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Politik

Die Debatte über die Kopftuch-Debatte

Tessa Clara Walther | Friedel Taube
28. April 2019

Wofür steht das Kopftuch einer Muslimin? Darüber wird in Deutschland heftig gestritten. Jüngste Auflage: Eine Tagung an der Goethe-Universität in Frankfurt (Main), organisiert von der Wissenschaftlerin Susanne Schröter.

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Deutschland, Muslima mit Kopftüchern spazieren in der Innenstadt Münchens
Bild: imago/Ralph Peters

Kaum eine Debatte wird in Deutschland so emotional geführt wie die um das Kopftuch für Musliminnen. Ist das Stück Stoff Ausdruck gelebter Religionsfreiheit - oder ein Symbol für die Unterdrückung der Frau im Islam? Und wo und wann darf man es eigentlich tragen? Die Frage, ob zum Beispiel Lehrerinnen an öffentlichen Schulen den Kopf bedecken dürfen, hat in Deutschland sogar schon Gerichte beschäftigt. Und sie wurde in verschiedenen Bundesländern jeweils anders entschieden, so dass auch hier alles andere als Einigkeit herrscht. 

Das jüngste Kapitel in dem lang andauernden Diskurs wird jetzt an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main geschrieben und macht in ganz Deutschland Schlagzeilen. Was ist passiert? 

Vorwurf: Verbreitung anti-muslimischer Ressentiments

Die Ethnologin Susanne Schröter, die seit 2008 als Professorin unter anderem zum Islam in Europa forscht, will am 8. Mai bei einer Konferenz über das Kopftuch diskutieren. Titel der Veranstaltung: "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" Doch schon vor der Veranstaltung bekommt sie Gegenwind. Eine kleine Gruppe Studierender kritisiert das Vorhaben. Sie unterstellt der Professorin, mit der Veranstaltung anti-muslimische Ressentiments verbreiten zu wollen und fordern den Rücktritt der Wissenschaftlerin.

Deutschland Muslim Fashion in Frankfurt
Anlass für die umstrittene Konferenz in Frankfurt: die Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions"Bild: DW/A. Hakimi

Zuher Jazmati, Mitglied der Initiative "Uni gegen antimuslimischen Rassismus", begründet die Ablehnung im Gespräch mit der DW so: "Schon die Frage, ob es überhaupt eine Wertung hat, ob man ein Kopftuch trägt oder nicht, stellt sich für uns nicht. Das ist für Betroffene sehr nervend und wird auf deren Rücken ausgetragen." Diskussionen wie diese trügen mit dazu bei, dass es zu gewaltsamen Übergriffen auf muslimische Frauen käme.

Außerdem, so Jazmati, störe ihn die Zusammensetzung der Gäste, insbesondere die Teilnahme der Journalistin Alice Schwarzer, Herausgeberin der feministischen Frauenzeitschrift "Emma", sowie der Islamkritikerin Necla Kelek. "Frau Kelek hat schon oft hochproblematische Äußerungen in der Öffentlichkeit getätigt und trägt einen rassistischen Diskurs mit. Wenn über das Thema diskutiert wird, dann bitte nur mit Menschen, die das Kopftuch selber tragen und für sich selbst sprechen können." Die Gruppe fordert die Absage der Veranstaltung. 

Keine Absage geplant

Susanne Schröter vom Institut für Ethnologie Universität Frankfurt
Hitzige Debatte ausgelöst: Ethnologin Susanne SchröterBild: Privat

Die Professorin denkt allerdings gar nicht daran, die Veranstaltung abzusagen. "Ich bin davon ausgegangen, dass das eine ganz normale Standardkonferenz wird, die keine Aufregung auslöst. Wir diskutieren ja seit fast 20 Jahren über das Kopftuch", sagte Susanne Schröter der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig sei das Kopftuch als Symbol von allen Seiten auch unglaublich emotional aufgeladen. Sie habe mit der Veranstaltung lediglich die umstrittene Ausstellung "Contemporary Muslim Fashions", die derzeit im Frankfurter Museum Angewandte Kunst gezeigt wird, in einen gesellschaftlichen Kontext stellen wollen. Deshalb seien auch Befürworterinnen des Kopftuches zu der Veranstaltung eingeladen, wie die Theologin und Koran-Expertin Dina El-Omari, die selbst Kopftuch trägt.

Auch die Universitätsleitung stellt sich hinter Susanne Schröter. Konferenzen mit unterschiedlichen Stimmen zu veranstalten, sei ausdrücklich Teil ihrer Aufgaben, teilte Uni-Präsidentin Birgitta Wolff mit.

Universität als Ort des Diskurses

Susanne Schröter will, dass die Universität für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt steht: "Die Uni ist ein Ort, wo Diskussion stattfinden kann und wo nicht kleine Lobbygruppen bestimmen können, was gesagt werden darf und was nicht." Sie bezeichnete die Kritik in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" als "Einschüchterung", "Rufmord" und Angriff auf die Meinungsfreiheit. Mit dem Vorwurf des "antimuslimischen Rassismus" werde jegliche Kritik am Islam abgelehnt, fügte sie hinzu. "Es gilt schon als islamfeindlich, überhaupt bestimmte Themen anzusprechen."

Katjes-Werbung zeigt Model mit Kopftuch
Hatte auch schon zu Hetze in sozialen Netzwerken geführt: Werbeplakat des Süßwaren-Herstellers Katjes 2018Bild: picture alliance/dpa/P. Zinken

Ein Kompromiss steht derzeit wohl nicht ins Haus. Zuher Jazmati sagt, er könne sich bei dieser Zusammensetzung der Gäste nicht vorstellen, dass er selbst oder jemand aus der Initiative an der Veranstaltung teilnähme. Auch anschauen werde er sich die Veranstaltung eher nicht. "Ich werde dann die Ausschnitte, die öffentlich werden, ansehen, um dann zu sehen, dass dort das passiert, was wir vermuten." Einen direkten Kontakt mit der Professorin habe es aber auch bislang nicht gegeben. Der Instagram-Account der Initiative ist inzwischen nicht mehr verfügbar - Jazmati vermutet, er sei zu häufig von anderen Usern gemeldet worden.

Dauerstreitthema Kopftuch

Susanne Schröter hat sich in der Vergangenheit mehrmals kritisch zum Kopftuch geäußert. Auf einer Veranstaltung der Nichtregierungsorganisation Terre des Femmes im August vergangenen Jahres sagte sie laut Veranstalter, dass das Kopftuch Frauen einschränke und oft "mit einem ganzen Paket an weiteren Regularien" verknüpft sei. Anfang April dieses Jahres publizierte sie außerdem einen Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit dem Titel: "Was genau hat Gott gegen offenes Haar? Wer sich für islamische Mode begeistert, sollte ihre repressive Seite nicht verkennen."

Zuletzt hatte der Deutsche Hochschulverband (DHV) stark vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit an deutschen Universitäten gewarnt. "Widersprechende Meinungen müssen respektiert und ausgehalten werden", betonte der Präsident des DHV, Professor Bernhard Kempen. "Differenzen zu Andersdenkenden sind im argumentativen Streit auszutragen - nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt."