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Die Prinzessin im Zentrum von Saudi-Arabiens Sportnetz

Matt Pearson | Dana Sumlaji (Mitarbeit)
2. November 2023

Boxkämpfe, Golf, die Formel-1 und bald wohl auch die Fußball-WM und möglicherweise Olympia - Saudi-Arabiens Einfluss im internationalen Spitzensport wird immer größer. Eine wichtige Rolle spielt dabei Prinzessin Reewa.

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Prinzessin Reema bint Bandar Al Saud  bei einer Konferenz in Riad im Oktober 2022
Prinzessin Reema bint Bandar Al Saud bei einer Konferenz in Riad im Oktober 2022Bild: FAYEZ NURELDINE/AFP

Nachdem auch der letzte potenzielle Mitbewerber Australien seine Ambitionen auf die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2034 zurückgezogen hat ist klar: Saudi-Arabien wird die WM 2034 aller Voraussicht nach ausrichten. Da es nach Ablauf der Frist für die offizielle Einreichung der Bewerbungsunterlagen keinen Gegenkandidaten gibt, gibt es auch keine Wahl. FIFA-Präsident Gianni Infantino gratulierte bereits via Instagram

Die Quasi-WM-Vergabe an das Land, das wegen Menschrechtsverletzungen und Sportswashing regelmäßig in der internationalen Kritik steht, war ein bemerkenswerter Schlusspunkt eines Monats, in dem Schwergewichts-Boxweltmeister Tyson Fury Herausforderer Francis Ngannou vor den Augen von Cristiano Ronaldo in der saudischen Hauptstadt Riad schlug. Der sich im Besitz des saudischen Staatsfonds befindende englische Fußball-Klub Newcastle United schlug in der Champions League zudem Paris St. Germain, das Katar gehört.

Und es geht weiter: Im November wird der Schriftzug des staatlichen Ölkonzerns Aramco beim Finale der Cricket-WM im indischen Ahmedabad allgegenwärtig sein, so wie es beispielsweise bereits in der Formel-1 und vielen weiteren globalen Top-Sportevents ist. Nicht zuletzt im Golfsport, wo es mit der von Saudi-Arabien ins Leben gerufenen LIV-Serie gleich einen kompletten Wettbewerb gibt, den das Königreich kontrolliert. 

Laut Daten der dänischen Organisation "Play the game", die der DW vorliegen, unterhält Aramco derzeit mindestens 26 Sponsoren-Aktivitäten im Sport. Nur der saudische Staatsfond Public Investment Fund (PIF), dem auch Newcastle United gehört und der entweder direkt oder über seine Tochtergesellschaften 137 Sponsoren-Aktivitäten unterhält, hat einen noch größeren Anteil an den insgesamt 323 in der detaillierten Analyse ermittelten saudischen Sponsoren-Aktivitäten im Sport.

Boxkampf Tyson Fury - Francis Ngannou in Riad Ende Oktober 2023
Boxkampf Tyson Fury gegen Francis Ngannou in Riad Ende Oktober 2023 Bild: Yazeed Aldhawaihi/AP/picture alliance

Sowohl Aramco als auch der PIF befinden sich vollständig in Staatsbesitz. Und die Verbindung von Staat und Sport wird durch eine Reihe von Schlüsselpersonen, die einerseits über enorme diplomatische und politische Macht verfügen und andererseits einen erheblichen Einfluss auf den Sport ausüben, noch verstärkt.

Mächtige Prinzessin

Eine dieser Schlüsselpersonen ist Prinzessin Reema bint Bandar Al-Saud, Mitglied der saudischen Herrescherfamilie. Sie bekleidet laut "Play the game"-Informationen gleich vier hochrangige Sportfunktionärs-Positionen. "Sie verkörpert das Bild von Saudi-Arabien, das [Kronprinz, Anm. d. Red.] Mohammed bin Salman transportieren möchte", sagt James Dorsey vom "Middle East Institute" der "National University of Singapore" der DW. "Das bedeutet: zukunftsorientierter, sozialliberaler, Frauen Chancen einräumend und so weiter", erklärt Dorsey.

Die Prinzessin sei dafür "die perfekte Kandidatin". Sie ist die erste weibliche Botschafterin Saudi-Arabiens in den USA, Chefin des Nationalen Olympischen (NOC) und des Nationalen Paralympischen Komitees (NPC) des Landes und Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Nicht zuletzt deswegen wird vermutet, dass nach der Fußball-WM Olympische Spiele das nächste "Sport-Ziel" Saudi-Arabiens sein werden. 

"Diese Art der formellen Beziehung zwischen der Leiterin eines Nationalen Olympischen Komitees und einer nationalen Regierung wirft kritische Fragen zu Interessenkonflikten, Fragen der Loyalität und der so genannten Autonomie des Sports auf, die von der olympischen Bewegung so vehement propagiert wird", sagt Stanis Elsborg von "Play the Game": "Wird sie bereit und in der Lage sein, die Autonomie des NOC als Politikerin und Regierungsvertreterin zu wahren, wenn eine Situation eintritt, in der die Interessen der saudischen Regierung und die der olympischen Bewegung politisch auseinanderklaffen?"

