzierte stark und holte sich den dritten Satz mit einem gewaltigen Freudenschrei.

Der vierte Satz geriet zum Besten, was das Tennis derzeit zu bieten hat. "Absolute Weltklasse", schwärmte Boris Becker bei Eurosport. Beide Spieler gingen an ihre körperlichen und mentalen Grenzen, forderten sich, das Spiel wog hin und her - bis in den Tiebreak. Dort zeigte Djokovic seine ganze Klasse. Zverev musste sich nach dreieinhalb Stunden mit 7:6 (8:6), 2:6, 4:6 und 6:7 (6:8) geschlagen geben. "Bis zum letzten Punkt hätte jeder von uns das Match gewinnen können", sagte Djokovic nach dem Ende: "Es war ein großer Kampf und Pech für Sascha."

Für Zverev war es die neunte Niederlage gegen einen Top-Ten-Spieler bei einem Major. Im vergangenen Jahr war er in Melbourne erst in der Runde der letzten Vier am Österreicher Dominic Thiem gescheitert.

Familientross in Australien

Zverevs Karriere war von Kindesbeinen programmiert - als Sohn zweier ehemaliger russischer Tennisprofis, Mutter Irina und Vater Alexander Zverev Senior, dominierte der "weiße Sport" das Familienleben. Zverev wurde in Hamburg geboren und dort wie sein Bruder zunächst von seinem Vater trainiert. Mit fünf Jahren begann Alexander, dessen Spitzname Sascha die russische Koseform von Alexander ist, mit dem Tennisspiel. 2013 wurde er Profi. Auch sein zehn Jahre älterer Bruder Mischa ist Profispieler. Seinen Wohnsitz hat Zverev mittlerweile nach Monaco verlegt, seinen Trainingsmittelpunkt nach Florida.

Alexander Zverev mit seiner Familie
Die Zverevs - eine reine TennisfamilieBild: Luciana Guerra/empics/picture alliance

Sein Vater ist auch heute wieder sein Trainer, nachdem sich Zverev vier Wochen vor Beginn der Australian Open von David Ferrer und der von Roger Federer mitbegründeten Managementagentur "Team 8" getrennt hat. Ferrer ist nach Ivan Lendl und Juan Carlos Ferrero damit schon der dritte prominente Ex-Tennisprofi, der mit Zverev nicht langfristig zusammenblieb: bloß sechs Monate. Nun soll es also wieder der Familientross um Vater Alexander und Bruder Mischa richten. Dieser ist als Co-Trainer und Manager Saschas engster Vertrauter.

Deutschlands Bester alles andere als ein Publikumsliebling

Die Australian Open will Zverev auch dafür nutzen, sein Image zu polieren. Denn obwohl der 23-Jährige seit gut fünf Jahren Deutschlands Nummer eins ist, ist das deutsche Publikum mit seinem besten Tennisspieler bisher nicht so richtig warm geworden. Zu sehr scheint es dem Zverev-Clan um den Erfolg zu gehen, um taktisch klug gewählte Turnierplanung, zu wenig um Herz und Emotion. Diese bringt Zverev zwar auf den Platz - legendär sind seine Wutausbrüche, bei denen er auch schon mal Schläger zertrümmert oder ihm russische Flüche über die Lippen gehen. Dennoch steht Zverev nicht für mitreißenden Tennissport à la Boris Becker, Michael Stich oder Steffi Graf.

Das liegt auch an den vielen Negativ-Schlagzeilen: der langwierige Rechtsstreit mit Ex-Manager Patricio Apey, der Zverev seit dessen 15. Lebensjahr betreute, den Gewaltvorwürfen von Ex-Freundin Olga Sharypova oder den aktuellen Aussagen der werdenden Mutter seines bald geborenen Kindes. Das brachte Zverev nicht nur in den Sozialen Netzwerken wütende Attacken ein. Auch die Tenniswelt kritisierte Zverev scharf, nachdem der nur eine Woche nach dem Abbruch der umstrittenen Adria-Tour bei einer Party gefilmt worden war, obwohl er vorher versichert hatte, sich 14 Tage in Selbstisolation zu begeben. Bei der Adria-Tour hatten sich etliche Spieler mit dem Coronavirus infiziert, unter anderem auch Organisator Novak Djokovic.

Größter Rückschlag: US-Open-Finale

Tennis US Open
Der bitterste Moment der Karriere: das verlorene US-Open-Finale Bild: Reuters/USA Today Sports/R. Deutsch

Zverevs größter Erfolg war der Gewinn der ATP-Finals 2018. Die Hoffnungen auf einen Sieg bei größeren Turnieren hat er regelmäßig nicht erfüllt - so wie auch bei den US Open im vergangenen Jahr. Bis ins Finale hatte er sich gekämpft, war dem Triumph so nah wie nie zuvor - und dennoch verlor er dramatisch in fünf Sätzen gegen Dominic Thiem. Ein traumatisches Erlebnis für den 23-Jährigen, das ihn lange beschäftigt hat. Sein Weg bis ganz nach oben ist noch weit, die seit Jahren dominierenden Tennisgrößen Rafael Nadal, Roger Federer (jeweils 20 Grand-Slam-Siege) und Novak Djokovic (17), die von Rekord zu Rekord eilen, scheinen noch uneinholbar. Der erste Sieg bei einem Grand Slam gegen einen dieser drei Giganten wäre ein wichtiger Schritt hin zu dem lang ersehnten Generationenwechsel. Alexander Zverev war im Viertelfinale von Australien immerhin schon ganz nah dran.