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Krieg in der Ukraine dominiert ESC-Vorentscheid

Silke Wünsch
4. März 2022

Malik Harris vertritt Deutschland beim Eurovision Song Contest in Turin. In einer TV-Show haben sich sechs Kandidaten vorgestellt. Ein besonderer Moment war der Auftritt der ukrainischen Sängerin Jamala.

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Mailk Harris hält seine Gitarre in die Kamera, auf deren Rücken "I Stand with Ukraine" steht
Der deutsche ESC-Kandidat Malik Harris mit BotschaftBild: Britta Pedersen/dpa-POOL/picture alliance

Es sollte der Tag der sechs Kandidaten für die deutsche ESC-Teilnahme werden - stattdessen haben die Programmmacher der übertragenden TV-Sender umdisponiert. Der Abend des deutschen Vorentscheids wurde eine Solidaritätskundgebung für die Ukraine, in die die TV-Show "Germany 12 Points" eingebettet war. Deutschlands ESC-Kandidat ist der 24-jährige Malik Harris aus dem bayerischen Landsberg, der mit "Rockstars" einen Popsong mit einem Rap-Teil bringt, der ein wenig an Eminem erinnert. Rockstars sei ein Song, der ihm persönlich unfassbar viel bedeute, sagte der frisch gekürte deutsche ESC-Teilnehmer. "Er bietet gerade in dieser für uns alle weltweit so schwierigen Zeit einen Hoffnungsschimmer und soll gleichzeitig zeigen, dass wir alle im selben Boot sitzen."

Emotionaler Höhepunkt des Abends aber war der Auftritt der ukrainischen Sängerin Jamala.

Jamala hatte den ESC 2016 in Stockholm überraschend gewonnen - mit dem im Vorfeld umstrittenen Lied "1944". Dort besang sie die Vertreibung der Krimtartaren unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin. Es war ein Teil ihrer eigenen Familiengeschichte - die sich nun wiederholt. Jamala ist kurz nach Beginn des Krieges mit ihren beiden kleinen Kindern aus der Ukraine zu ihrer Schwester nach Istanbul geflohen. Ihr Mann ist in der Ukraine geblieben.

Jamala hält ihre Trophäe hoch und freut sich über den Sieg, in der Hand eine Ukraine-Flagge
Jamala bei ihrem ESC-Sieg 2016 in StockholmBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Emotionaler Auftritt von Jamala

Als Jamala als Ehrengast der Show ihren Titel "1944" sang, hatten viele Menschen im Publikum Tränen in den Augen, es gab am Ende Standing Ovations für die ukrainische Sängerin. Sie habe im Namen der Kinder und der Frauen gesungen, hatte Jamala im Vorfeld es Auftritts gesagt. "Ich möchte, dass die ganze Welt unsere Stimmen hört, von unseren Schmerzen und von unserem Leid. Ich werde schreien, damit die ganze Welt hört, dass es so nicht sein darf."

Jamala hatte mit ihrem ESC-Sieg den Wettbewerb 2017 nach Kiew geholt - für diejenigen, die den ESC dort erlebt haben, eine schmerzliche Erinnerung an ein fröhliches Musikfest in der ukrainischen Hauptstadt.

Ukraine derzeit als ESC-Sieger gehandelt

Die ukrainische Vorauswahl 2022 stand schon vor den russischen Angriffen unter keinem guten Stern. Die zunächst haushohe Favoritin Alina Pash hatte ihre Teilnahme zurückgezogen, da sie offenbar 2015 mit gefälschten Papieren auf die Krim gereist war. Nun fährt die Gruppe Kalush Orchestra nach Turin - mit einer Mischung aus Hip Hop und Folklore. Bereits vor dem Ausbruch des Krieges hatten sie eine große Fangemeinde - nun aber sind sie die haushohen Favoriten.

