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Die Ökonomie der Natur

14. März 2011

Den Wert von Ökosystemen in Geld auszudrücken, wird in der Umweltpolitik immer wichtiger. Ökonomen arbeiten an Studien - und fordern, die Kosten von Naturzerstörungen künftig in Unternehmensentscheidungen einzubeziehen.

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Regenwald (Foto: CC/Peter Wankerl - Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de)
Bild: CC/Peter Wankerl

Was ist ein Wald wert? Welche Summe erwirtschaftet eine Biene? Und wie teuer ist der Service, den Mangrovengebiete liefern? Solche Fragen spielen in der Umweltpolitik bisher keine große Rolle, weil die Dienstleistungen der Natur wirtschaftlich bislang kaum erfasst worden sind. Doch seitdem die G8-Staaten 2007 beim UN-Umweltprogramm eine Studie in Auftrag gegeben haben, die den Wert eben dieser ökologischen Vielfalt des Planeten erfassen soll, findet die neue ökonomische Perspektive verstärkt Gehör.

(Foto: CC/Global2000, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de)
Nützliche Natur: Die Kautschuk-Ernte ist ein gutes Beispiel, wie der Mensch direkt an der Natur verdient, ohne sie dabei zu schädigenBild: CC/Global2000

Vorbild für die sogenannte TEEB-Studie (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) ist der Stern-Report, in dem der britische Ökonom Nicholas Stern 2006 die Kosten eines ungebremsten Klimawandels berechnet hat. „Wir wollen mit TEEB deutlich machen, was für ein Kapital in der Natur schlummert. Und erreichen, dass der Wert der Natur verstärkt in politische und wirtschaftliche Entscheidungen einfließt“, sagt Christoph Schröter-Schlaack, er arbeitet für das Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) an der Studie mit.

Wertvolle Waldressourcen

Der TEEB-Abschlussbericht wird Ende Oktober in Japan vorgestellt. Im Dezember ist die Naturökonomie wieder Thema: Beim UN-Klimagipfel in Cancún soll es auch darum gehen, wie Waldressourcen in einem Klimavertrag berücksichtigt werden. Die Umweltminister diskutieren zudem einen Waldschutz-Fonds: Aus ihm sollen Entwicklungsländer Geld erhalten, wenn sie ihre Wälder schützen – statt sie zur wirtschaftlichen Nutzung freizugeben. Die südlichen Staaten bringen sich hierfür mit eigenen Konzepten ein – so etwa Brasilien, Ecuador, Guyana. Führend im ökonomischen Waldschutz ist Costa Rica, wie Schröter-Schlaack berichtet.

Der wirtschaftliche Nutzen der Wälder ist immens. Zwischen zwei und fünf Billionen Dollar Naturkapital verliert die Welt jedes Jahr durch Waldzerstörung, zeigt die TEEB-Studie. Nur 45 Milliarden Euro würde es hingegen kosten, den bedrohten Wald zu erhalten - und damit die Billionenkosten zu vermeiden.

Die Dienstleistungen der Bäume

Je kleiner das Ökosystem, desto genauer die Studien. Fast 13.000 Euro ist zum Beispiel ein Hektar Stadtwald in Freiburg über einen Zeitraum von 100 Jahren laut UFZ wert. Der Wald ist Luft- und Wasserfilter, CO2-Speicher, Holzlieferant, Arbeitgeber für Forstwirte und Kulturdienstleister für die Freiburger, die hier Sport treiben – und dafür woanders kein Geld ausgeben müssen.

(Foto: KfW-Bildarchiv/Bernhard Schurian, Nutzungsbed: http://bildarchiv.kfw.de/kata/Katalog/)
Natürliche Hochwasserbarriere: Mangrovenwälder schützen vor Überschwemmungen und sind Aufzuchtstube für den FischnachwuchsBild: KfW-Bildarchiv/Bernhard Schurian

Delei Überlegungen fließen in die Studien mit ein, die auch Grundlegendes erbringen: Zum Beispiel, dass Artenvielfalt die Leistung eines Ökosystems steigert. Und Flussmündungen sowie Mangrovenwälder besonders wertvolle Landschaftstypen sind, da Hochwasserschutz und Fischzucht hier zusätzlich im Servicekatalog stehen. Ein Beispiel: 1,1 Milliarden Dollar kostet der Erhalt von 12.000 Hektar Mangroven in Vietnam im Jahr. 7,3 Milliarden Dollar würde hingegen allein die Instandhaltung von Deichen kosten, die künstlichen Hochwasserschutz leisten.

Die Investitionen für den Deichbau fließen in das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Vietnams ein. Der Beitrag der Mangroven wird aber nirgends gutgeschrieben. Im Gegenteil: Ihre Zerstörung ermöglicht erst BIP-Wachstum – was ökologische Ökonomen kritisieren. Sie werben für umweltbezogene Wachstumsindikatoren und ein neues Denken: Der US-Naturökonom Robert Costanza fordert, dass Firmen bei riskanten Projekten in einen Vorsorgefond einzahlen, aus dem das Geld an sie zurückfließt, wenn keine oder nur geringe Schäden entstanden sind. BP hätte für die Ölbohrung im Golf von Mexiko mehr als ein Viertel seines Unternehmenswertes vorlegen müssen, schreibt Costanza. „Was wäre die Reaktion gewesen? Entweder gar nicht zu bohren. Oder nach Wegen zu suchen, das Risiko zu reduzieren - also mehr Geld in Sicherheitstechnik zu investieren.“

Fischerei als Verlustgeschäft

Industrielle Fischerei (Foto: WWF)
Verlustgeschäft: Weil die Bestände über Gebühr ausgebeutet werden, verliert die Weltfischerei bereits 50 Milliarden Dollar im JahrBild: Australian Fisheries Management Authority

So lässt sich anhand der Ölkatastrophe errechnen, wie sehr sich vorsorgender Umweltschutz auszahlen könnte. Nicht zuletzt könnte davon auch die Weltfischerei profitieren. Eine genaue Studie steht zwar noch aus, laut Weltbank verliert die Fischereiindustrie aber jährlich allein 50 Milliarden Dollar, weil immer weniger gefangen wird - trotz steigender Ausgaben für Schiffe und Fanggeräte. Mehr noch: WWF-Fischerei-Experte Stephan Lutter betont, dass die Kosten für die Zerstörung wertvoller Korallenriffe durch Schleppnetze, für Beifänge oder illegale Fischerei da noch nicht eingerechnet sind. „Der Fischerei-Wahnsinn kennt derzeit nur Verlierer.“

Ein Umdenken ist dringend nötig. Dazu sollen Studien wie TEEB beitragen. Ihre Botschaft lässt sich in einer Zahl zusammenfassen: 1:100 lautet die Formel der Naturökonomie. Das heißt, dass die Natur einen Euro Investition in Schutzmaßnahmen im Schnitt mit 100 Euro zurückzahlt - durch kostbare Dienstleistungen, deren Wert bisher verkannt worden ist.

Autor: Torsten Schäfer
Redaktion: Klaus Esterluß