Verletzung der Olympischen Charta? 

Eine Anfrage der DW für ein Interview mit Prinzessin Reema blieb seitens des IOC unbeantwortet. In einer Erklärung hieß es, dass alle IOC-Mitglieder die geltenden Kriterien erfüllen. In der IOC-Charta heißt es, Mitglieder haben sich "nicht von politischen oder geschäftlichen Einflüssen und von rassischen oder religiösen Erwägungen leiten zu lassen". An der Unabhängigkeit Prinzessin Reemas von politischen Einflüssen muss allerdings gezweifelt werden. 

Die 48-Jährige ist die Tochter von Bandar bin Sultan Al-Saud, der ebenfalls saudischer Botschafter in den USA war und in der Vergangenheit eine Reihe weiterer hochrangiger Ämter im Sicherheits- und Geheimdienstbereich bekleidete. Und Haifa bint Faisal Al-Saud, Tochter von zwei Mitgliedern der Königsfamilie. Prinzessin Reema ist außerdem Urenkelin des ersten Königs des modernen Saudi-Arabiens, Abd al-Aziz ibn Saud. 

Fortschritt für Frauen im Sport?

Aufgrund der Tätigkeit des Vaters als Botschafter wuchs Prinzessin Reema als eines von acht Geschwistern in den USA auf und machte einen Abschluss in Museumskunde an der George Washington Universität. Bevor sie begann, im Sport zu wirken, war Reema unternehmerisch tätig und erarbeitete sich den Ruf, die Chancen von Frauen in einem Land, in dem es um die Rechte der Frauen schlecht bestellt ist, zu verbessern.

Die vereinzelte Eintrittserlaubnis für Frauen in saudischen Fußballstadien begrüßte Reema als "Zeichen des Fortschritts". "Die Verbände sollten Frauen nicht nur als Athletinnen einbeziehen, sondern auch auf der Vorstandsebene, der Beratungsebene und in der Verwaltung", sagte die Prinzessin 2018 dem US-Sportsender ESPN in einem ihrer seltenen Interviews. Die Gesellschaft Saudi-Arabiens sei an Gleichstellung und die Integration der Frauen in die Öffentlichkeit "noch nicht gewöhnt", sagte Reema: "Aber das wird kommen."

Botschafterin Reema Bint Bandar (l.) mit US-Außenminister Anthony Blinken (r.) bei einem Treffen in Jeddah, Saudi-Arabien
Botschafterin Reema Bint Bandar (l.) mit US-Außenminister Anthony Blinken (r.) bei einem Treffen in Jeddah, Saudi-ArabienBild: Amer Hilabi/Pool/AP/picture alliance

James Dorsey nennt die Herrscher Saudi-Arabien "eines der repressivsten Regime in der Region", sagt aber auch, dass sich die Situation für Frauen im Land verbessere. "Was auch immer man von Mohammed bin Salman halten mag: Tatsache ist, dass er die sozialen Rechte der Frauen und die Chancen für Frauen erheblich verbessert hat", so Dorsey. Man sehe mittlerweile "viel mehr Frauen in führenden Positionen in der Regierung und in der Privatwirtschaft".

Umstritten und effektiv

So viel Macht und Einfluss wie Prinzessin Reema hat in Saudi-Arabien aber wohl keine andere Frau bislang erreicht, mutmaßt Stanis Elsborg von "Play the game". Ihr familiärer Hintergrund habe ihr Macht und Einfluss in beunruhigendem Ausmaß ermöglicht: "Ihre Funktionen ermöglichen es Saudi-Arabien, sich in der Sportdiplomatie zu engagieren, internationale Beziehungen zu pflegen, neue diplomatische Beziehungen zu knüpfen und sein Image in der globalen Sportszene zu prägen."

Für Dorsey ist diese Machtkonzentration typisch für Saudi-Arabien, die herrschende Familien hier und anderswo seien "per Definition korrupt" und "durch Korruption reich geworden". Eine "Unterscheidung zwischen dem Staatshaushalt und ihrem Haushalt" habe es nie gegeben, erklärt er: "Mit anderen Worten: Das Konzept des Interessenkonflikts gibt es nicht."

Die Art und Weise, wie Saudi-Arabien auch unter Mithilfe von Prinzessin Reema im internationalen Sport vorgeht ist zwar hochumstritten, aber auch sehr effektiv. Die Ankündigung der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft durch den FIFA-Präsidenten und IOC-Kollegen von Prinzessin Reema, Gianni Infantino, war ein weiterer eindrucksvoller Beweis dafür. 

Der Text wurde aus dem Englischen übersetzt