Sängerin Ruslana hält lachend die Siegtrophäen hoch, hinter ihr die ukrainische Fahne
Mit Ruslana gewinnt die Ukraine 2004 zum ersten Mal den WettbewerbBild: Ulrich Perrey/dpa/picture alliance

Seit 2003 nimmt die Ukraine am ESC teil - direkt im zweiten Jahr gewann Ruslana für das Land mit "Wild Dance" den Titel. Ein ESC - Kulthit ist "Dancing Lasha Tumbai" mit dem die Queere Kunstfigur Verka Serduchka 2009 einen zweiten Platz belegte.

Deutscher Teilnehmer hat starke Konkurrenz

Der Kandidat für Deutschland wurde teils von den deutschen öffentlich-rechtlichen Radiosendern ermittelt, aber auch vom TV-Publikum. Und das hat den sympathischen Malik Harris mit seinem eingängigen Pop-Rapsong zum Sieger des Herzens erkoren. Er wird in den kommenden Wochen minutiös auf den Auftritt in Turin vorbereitet.

Dort muss sich Harris mit 39 weiteren und teils sehr starken Teilnehmerinnen und Teilnehmern messen - fest stehen mehr als die Hälfte. Darunter die finnische Rockband The Rasmus, die 2004 mit "In The Shadows" einen weltweiten Hit hatten. Norwegen schickt das Projekt "The Subwoolfer" - wer dahinter steckt, darüber wird noch gerätselt. Italien steht mit seiner Ballade "Brividi", unter anderem gesungen von Mahmood, der 2019 in Tel Aviv Zweiter wurde, ganz oben in den Buchmacherlisten. Gute Chancen werden auch dem spanischen Betrag beigemessen - einer fulminanten Tanznummer mit der Sängerin Chanel.

die norwegischen Teilnehmer, versteckt hinter gelben Masken mit schwarzen Sonnenbrillen
Wer steckt hinter den Masken? Norwegen macht es spannendBild: Terje Bendiksby/NTB/picture alliance

Auch russische ESC-Teilnehmer in Schockstarre

Schon kurz nach dem Beginn des Angriffs durch Russland hatten 81 namhafte russische Persönlichkeiten einen Appell unterschrieben, in dem sie den Krieg eine "Schande" nannten. Weiter hieß es dort: "Wir glauben nicht an Wladimir Putins Behauptungen, dass das ukrainische Volk unter der Herrschaft von 'Nazis' stehe und 'befreit' werden müsse." Unterzeichnet hatte auch der russische Superstar Sergey Lazarev. Er war selber zweimal hoch favorisierter Teilnehmer des ESC und ein Aushängeschild für Russlands Popszene. Nachdem er mit den Worten "Wir alle haben nur ein Leben" einen Antikriegspost auf Instagram veröffentlicht hatte, bekam er so viele Hassbotschaften, dass er seinen Account schließen musste.

Sergey Lazarev posiert mit animierten Adlerflügeln
Sergey Lazarev faszinierte das Publikum 2016 in Stockholm mit einer fulminanten ShowBild: Martin Meissner/AP Photo/picture alliance

Ivan Urgant, einer der bekanntesten russischen Fernsehmoderatoren und Moderator des Eurovision Song Contest 2009 in Moskau, schrieb auf Instagram nur: "Angst und Schmerz. NEIN zu Krieg".

Auch die ukrainische Top-Sängerin und frühere ESC-Teilnehmerin Swetlana Loboda verurteilte den Krieg unter Tränen in einem emotionalen Post. Mit mehr als 14 Millionen Followern kann sie sehr viele Menschen auch in Russland, wo sie sehr populär ist, erreichen und will klarmachen, dass nichts die russischen Angriffe auf die Ukraine rechtfertigt.

Derweil hat die Europäische Rundfunkunion EBU, die den ESC austrägt, Russland aus dem Wettbewerb ausgeschlossen. Russland hatte noch keinen Kandidaten für Turin gewählt. Auch Belarus ist zum zweiten mal in Folge für den ESC gesperrt.

Das Finale des 66. Eurovision Song Contest, der unter dem Motto "The Sound Of Beauty" steht, soll am Samstag, den 14. Mai um 21 Uhr im PalaOlimpico in Turin über die Bühne gehen.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online