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Deutsche Wirtschaft stagniert, Inflation sinkt

28. April 2023

Deutschland schrammt zu Jahresbeginn knapp an einer Rezession vorbei. Nach ersten Schätzungen geht die Teuerungsrate im April zwar zurück, die Kerninflation bleibt aber hoch. Die weitere Entwicklung: Weitgehend offen.

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Deutschland Deutsche jährliche Inflationsrate bei 10 % im September
Bild: Jin Mamengni/Xinhua/IMAGO

Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal wegen sinkender Konsumausgaben nur haarscharf an der lange befürchteten Winterrezession vorbeigeschrammt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Januar bis März zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten ein Wachstum von 0,2 Prozent erwartet, nachdem es im vierten Quartal noch ein Minus von revidiert 0,5 (bisher: -0,4) Prozent gegeben hatte. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer Rezession gesprochen, die nun knapp vermieden wurde.

Ein besseres Abschneiden verhinderten die sinkenden Konsumausgaben der Verbraucher, die infolge der Kaufkraftverluste durch die hohe Inflation nicht in Shoppinglaune sind. Auch die staatlichen Konsumausgaben nahmen ab. "Positive Impulse kamen dagegen von den Investitionen und den Exporten", erklärten die Statistiker. Details wollen sie im Mai bekanntgeben.

Teuerungsrate geht stärker als erwartet zurück  

Die deutsche Inflationsrate ist im April auf den niedrigsten Stand seit acht Monaten gefallen. Die Verbraucherpreise lagen im Schnitt 7,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit August 2022. Im März lag die Teuerungsrate noch bei 7,4 Prozent, im Januar und Februar bei je 8,7 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 7,3 Prozent gerechnet.

Mitarbeiter im Stammwerk der Heidelberger Druckmaschinen AG
Mitarbeiter im Stammwerk der Heidelberger Druckmaschinen AG Bild: Uwe Anspach/dpa/picture alliance

Die Erleichterung über den Rückgang der Inflation sei aber kein Grund zur Entwarnung, kommentierte Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW die vorläufigen Zahlen: "Wie erwartet lässt der Basiseffekt die Inflationsrate jetzt weiter sinken. Der massive Preissprung nach Kriegsausbruch liegt nun mehr als ein Jahr zurück und fällt damit aus dem Jahresvergleich heraus. Zusätzlich wirken auch die wieder gefallenen Energiepreise inflationsdämpfend."

Allerdings gebe es bislang keine Entspannung bei der Kerninflation, die ohne Energie- und Lebensmittelpreise berechnet wird und die zuletzt sogar noch weiter angestiegen ist, gibt Heinemann zu bedenken. "Der Anfangs-Impuls, der das Schwungrad der Inflation in Gang gebracht hat, ist ausgelaufen. Das Schwungrad dreht sich aber erst einmal kräftig weiter."

Zinserhöhungen dürften belasten

"Die Inflation ist im April weiter etwas gefallen, weil die Nahrungsmittelpreise zum ersten Mal seit anderthalb Jahren langsamer gestiegen sind", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Dieser Abwärtstrend sollte sich fortsetzen, was in den kommenden Monaten zu einem weiteren Rückgang der Inflationsrate beitragen wird. Aber die Kerninflation ohne Nahrungsmittel und Energie blieb nach unserer Schätzung im April bei viel zu hohen 5,8 Prozent", unterstrich Krämer. 

Eine technische Rezession im Winterhalbjahr sei zunächst vom Tisch, kommentierte der Commerzbank-Chefvolkswirt die BIP-Zahlen für das erste Quartal. "Allerdings rate ich mit Blick auf das zweite Halbjahr zur Vorsicht." So hätten viele Unternehmen bereits einen guten Teil der während der Corona-Krise liegen gebliebenen Aufträge abgearbeitet. Außerdem habe die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen kräftig angehoben. "Solchen Zinserhöhungen folgten in der Vergangenheit in Deutschland stets Rezessionen", sagte Krämer.

Auch Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank erwartet deshalb keinen durchgreifenden Aufschwung. "Im schwachen Wachstumsumfeld werden sich bereits erlittene Wohlstandsverluste daher festsetzen", sagte Krüger.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass die Konjunktur zumindest im laufenden Frühjahrsquartal an Schwung gewinnen wird. Dazu dürfte vor allem die anziehende Industrieproduktion - auch in den energieintensiven Wirtschaftszweigen - zum Wachstum beitragen.

Christine Lagarde | Präsidentin der Europäischen Zentralbank
Wie viele Zinserhöhungen hat EZB-Chefin Christine Lagarde noch in Planung? Bild: Thomas Lohnes/AFP/dpa/picture alliance

Sinkende Reallöhne, hohe Inflation und steigende Zinsen

"Zu Euphorie sollte das aber nicht verleiten", sagte die Co-Leiterin des DIW-Konjunkturteams, Geraldine Dany-Knedlik. Zwar hätten die zuletzt wieder niedrigeren Energiepreise sowie die stärkere Auslandsnachfrage die Produktion gestärkt. "Allerdings lasten die hohe Inflation und damit weiterhin niedrige Reallöhne auf den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte", sagte die Expertin.

Ralf Umlauf von der Helaba erwartet weitere Zinsschritte der EZB: "Da Frankreich, Italien und Spanien heute per saldo gute Wachstumszahlen veröffentlichten, dürfte sich die EZB darin bestärkt sehen, den Zinszyklus noch nicht als beendet zu erklären." Er rechnet in der nächsten Woche mit einer Zinserhöhung um 0,25 Prozent. "Darüber hinaus sollte eine weitere Straffung einkalkuliert werden, zumal die Teuerungsraten weiterhin viel zu hoch liegen und teilweise im April sogar gestiegen sind."

Arbeitsmarkt schwächelt, Frühjahrsbelebung fällt aus

Die trübe Konjunktur und die Flüchtlinge aus der Ukraine haben den oft zu spürenden frischen Frühjahrswind auf dem deutschen Arbeitsmarkt in diesem Jahr zu einem lauen Lüftchen werden lassen. Die Zahl der Arbeitslosen ging im April nur um 8000 auf 2,586 Millionen nach unten - im vergangenen Jahr stand zum selben Zeitpunkt noch ein Rückgang um 53.000 zu Buche. Die Arbeitslosenquote stagnierte bei 5,7 Prozent, wie die Bundesagentur für Arbeit am Freitag in Nürnberg mitteilte. Im April vorigen Jahres lag sie noch bei 5,0 Prozent.

Robert Habeck verbreitete trotzdem vor wenigen Tagen Optimismus. Der Bundeswirtschaftsminister rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 0,4 Prozent. 2024 soll das Bruttoinlandsprodukt dann um 1,6 Prozent zulegen. "Die deutsche Wirtschaft erweist sich nach der Corona-Krise auch in der Energiekrise als anpassungs- und widerstandsfähig", sagte der Grünen-Politiker bei der Vorstellung der Frühjahresprojektion der Bundesregierung.

tko/hb (rtr, dpa)